Lockerung der SanktionenSchweizer Anwälte dürfen Putin und Co. wieder beistehen
Das Parlament lässt es zu, dass Schweizer Juristinnen und Juristen Russlands Staatsführung und Unternehmen beraten. In der EU bleibt dies verboten.
Seit zwei Jahren dürfen Architekten aus der Schweiz keine Regierungsgebäude in Russland mehr bauen. Seit zwei Jahren ist es Schweizer Ingenieurinnen untersagt, für russische Firmen aktiv zu werden. Und ebenfalls seit zwei Jahren dürfen hiesige Anwältinnen den Putin-Staat und Unternehmen aus Russland nicht mehr beraten. Der Grund: Die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union verbieten entsprechende Dienstleistungen an Russlands Regierung «oder in der in der Russischen Föderation niedergelassene juristische Personen, Unternehmen oder Organisationen».
Die Schweiz übernimmt die EU-Sanktionen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine fortlaufend. Ausnahmen gibt es nur wenige – aber bald gibt es eine gewichtige mehr.
Denn nun fällt in der Schweiz das Beratungsverbot, das für Anwältinnen und Anwälte gilt: Nach dem Ständerat unterstützt auch der Nationalrat eine Motion, welche die Aufhebung der entsprechenden Sanktionsbestimmung verlangt. Die Linke und der Bundesrat haben sich erfolglos dagegen gewehrt. Das Resultat in der grossen Kammer fiel am Mittwochabend mit 110 zu 71 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) deutlich aus.
Der Walliser Mitte-Ständerat und Anwalt Beat Rieder will mit der Motion – so der Titel – «Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen». Für ihn ist die bisherige Sanktionsbestimmung in Bezug auf seine Berufskolleginnen und -kollegen «verfassungswidrig», weil sie auf Klientenseite das Grundrecht auf rechtliches Gehör einschränke.
Der Gerichtshof der EU hingegen hatte kürzlich befunden, dass das Beratungsverbot keine Grundrechte verletzt. Dem widersprach im Nationalratssaal Rieders langjähriger Kanzlei- und Parteikollege Philipp Matthias Bregy. «Das Recht steht selbst einem Mörder zu», sagte der Walliser Mitte-Nationalrat.
Parmelin warnte vergeblich
Die Berner SP-Vertreterin Tamara Funiciello hingegen strich heraus, dass vom Beratungsverbot keine Einzelpersonen, sondern «ausschliesslich juristische Personen und die russische Regierung» betroffen seien. Wirtschaftsminister Guy Parmelin, in der Schweizer Regierung für das Sanktionswesen zuständig, betonte ebenfalls, dass die Grundrechte und insbesondere anwaltliche Unterstützung in Straf- und auch Verwaltungsverfahren in jedem Fall garantiert seien. Der SVP-Bundesrat warnte vor «unerwünschten Konsequenzen auf internationaler Ebene». Der Bundesrat sei der Meinung, dass «auch aus aussenpolitischen Gründen auf die Aufhebung des Verbots der Rechtsberatung verzichtet werden» solle.
Die Schweiz steht in Bezug auf die Russlandsanktionen unter dem Druck westlicher Staaten wie der USA. Immer wieder setzt es Kritik ab, weil Anwälte und Treuhänder in der Schweiz vom Geldwäschereigesetz ausgenommen sind, wenn sie Firmen ihrer Klienten nicht selbst führen. Einzelne Schweizer Rechtsanwälte sind jüngst selbst wegen Dienstleistungen für regierungsnahe russische Klienten von den Vereinigten Staaten sanktioniert worden.
Der Nationalrat will im Gegensatz zum Ständerat das Beratungsverbot für Anwälte nicht ersatzlos streichen, sondern es anpassen. Dafür muss nun ein passender Wortlaut gefunden werden.
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