Abstimmung über GesundheitsfinanzierungNeuer Streit um Spitalbehandlungen: Zahlen Patienten künftig mehr?
Schweizerinnen und Schweizer müssen bei einem Ja zur Efas-Reform für Operationen bis zu 1300 Franken mehr aus dem eigenen Sack zahlen. Umstritten ist, wie oft das vorkommt.
Plötzlich auftretende, kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, Schmerz auch in der Schulter, Übelkeit. Diagnose: Gallensteine. Meist hilft in dem Fall nur die operative Entfernung der Gallenblase. Treffen kann es Jung und Alt. Die Operation gehört zu den häufigsten, wird etwa gleich oft durchgeführt wie die Entfernung des Blinddarms. Spitalaufenthalt: zwei bis drei Tage. Kosten im Normalfall: rund 7300 Franken.
Die Gewerkschaften warnen: Wenn die Bevölkerung die Reform zur einheitlichen Finanzierung der Leistungen (Efas) am 24. November annimmt, müssen Patienten bei Operationen wie der Gallenblasenentfernung einen höheren Anteil aus dem eigenen Portemonnaie zahlen.
Der Grund: Heute zahlt die Krankenkasse bei Spitalbehandlungen mit Übernachtung 45 Prozent der Spitalkosten, den Rest übernimmt der Kanton. An den Patienten bleibt die Franchise hängen sowie ein Selbstbehalt von 10 Prozent auf dem Anteil der Krankenkassen. Genau das will die Reform ändern: Künftig sollen der Selbstbehalt und die Franchise nicht bloss auf 45 Prozent, sondern auf den gesamten Kosten anfallen.
Das heisst: Für Eingriffe wie die Gallenblasenentfernung ergeben sich für die Patienten – unabhängig von der Franchise – Mehrkosten von etwa 400 Franken, sofern sie im selben Jahr nicht noch weitere teure Behandlungen haben. Patienten mit der tiefsten Franchise zahlen also künftig statt 600 Franken 1000 Franken.
Gleiches gilt für Patienten mit der höchsten Franchise: Sie müssten nach der Reform 2980 statt wie bis jetzt 2580 Franken zahlen, also ebenfalls 400 Franken mehr. Praktisch gleich verhält es sich zum Beispiel mit der ähnlich teuren Blinddarmoperation.
Im Extremfall 1300 Franken teurer
Ein weiteres Beispiel ist das Einsetzen von Hüftimplantaten. Das ist ebenfalls eine sehr häufige Operation. Sie kostet gemäss Tarifsystem je nach Spital rund 14’000 Franken. Nach der Einführung der Efas müssten Patienten mit der höchsten Franchise künftig etwa 310 Franken mehr an die Behandlung zahlen als heute.
Für Pierre-Yves Maillard, Präsident des Gewerkschaftsbundes und SP-Ständerat, ist deshalb klar: «In Zukunft müssen Patienten viel mehr selber zahlen für geläufige Behandlungen im Spital. Das sind je nachdem mehrere Hundert Franken pro Fall.» Das zeige, wie «falsch und gefährlich» die Efas-Reform sei, sagt Maillard.
So klar wie das die Gewerkschaften gern darstellen, ist der Fall allerdings nicht. In der Tat müssen zwar Patienten mit einer Franchise von 2500 Franken bei kleineren Operationen unter Umständen sogar bis maximal 1300 Franken mehr zahlen als heute – auch das eine Folge der neuen Finanzierungsformel.
Die Rechnung stimmt dann, wenn der betroffene Patient im gleichen Jahr insgesamt nicht noch weitere hohe Arztrechnungen hat. Wenn die gesamten Gesundheitskosten eines Patienten über 22’000 Franken betragen, muss er gleich viel selber zahlen mit oder ohne Reform.
Befürworter: Blinddarmoperation nur einmal
Zudem betonen die Befürworter, dass die Reform insgesamt kostendämpfend wirke, indem sie Anreize setze, dass einfachere Behandlungen – wann immer möglich – ambulant statt stationär durchgeführt werden. Denn ambulant ist günstiger.
«Das Potenzial ist enorm», sagt Gesundheitsökonom Willy Oggier. Er nennt als Beispiel den Leistenbruch, einer der häufigsten Eingriffe bei Männern. In der Schweiz werden heute unter 10 Prozent der Leistenbrüche ambulant operiert, in Dänemark sind es fast 90 Prozent. Gemäss Angaben des Ja-Komitees kostet ein Leistenbruch stationär rund 5800 Franken, ambulant nur 4200 Franken. Zudem erwähnt Oggier Kanada, wo selbst ein grosser Teil der Hüftimplantate ambulant eingesetzt wird.
Mit der geplanten Reform sollen sämtliche Gesundheitsleistungen künftig nach einem einheitlichen Schlüssel finanziert werden: Die Krankenkassen übernehmen dabei 72,9 Prozent der Nettokosten, der Rest wird von den Kantonen getragen.
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