Abstimmung vom 24. NovemberDas müssen Sie über die neue Gesundheitsfinanzierung wissen
Die Gewerkschaften warnen vor steigenden Krankenkassenprämien, die Befürworter versprechen eine Entlastung der Versicherten. Worum geht es genau bei der neuen Finanzierung von medizinischen Leistungen – kurz Efas?
Am 24. November stimmen wir über die Finanzierungsreform im Gesundheitswesen ab. Dabei geht es um 44 Milliarden Franken jährliche Gesundheitskosten, die künftig von den Krankenkassen und Kantonen nach einem fixen Verteilschlüssel beglichen werden. Das Parlament brauchte 14 Jahre für die Reform, die 2009 von der mittlerweile zurückgetretenen Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel initiiert wurde. Nun wollen die Gewerkschaften die Vorlage per Referendum zu Fall bringen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (Efas):
Wer bezahlt künftig medizinische Behandlungen?
Die Kantone sollen sich an den Kosten aller medizinischen Leistungen beteiligen. Heute übernehmen sie nur bei stationären Spitalaufenthalten 55 Prozent. Der neue Kostenschlüssel sieht vor, dass die Krankenkassen immer 73,1 Prozent und die Kantone 26,9 Prozent übernehmen – und zwar für ambulante Behandlungen in der Arztpraxis und im Spital, für stationär erbrachte Spitalbehandlungen, für Laboruntersuchungen, Medikamente oder Physiotherapie. Diese einheitliche Finanzierung aller Leistungen gilt bei einem Ja zur Vorlage ab 2028.
Was bedeutet die Reform für die Pflege?
Der neue Kostenschlüssel würde auch für die Finanzierung der Pflege durch Spitex und in Pflegeheimen gelten. Allerdings soll die Reform hier erst ab 2032 greifen. Bei der Pflegefinanzierung soll künftig die Krankenversicherung stärker zur Kasse gebeten werden. Heute ist der Pflegebeitrag der Kassen auf maximal 115 Franken pro Tag begrenzt, der Kostenanteil der Pflegebedürftigen beträgt maximal 20 Prozent des Kassenbeitrags.
Warum werden die Kosten neu aufgeteilt?
Wird heute eine Behandlung ambulant vorgenommen – geht der Patient danach also direkt wieder nach Hause –, müssen die Krankenkassen den vollen Betrag bezahlen, die Kantone beteiligen sich nicht. Das wird als Hindernis für die ambulante Medizin gesehen. In der Schweiz beträgt der Anteil dieser Art chirurgischer Eingriffe lediglich 21 Prozent, obwohl diese deutlich günstiger sind als stationäre Operationen. Auch sind aufgrund des medizinischen Fortschritts immer mehr Eingriffe ambulant möglich.
Was sind die Argumente der Befürworter?
In den Ländern der OECD beträgt der ambulante Anteil durchschnittlich 42 Prozent, Spitzenreiter sind die Niederlande und Dänemark mit 60 Prozent. Aus Sicht der Befürworter fördert eine einheitlich finanzierte Gesundheitsversorgung ambulante Eingriffe und dämpft das Wachstum der Gesundheitskosten. Kantone und Versicherer hätten den gleichen Anreiz, die medizinisch sinnvollste und günstigste Behandlung zu fördern. Bisher profitierten die Kantone davon, dass die Kosten im ambulanten Bereich stärker wuchsen als im stationären Bereich. Die Prämienlast der Versicherten nahm stärker zu als die Kostenbeteiligung der Kantone.
Werden die Versicherten finanziell entlastet?
Eine Studie von Polynomics im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit schätzt die jährliche Entlastung der Prämienzahler im optimistischen Szenario auf maximal 440 Millionen Franken, sie könnte im schlechtesten Fall aber auch bei null liegen. Im ersten Jahr mit Efas wird eine einmalige Entlastung um zwei Milliarden Franken erwartet. Dieser Effekt stellt sich ein, weil der mit Efas geltende prozentuale Kostenanteil von Kassen und Kantonen auf der Basis der Jahre 2016 bis 2019 festgelegt wurde. Seither ist der prämienfinanzierte Anteil der Gesundheitsleistungen weiter gestiegen, und er dürfte in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen. Gleichzeitig hat der Kantonsanteil abgenommen und dürfte bis 2027 weiter sinken. Das bedeutet, dass 2028 die Kantone einen Teil der Prämienlast übernehmen müssen, um den vorgesehenen höheren Kostenanteil zu erreichen.
Wie viel Geld wird bei der Reform neu aufgeteilt?
Die Gesundheits- und Pflegekosten, die von Krankenkassen und Kantonen getragen werden, belaufen sich insgesamt auf rund 44 Milliarden Franken (Stand 2022). Die Kostenbeteiligung der Versicherten über Franchise und Selbstbehalt ist in diesem Betrag nicht enthalten. Von den 44 Milliarden entfällt die Hälfte auf den ambulanten Bereich, der heute vollständig mit Krankenkassenprämien finanziert wird. 15 Milliarden kosten die stationären Spitalbehandlungen, von denen die Kantone 55 Prozent übernehmen. 6 Milliarden entfallen auf die Pflege zu Hause und in Heimen.
Warum bekämpfen die Gewerkschaften die Reform?
Hauptgrund für das Referendum der Gewerkschaften ist der Einbezug der Pflege in die Finanzierungsreform. Wenn die Langzeitpflege neu hauptsächlich durch die Krankenkassen finanziert werde, führe dies zu Prämienerhöhungen. Allein mit der Einführung von Efas würden 250 Millionen Franken auf die Versicherten abgewälzt. Während bisher für die Kostensteigerung in der Pflege vor allem die Kantone hätten aufkommen müssen, werde diese Last nun den Versicherten aufgebürdet.
Heute gibt es in der Pflege nicht nur gesetzliche Obergrenzen für die Beteiligung der Kassen, sondern auch für die Versicherten. Die Versicherten müssen heute im Heim maximal 23 Franken pro Tag und für die Pflege zu Hause maximal 15 Franken bezahlen. Bei einem Ja zu Efas könnte der Bundesrat frühestens 2036 die Kostenbeteiligung der Patientinnen und Patienten erhöhen.
Wer ist für die Reform und wer dagegen?
Für Efas sind die Mitte-Partei, die GLP und die FDP. Noch offen ist die Parole der SVP, die am Samstag entscheidet. Die SP lehnt die Reform nach einem Parteitagsbeschluss ab, obwohl eine Mehrheit der SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier die Reform befürwortete. Die Grünen haben Stimmfreigabe beschlossen. Der Bundesrat befürwortet die Reform.
Gegen Efas kämpfen vor allem die Gewerkschaften. Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) hat das Referendum ergriffen und ist nun zusammen mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) federführend.
Für Efas sind der Spitalverband H+, die Ärzteverbindung FMH, der Heimverband Curaviva und Spitex Schweiz. Auch der Kassenverband Santésuisse unterstützt Efas, allerdings ohne Begeisterung wegen des Einbezugs der Pflege. Der Verband der Pflegefachleute enthält sich der Stimme.
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