Parlament diskutiert SystemwechselAbschaffung des Eigenmietwerts nimmt überraschend weitere Hürde
Im letzten Moment vollzieht der Ständerat eine Kehrtwende: Er schliesst sich dem Nationalrat an – und lenkt auch beim Abzug der Schuldzinsen ein. Die Vorlage muss aber noch weitere Schritte überstehen.

Das Parlament wurstelt sich Schritt für Schritt zu einer Abschaffung des Eigenmietwerts vor. Der Ständerat hat am Mittwoch die von der Einigungskonferenz vorgeschlagene Lösung eines vollständigen Systemwechsels gutgeheissen, mit 22 zu 15 Stimmen bei 6 Enthaltungen – ebenso der Nationalrat mit 114 zu 57 Stimmen bei 19 Enthaltungen.
Der Entscheid des Ständerats überrascht, weil er sich noch letzte Woche deutlich gegen diese Variante ausgesprochen hatte. Allerdings drohte nach jener Entscheidung, dass der Eigenmietwert ein weiteres Mal nicht abgeschafft werden könnte, obwohl die Politik in den letzten Jahrzehnten dazu schon mehrere Anläufe genommen hatte.
Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die einen Eigenmietwert kennen: Er bezeichnet ein fiktives Mieteinkommen, den Eigentümer eines selbst bewohnten Hauses versteuern müssen. Viele Hausbesitzerinnen- und -besitzer empfinden das als ungerecht, da sie dieses Einkommen in der Realität nicht erhalten.
Kehrtwende im letzten Moment
Ein Grossteil der Parlamentarier und Parlamentarierinnen ist sich im Grundsatz einig, dass die jetzige Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts nach sieben Jahren Beratung zum Erfolg führen soll.
Allerdings waren sich die Parlamentskammern in jeweils drei Beratungsrunden zuvor nicht einig geworden. Die Positionen lagen so weit auseinander, dass eine Lösung schwierig schien. Der Nationalrat wollte wie der Bundesrat den Eigenmietwert vollständig abschaffen, also auch bei Zweitwohnungen.
Der Ständerat forderte, nur Erstwohnungen von der Eigenmietwert-Besteuerung auszunehmen. Er begründete dies unter anderem mit dem Widerstand vieler Kantone gegen die Befreiung von Zweitwohnungen, weil dadurch grosse Mindereinnahmen befürchtet werden.
Noch mehrere Hürden
Nachdem sich die zuständigen Kommissionen der beiden Räte auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt hatten, vollzog der Ständerat nun im letzten Moment eine Kehrtwende und schloss sich dem Konzept des Nationalrats an. Verschiedene Ratsmitglieder brachten während der Debatte zum Ausdruck, dass sie die vorliegende Lösung zwar nicht für die bestmögliche hielten, sie jedoch einem erneuten Scheitern des Vorhabens vorzögen.
Auch bei der neuen Lösung betreffend Abzug der Schuldzinsen lenkte der Ständerat ein. Mit Nein stimmten SP und Grüne sowie einzelne Mitglieder der Mitte-Partei.
Es dürfte indes noch einige Zeit dauern, bis der Eigenmietwert tatsächlich abgeschafft ist. Die Vorlage muss noch die Schlussabstimmungen überstehen. Zudem ist die Abschaffung des Eigenmietwerts mit einem anderen Geschäft verknüpft.
Um die wegfallenden Einnahmen für Tourismuskantone wettzumachen, schlägt der Nationalrat eine neue Objektsteuer für Zweitwohnungen vor. Diese soll gleichzeitig mit der Abschaffung des Eigenmietwerts in Kraft treten. Die Kantone wären indes frei, eine solche Steuer zu erheben.
Der Ständerat hatte die Einführung einer solchen Steuer vergangene Woche nicht einmal diskutieren wollen. Jetzt, wo er unter hohem Druck den Ideen des Nationalrats zugestimmt hat, ist eine Zustimmung wahrscheinlicher. Der Ständerat befasst sich morgen damit. Da für die Einführung der Steuer eine Verfassungsänderung notwendig ist, wäre ein Referendum mit Ständemehr obligatorisch.
Wegfallende Einnahmen in einer Zeit der Sparprogramme
Die Bergkantone wehren sich gegen die Steuerausfälle, die ihnen durch die Abschaffung des Eigenmietwerts drohen. «Dies in einer Zeit, da allseits Sparprogramme geschnürt werden», hatte die Regierungskonferenz der Gebirgskantone im November protestiert. Zu ihr gehören Graubünden, Tessin, Wallis, Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus und Appenzell Innerrhoden.
Hier wohnt ein deutlich grösserer Teil der Bevölkerung im eigenen Heim als in städtischen Gebieten. Folglich seien die Bergkantone von der Abschaffung des Eigenmietwerts auch stärker betroffen, hatte die Präsidentin der Regierungskonferenz, Carmelia Maissen, gesagt. Hinzu kämen all die Zweitwohnungen in den Tourismusregionen. Allein ihre Nichtbesteuerung führe im Wallis und in Graubünden zu Steuerausfällen von rund 120 Millionen Franken.
Mit der Sondersteuer für Zweitliegenschaften können sich die Gebirgskantone nicht anfreunden. Vielmehr entstünden mit ihr «neue Umgehungs- und Optimierungsmöglichkeiten, die im Vollzug nicht lösbar sind». Deshalb hätten sich 19 der 26 Kantone dagegen ausgesprochen.
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