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Die Abschaffung im Parlament
Fragen und Antworten zum Eigenmietwert

Eines Einfamilienhaus, fotografiert am Mittwoch, 29. Juni 2022 in Uster. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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In Kürze:
  • Das Parlament steht kurz vor der Abschaffung des Eigenmietwerts.
  • Der jetzige Vorschlag beinhaltet eine Objektsteuer auf Zweitwohnungen.
  • Steuerausfälle könnten 1,7 Milliarden Franken betragen.
  • Eine Volksabstimmung wäre 2025 möglich.

Die Abschaffung des Eigenmietwerts steht im Parlament kurz vor dem Ziel. Nach sieben Jahren Arbeit könnten National- und Ständerat am Freitag in der Schlussabstimmung einen Haken dahintersetzen. Danach würde die Vorlage vor das Volk kommen.

Nach einer Kehrtwende des Ständerats am Mittwoch hatten einige Medien schon von einem definitiven Durchbruch geschrieben. Das jedoch scheint verfrüht: Am Donnerstagvormittag hat der Ständerat mit 21 zu 18 Stimmen nur knapp entschieden, sich überhaupt mit der Schaffung einer Objektsteuer auf Zweitwohnungen zu befassen; in der Folge sprach er sich für die Vorlage aus.

Diese ist mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verknüpft und soll den Kantonen die Kompensation der Steuerausfälle ermöglichen. Hätten zwei Ständeräte anders gestimmt, wäre das ganze Paket gescheitert. Dass sich bis am Freitag noch Parlamentarier umentscheiden, ist möglich.

Die Angelegenheit ist komplex und hat weitreichende Auswirkungen. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten dazu zusammengetragen:

Was ist der Eigenmietwert und warum ist er so umstritten?

Wer ein Haus besitzt und darin wohnt, muss Steuern auf einen angenommenen Betrag bezahlen, den er bei der Vermietung der Immobilie erhalten würde. Die Kantone wenden unterschiedliche Berechnungs­methoden an, doch im Grundsatz orientiert sich der Eigenmietwert am Wert der Immobilie.

Viele Eigentümer stören sich daran, dass ihnen auf der Steuerrechnung ein Einkommen zugeschrieben wird, obwohl in der Realität kein Mietertrag auf ihr Konto fliesst.

Je nach Einkommens- und Vermögenssituation kann das Personen in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Insbesondere Pensionierte haben oft nur ein tiefes Einkommen durch ihre Rente. Im Extremfall kann die Belastung dazu führen, dass Personen ihr Haus verkaufen müssen. 

Befürworter des Eigenmietwerts halten dem entgegen, dass das mietfreie Bewohnen einer Immobilie ein Naturaleinkommen sei, das durch eine Investition zustande gekommen ist. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Investitionen müsste dies ebenfalls besteuert werden.

Welche Lösung hat sich durchgesetzt?

Erst diesen Dienstag hatte eine sogenannte Einigungskonferenz der Parlamentskammern einer einheitlichen Lösung den Vorzug gegeben. Das heisst, dass der Eigenmietwert sowohl auf Erst- als auch auf Zweit­wohnungen wegfallen soll. Der Ständerat hatte lange darauf bestanden, Zweitwohnungen auszunehmen, um die Steuerausfälle für die Bergkantone zu begrenzen. Er beugte sich, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden.

Den Mindereinnahmen für die Bergkantone soll eine Ergänzungssteuer entgegenwirken. Wie sie aussehen soll, können die einzelnen Kantone selbst bestimmen. Das heisst, dass sie unter dem Strich sogar mehr einnehmen könnten als heute. Sie warnen jedoch vor Schlupflöchern und haben sich gegen die jetzt vorliegende Variante ausgesprochen. Insgesamt wehren sich 19 von 26 Kantonen.

Befürworterinnen dieser Lösung argumentieren, dass die Kantone mit dieser Steuer Wohnbaupolitik betreiben und sogenannte kalte Betten bekämpfen könnten, indem sie zum Beispiel Anreize für die Vermietung von Ferienwohnungen setzen.

Der zweite zentrale Aspekt der Vorlage ist, dass künftig kaum mehr Steuerabzüge für Unterhalt und Schuldzinsen – also Hypotheken – mehr möglich sein sollen. Diese Massnahme folgt ebenfalls dem Ziel, die Löcher in der Staatskasse so klein wie möglich zu halten.

Wer sind Gewinnerinnen und Verlierer?

Die Steuerausfälle für die öffentliche Hand würden in die Milliarden gehen. Wie hoch sie sind, hängt vom Leitzins ab. Dieser bestimmt, wie hoch die Abzüge für Hypothekenschulden heute sind, die künftig nicht mehr möglich wären. Bei einem durchschnittlichen Zins von 1,5 Prozent würden die Mindereinnahmen für die öffentliche Hand laut dem Bund 1,7 Milliarden Franken betragen. Der Staat müsste diese auf andere Weise einnehmen beziehungsweise sparen.

Unter den Hauseigentümerinnen würden jene am stärksten profitieren, die ihre selbst bewohnte Immobilie bereits ganz oder grösstenteils abbezahlt haben und tiefe Unterhaltskosten haben. Da ihre Abzüge bereits heute tief sind, schmerzt sie deren Wegfall nicht. Besitzer mit hoher Hypothek profitieren dagegen tendenziell weniger beziehungsweise gehören sogar zu den Verlierern.

Sind die Beteiligten zufrieden?

Die Zustimmung im Nationalrat ist unbestritten – eine bürgerliche Mehrheit dort hat die jetzige Lösung ausgearbeitet und unterstützt sie. Doch der Unmut im Ständerat ist selbst unter vielen Bürgerlichen gross.

Der Waadtländer FDP-Vertreter Pascal Broulis nennt die Angelegenheit «kafkaesk – so viel Arbeit für ein mehr als mittelmässiges Resultat». Er spricht von einer «Wahl zwischen Pest und Cholera». Am Schluss werde das Ganze sowieso in einer Volksabstimmung scheitern.

«Ich habe den Eindruck, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen nach sieben Jahren Arbeit müde vom Eigenmietwert sind», sagt Stefan Engler, Bündner Mitte-Ständerat. «Sie wollen das Thema vom Tisch haben und das Volk entscheiden lassen.» Engler ist im Grundsatz für eine Abschaffung des Eigenmietwerts, hält die Chancen in einer Volksabstimmung aber ebenfalls für gering.

Wie die Linke lehnten Engler und Broulis die Objektsteuer, die für den Erfolg des Gesamtpakets nötig ist, am Donnerstagmorgen ab. Sie blieben damit aber knapp in der Minderheit.

 Was passiert jetzt?

Stimmt das Parlament am Freitag der Abschaffung des Eigenmietwerts und der Einführung der Objektsteuer zu, kommt es zum obligatorischen Referendum. Dies, weil für neue Steuern eine Verfassungsänderung nötig ist. Dafür muss nicht nur eine Mehrheit der Bevölkerung, sondern auch der Kantone zustimmen. Seit den 1990er-Jahren hat die Bevölkerung eine Abschaffung oder Abschwächung des Eigenmietwerts vier Mal abgelehnt.

Das doppelte Ja wäre auch dieses Mal eine sehr hohe Hürde, da sich eine Mehrheit der Kantone wegen der zu erwartenden Steuerausfälle gegen die Vorlage ausgesprochen hat. Auch die Mieter, die eine Besserbehandlung der Hauseigentümer als ungerecht empfinden dürften, würden sich ebenfalls wehren. Die Bauwirtschaft dürfte sich dem Nein-Lager anschliessen: Sie profitiert davon, dass Renovationen bislang steuerlich abzugsfähig sind. Zuletzt ist auch ein Engagement der Banken für ein Nein denkbar, da diese heute davon profitieren, dass Schuldenmachen steuerlich begünstigt ist. Eine Abstimmung wäre bereits 2025 möglich.