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Interview zur Elektromobilität
«Es hapert an der Ladeinfrastruktur›»

Die Gofast Schnelladestation auf dem Rastplatz Wuerenlos, fotografiert am Donnerstag, 14. Juli 2022. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Herr Rebellius, ist in der Schweiz der Hype bei der Elektromobilität bereits vorbei?

Zwar hat sich das Wachstum bei den E-Autos letztes Jahr etwas abgeschwächt, aber 2023 war eines von fünf aller neu in Verkehr gesetzten Autos in der Schweiz rein elektrisch. Das ist ein schöner Anteil, doch er genügt bei weitem nicht, wenn die Transformation hin zu einem klimaneutralen Verkehr bis zum Jahr 2050 gelingen soll.

Was wäre nötig, damit sich E-Autos breit durchsetzen?

Es hapert an der Ladeinfrastruktur. Für Menschen, die kein eigenes Haus besitzen, ist es schwierig, eine Ladestation zu installieren. Es braucht Massnahmen der Politik – also ein Gesetz für ein «Recht auf Laden».

Was für eine Rolle spielen die Kosten für E-Autos und deren Betrieb?

Die Preise für E-Autos haben sich denen von Benzinern angeglichen. Wichtig wäre jedoch eine bessere Planbarkeit bei den Energiekosten. Es braucht einen verlässlichen Strompreis. Wenn man mit einer Verdoppelung oder sogar Verdreifachung des Preises für eine Kilowattstunde rechnen muss, sinkt der Anreiz, ein E-Auto zu kaufen.

Wie sollen diese Veränderungen erfolgen: über Subventionen?

Ich fordere keine Subventionen. Nötig wären jedoch staatliche Investitionsanreize. Jetzt wäre es wichtig, in die Ladeinfrastruktur zu investieren.

«Bund, Kantone und Gemeinden sollten in öffentlichen Gebäuden deutlich mehr Ladesäulen installieren.»

Die Schweiz hat bereits ein gut ausgebautes Ladenetz – Firmen investieren viel. Die Detailhändler bauen Hunderte Ladestationen bei ihren Filialen. Warum reichen privat­wirtschaftliche Efforts nicht aus?

Solche Initiativen sind lobenswert, aber nicht ausreichend. Der Bund, die Kantone und die Gemeinden sollten in öffentlichen Gebäuden deutlich mehr Ladesäulen für E-Autos installieren. Das würde denjenigen Menschen helfen, die zu Hause keine Lademöglichkeit haben.

E-Autos sind aus Klimaperspektive nur dann gut, wenn auch der Strom zu deren Betrieb grün ist. Was bedeuten Rückschläge bei geplanten Solarprojekten wie zurzeit das Nein der Bündner Gemeinde Surses?

Der Schlüssel zur Energiewende liegt nicht nur in der E-Mobilität, sondern der Strom muss aus erneuerbaren Quellen kommen. Die Ablehnung der Stimmbevölkerung zum Solarprojekt in Surses zeigt, dass es sehr schwer ist, die Menschen von solchen Projekten zu überzeugen. Aber auch technisch gibt es noch einiges zu tun: Der Strom aus Wasserkraft- und Solaranlagen erfordert ein komplexeres Netzmanagement als solcher aus fossilen Stoffen oder Kernkraft. Denn die Zahl der Erzeuger und der Verbraucherinnen steigt.

Was bedeutet die neue Komplexität für Ihr Unternehmen?

Siemens bietet Lösungen, die den Strom von den Solaranlagen über die Mittelspannungsanlagen in die Verteilzentren bis in die Haushalte verteilen. Wir liefern die Komponenten für verschiedene Schaltanlagen dieses Systems und Software, um die zunehmende Komplexität zu bewältigen.

Wie ist Ihre Prognose: Gelingt es, dass bis zum Jahr 2050 der gesamte Verkehr in der Schweiz klimaneutral ist?

Ja, in der Schweiz ist das möglich. Bei uns spielt der öffentliche Verkehr eine wichtige Rolle – dieser ist schon sehr weit mit der Elektrifizierung. Der Elektromotor ist auch die richtige Technologie für den Individualverkehr, gerade für Kurzstrecken. Künftig werden E-Autos auch für Langstrecken attraktiver, das schaffen wir ganz sicher. Mit der Zeit wird sich auch ein Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos entwickeln, und so werden die Anschaffungskosten gesenkt. Die entscheidende Frage ist: Wie dekarbonisieren wir die Lastwagen? 

Und was ist Ihre Antwort darauf?

Der schnelle Ausbau der Lade- und Netzinfrastruktur. In Depots oder an Autobahnraststätten benötigen wir die Möglichkeit zum parallelen Laden und auch zum Schnellladen. Nur so können beispielsweise Lastwagenfahrer in den gesetzlich vorgegebenen 45 Minuten Pause ihre LKW aufladen. Da hierfür häufig die Stromnetze noch zu schwach sind, müssen diese ertüchtigt werden, mit Hardware wie etwa Schaltanlagen und Software. Natürlich gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, LKW mit Wasserstoff zu betanken. Um zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors beizutragen, muss dies allerdings grüner Wasserstoff sein, also Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen. Dieser steht derzeit nicht in ausreichendem Mass zur Verfügung, und auch hier fehlen die entsprechenden Tankstellen.

Ich habe mir sagen lassen, dass in gewissen Städten in China so viele E-Autos rumfahren, dass der Verkehr fast keinen Lärm mehr verursacht. Stimmt das? Oder welche Länder können Vorbilder für die Schweiz sein?

Ich weiss nicht, ob sich die Schweiz China zum Vorbild nehmen sollte. Wir haben ein anderes Verständnis darüber, wie Märkte gesteuert werden. Es gibt Länder, die uns vom Strommix her ähnlicher sind – Norwegen zum Beispiel. Dort wurde der Umstieg zu E-Autos früher begonnen und konsequent durchgesetzt. In Oslo habe ich schon vor zehn Jahren gesehen, dass in öffentlichen Parkhäusern an jedem Platz eine Ladesäule angebracht war. Auch die Niederlande sind weit fortgeschritten, ebenso einige baltische Staaten. Das heisst: Für kleinere Länder ist es einfacher, diese Transformation rasch umzusetzen. Darum müssten wir eigentlich in der Schweiz gute Chancen haben.