Untersuchung der Auto-VerkäufeBussen-System für Klimasünder weist «starke Fehlanreize» auf
Der Bund sanktioniert Neuwagen, die ihre Klimaziele verfehlen. Dies wirke nur begrenzt, resümiert die oberste Finanzkontrolle des Bundes. Sie ortet Fehlanreize, die kontraproduktiv wirken.
Wer sein Klimaziel verpasst, wird sanktioniert: Nach diesem Prinzip verfährt der Bund mit den Importeuren jener 250’000 bis 300’000 Neuwagen, die jedes Jahr auf die Schweizer Strassen gelangen. Die Autobranche soll so dazu gebracht werden, weniger CO2-intensive Fahrzeuge in der Schweiz zu verkaufen.
Erfüllt das Instrument seinen Zweck? Nur bedingt. Dies jedenfalls legt eine diesen Mittwoch veröffentlichte Untersuchung der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) nahe. Das oberste Finanzaufsichtsorgan des Bundes resümiert, das Instrument habe «eine begrenzte Wirksamkeit». Die Rede ist von «Fehlanreizen», die teils kontraproduktiv wirken würden.
Dieses Fazit ist politisch bedeutsam: Der Bundesrat will bis 2050 eine klimaneutrale Schweiz. Das Klimaschutzgesetz, das am 18. Juni zur Abstimmung kommt, will dieses Ziel gesetzlich verankern und Zwischenziele für verschiedene Bereiche festlegen, so auch für den Verkehr: Bis 2040 sollen seine Emissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 57 Prozent sinken, bis 2050 um 100. Bis jetzt sind es minus 8 Prozent; der Verkehr hat also sein Etappenziel – minus 10 Prozent bis 2020 – verpasst.
Das liegt auch an den Neuwagen. Zwar ist es gelungen, den durchschnittlichen CO2-Ausstoss der Neuwagen seit 2012 um 18 Prozent zu senken. Doch lagen sie 2021 mit knapp 130 Gramm CO2 pro Kilometer noch immer 12 Gramm über der Zielvorgabe. Prompt mussten die Importeure Sanktionen bezahlen, 28 Millionen Franken insgesamt.
Die Finanzkontrolle bemängelt folgende Punkte:
Import: Jeder Importeur erhält ein individuelles Klimaziel. Dabei gilt: Je schwerer die importierte Flotte ist, desto mehr CO2 darf sie ausstossen. Der Bund will damit die Korrelation zwischen schweren Fahrzeugen und hohem CO2-Ausstoss bewusst abdämpfen. Der Import besonders klimaschädlicher Fahrzeuge wird so aber attraktiver. Hinzu kommt: Elektro- und Hybridautos sind wegen des Gewichts der Batterie per se schwerer. Importiert ein Autohändler also solche Fahrzeuge, profitiert er doppelt: Die Klimabilanz seiner Flotte wird besser, zugleich erhält er vom Bund ein abgeschwächtes Klimaziel, er kann damit eher sanktionsfrei CO2-intensive Autos einführen. Zudem besteht für ihn kein Anreiz, leichtere E- oder Hybridmodelle einzuführen. Die EFK spricht von einem «starken Fehlanreiz»; sie empfiehlt, Elektro- und Hybridautos aus der Berechnung des Flottengewichts zu streichen.
Übergangsregel: Der Bund hat 2012 den Autoimporteuren die Einführung der Klimaziele mit Übergangsmassnahmen erleichtert. Gemeint sind das sogenannte Phasing-in, bei dem die klimaschädlichsten Fahrzeuge aus der Berechnung der CO2-Emissionen wegfallen. Und die Supercredits: Fahrzeuge mit einem Ausstoss unter 50 Gramm CO2 pro Kilometer zählen bei der Berechnung der CO2-Emission der importierten Flotte mehrfach. Zu Beginn war das ein Anreiz für Importeure, weniger bekannte und weniger begehrte Elektro- und Hybridautos im Markt zu etablieren. Mittlerweile ist die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen stark gestiegen, nun wirken die Supercredits kontraproduktiv: Sie senken über Gebühr den CO2-Ausstoss der Flotte, was es dem Importeur erlaubt, CO2-starke Fahrzeuge sanktionsfrei zu importieren. 2020 blieben dank Phasing-in und Supercredits 54 Prozent aller importierten Fahrzeuge sanktionsfrei. Die EFK regt an, auf solche Übergangserleichterungen zu verzichten.
Sanktionen: Die Schweiz hat die Höhe der Sanktionen analog zur EU festgesetzt. Weil die Schweizer Kaufkraft hoch ist, können die Importeure die Sanktionen hier problemlos auf die Konsumenten übertragen. Die Massnahme, so die EFK, hat nur einen «geringen» Effekt auf die Nachfrage. 2020 etwa wurden knapp 100’000 sanktionspflichtig, die Beträge lagen zwischen 550 und 1500 Franken pro Auto, also zwischen knapp 1 und gut 3 Prozent des Listenpreises der jeweiligen Fahrzeuge. Die EFK verzichtet auf eine Empfehlung. Dies, weil die Klimaziele für die Importeure laufend strenger werden – und ohne Anpassungen bei den importierten Neuwagen somit mehr Flotten sanktionspflichtig. Dies werde den Druck bei der Preisgestaltung erhöhen.
Anreize: Im europäischen Ausland werden laut EFK für CO2-intensive Autos bis zu 3,5-mal höhere Motorfahrzeugsteuern fällig als in der Schweiz. Solche Malus-Systeme würden sich als «besonders zielführend» erweisen, so die EFK. Sie verweist auf ein Skoda-Modell, das in Holland neu etwa 35’000 Euro kostete – und dort mit einer Dieselabgabe von rund 18’000 Euro belegt wurde. Die Folge: Das Modell ist heute nicht mehr auf dem niederländischen Markt erhältlich. In der Schweiz dagegen sind die CO2-Emissionen laut EKF bloss in Basel-Stadt und Neuenburg Teil der Berechnungsgrundlage für die Motorfahrzeugsteuer. Auf eine Empfehlung verzichtet die EFK, weil die Kompetenz zur Umsetzung bei den Kantonen liegt.
Importeure üben Kritik
Der Bericht löst kontroverse Reaktionen aus. Auto Schweiz, die Vereinigung der Schweizer Autoimporteure, hält ihn für überflüssig, die Kritikpunkte an den CO2-Vorschriften seien bekannt. Sprecher Christoph Wolnik sagt, die starke Verteuerung individueller Mobilität, egal, mit welchem Antrieb, sei nicht mehrheitsfähig, wie das Volks-Nein zum CO2-Gesetz 2021 gezeigt habe. «Nun mit solch einem Bericht die künftige CO2-Gesetzgebung beeinflussen zu wollen, ist fadenscheinig und erhöht die breite Akzeptanz für entsprechende Massnahmen sicher nicht.»
«Der Trend zu schweren Autos geht weiter. Das müssen wir unbedingt ändern.»
Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) dagegen begrüsst den Bericht. Dass heute bei den Flottenzielen das Gewicht berücksichtigt werde und schwere Autos mehr CO2 ausstossen dürften, sei kreuzfalsch, sagt der Grüne Nationalrat Michael Töngi, Mitglied des VCS-Zentralvorstands. Der negative Trend zu schweren Autos gehe so weiter. «Das müssen wir unbedingt ändern.»
Dass es so weit kommt, scheint möglich. Das Bundesamt für Energie versteht die Empfehlungen der EFK als «wichtigen Input», um die CO2-Emissionsvorschriften künftig «noch wirksamer» auszugestalten. Das Bundesamt für Umwelt schliesst sich diesem Fazit an. Anlass bietet die anstehende Überarbeitung der CO2-Verordnung; darüber entscheiden wird der Bundesrat.
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