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Abstimmung in Savognin
Surses sagt Nein und zieht grossem EWZ-Solarpark den Stecker

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Der Gemeindesaal Grava in Savognin ist zum Bersten voll. Sogar auf den Fenstersimsen und der Tribüne sitzen Leute. Reihen voller Bewohnerinnen und Bewohner, alle mit roter, einsatzbereiter Stimmkarte. Rund 550 Stimmberechtigte sind anwesend. Normalerweise kommt ungefähr ein Fünftel davon an eine Gemeindeversammlung des Surses. 

Heute geht es um einen emotionalen Entscheid. Darum, ob die Gemeinde dem Elektrizitätswerk Zürich (EWZ) 65 Hektaren von ihrem Val Nandro für die Herstellung von Solarstrom zur Verfügung stellen will. Schnell wurde aus dem Raunen und den Voten aus dem Plenum klar: Sie will nicht. Mit 378 zu 177 Stimmen spricht sich die Gemeindeversammlung deutlich gegen einen Solarpanel-Wald auf ihrem Gebiet aus.

Das EWZ ist enttäuscht

Ein Applaus geht durch die Menge, als Gemeindepräsident Daniel Wasescha das Resultat verkündet. Philippe Heinzer, Leiter Energie und Mitglied der Geschäftsleitung des EWZ, kann nicht applaudieren. Er ist für die grosse Entscheidung nach Savognin gereist. Die vielen Pläne für das Solarbijou im EWZ-Portfolio, die er noch vor ein paar Minuten zum wiederholten Mal den Bündnerinnen und Bündnern präsentiert hat, kann er jetzt schubladisieren.

«Wir sind natürlich enttäuscht und hätten gern ein Ja gehabt», sagt er. Er erklärt sich die Ablehnung aus dem Stimmvolk damit, dass die Surseserinnen und Surseser «an diesem Standort keinen Eingriff in die Natur wollten». Als Misstrauensvotum gegenüber dem EWZ interpretiert er das Resultat aber nicht.

Vorteile überzeugten Gemeinde nicht

Dass die Abstimmung so deutlich ausgehen würde, war nicht ganz leicht vorauszusagen. Pro und Kontra hielten sich – so schien es im Vorfeld – ungefähr die Waage. Der Gemeindevorstand beantragte, dem Solarprojekt zuzustimmen. Unter anderem deshalb, weil die Gemeinde so «solidarisch einen Beitrag an die Versorgungssicherheit in der Schweiz leisten kann», wie im Botschaftstext zur Abstimmung zu lesen war. 

Ausserdem hätte die Gemeinde die zwischen 450’000 und 660’000 Franken Abgeltung pro Jahr, die sie für den Solarstrom erhalten hätte, in die technische Beschneiung oder in den Ersatz von Skiliften investieren können. 

Obwohl die Gemeinde mit diesen Investitionen Vorteile für den Tourismus ansprach, waren viele lokale Touristiker gegen das Projekt. Sie fürchteten, dass zunächst der Baulärm, anschliessend ein wenig ansehnlicher Solarpark die Gäste abschrecken könnte. Auch Pro Natura Graubünden äusserte in den letzten Wochen Bedenken zum Projekt. Der Standort im Val Nandro sei zwar nicht in einer Schutzzone, dennoch gingen die Umweltschützer davon aus, dass die Anlage die Landschaft beeinträchtige. 

Auch aus der Bevölkerung waren bei einem Augenschein vor Ort sowohl Argumente dafür als auch dagegen («Sollen die das auf dem Uetliberg machen!») zu hören. Die Gegner sagten beispielsweise, dass man bereits mit dem Stausee genug sauberen Strom produziere, dass die Natur nicht verschandelt werden solle oder dass das Projekt ein Schnellschuss sei.

Für das Projekt sprachen sich Einwohnerinnen und Einwohner aus, die es als Chance für den richtigen Strom zur richtigen Zeit sahen oder als Pioniere etwas gegen die Klimakrise unternehmen wollten.

Visualisierung der Sicht auf den Solarpark von Radons aus.

Zweite Abfuhr für das EWZ

Das Nein zum Solarprojekt war die zweite Abfuhr der Surseser an das EWZ innerhalb weniger Tage. Am 21. Januar entschied das Surses an der Urne, die Wasserrechtskonzession des EWZ für die Kraftwerke, die das Wasser aus dem Marmorera-Stausee turbinieren, nicht zu verlängern. Die Wassernutzungsrechte des EWZ laufen 2035 aus.

Das Energieunternehmen wollte sie vorzeitig verlängern und stellte ein Erneuerungsgesuch. Dieses wurde von 70 Prozent der Stimmbevölkerung deutlich abgelehnt. Allerdings betont der Gemeindevorstand in der Abstimmungsbotschaft, ein Nein heisse nicht, dass die Gemeinde in Zukunft nicht mit dem EWZ arbeiten wolle. Das EWZ sei stets ein fairer und guter Partner gewesen. Ein Nein heisse lediglich, dass sich die Gemeinde für eine Neuvergabe ihre Freiheit bewahren wolle – das EWZ bleibe weiterhin eine Option.

Das Solarprojekt in Zahlen

Das EWZ wollte im Val Nandro einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag in ein rund 65 Hektaren grosses Solarprojekt investieren. Das entspricht einer Fläche von ungefähr 93 Fussballfeldern. Darauf sollten 11’000 Solartische mit Solarmodulen stehen – ungefähr 90’000 Stück. Diese sollten ungefähr 66 Gigawattstunden Strom pro Jahr liefern, genug für rund 20’000 Haushalte. 

Gemäss EWZ wäre der Standort auf 2100 und 2700 Metern ideal für die Produktion – vor allem von Winterstrom. Da das EWZ schon Wasserstrom in Surses produziert, hätte zudem bereits bestehende Infrastruktur genutzt werden können. «Hätte», «würde», «könnte» – nach dem Nein aus dem Surses bleibt es vorerst bei der Möglichkeitsform.

Zweites Projekt bei Splügen-Tambo

Trotz dem wuchtigen Nein aus dem Surses setzt das EWZ weiter auf den Zubau von Photovoltaikanlagen auf hochalpinen Flächen. Ein zweites, kleineres EWZ-Projekt in Graubünden liegt in der Gemeinde Rheinwald, beim Skigebiet Splügen-Tambo. Dort könnten jährlich bis zu 13 Gigawattstunden Sonnenstrom für rund 8000 Haushalte produziert werden. Allerdings laufen noch Abklärungen, ob das Projekt überhaupt realisierbar ist. Der Gemeindepräsident von Rheinwald Christian Simmen-Schumacher rechnet in ein paar Wochen mit ersten Ergebnissen.