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Mamablog: Absurde Standards
«Du bist so entspannt, nicht wie andere Mütter!»

Schluss mit dem Vergleichen! Wir sollten aufhören, «die anderen» schlechtzureden.
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Es sind Sätze, die zunächst einmal schmeicheln: «Du bist so eine coole Schwangere.» Oder: «Du bist so eine coole/entspannte/lustige/untypische Mutter.» Auch ich bekam sie gelegentlich zu hören und freute mich. Und ich muss zugeben, ich nahm mir selbst oft auch vor, nicht so «typisch» zu sein, nicht «wie andere».

Doch nach einigen Monaten in der neuen, zusätzlichen Rolle habe ich bemerkt: Eigentlich sind solche Sprüche, solche Vergleiche nicht schmeichelhaft. Sie begünstigen eine Gesellschaft, in der Mütter in erster Linie die Erwartungen anderer zu erfüllen haben.

Ich war stolz, dass ich einigermassen entspannt damit umging, wenn mein Kind im Dreck sass, während «die anderen» hektisch alles desinfizierten.

Es war ziemlich ernüchternd zu bemerken, dass ich selbst Teil des Problems war. Nach der Geburt meines Kindes war ich stolz darauf, dass ich (fast) jeden Tag duschte, mich schminkte, nicht in Schlabberkleidung vor die Tür ging. Weil das eben «anders» war als das, was man von Müttern erwartet. (Gleichzeitig fühlte ich mich übrigens auch schlecht und fürchtete, man könne denken, ich vernachlässige dafür mein Kind.)

Ich war stolz, dass ich schon nach einigen Wochen mal im Büro vorbeischaute, dass ich Mails beantwortete, dass ich einigermassen entspannt damit umging, wenn mein Kind im Dreck sass (oder Dreck ass), während «die anderen» hektisch alles desinfizierten. Ich war stolz, wenn mir kinderlose Bekannte sagten, dass ich so entspannt sei, gar nicht wie andere.

Ein paar Zusammenbrüche und viel Selbstreflexion später

Und dann kam die erste Krise. Nach ein paar Monaten konnte ich nicht mehr und war nur noch erschöpft, am Weinen, wollte niemanden sehen. Denn immer entspannt und cool zu sein, ist auf Dauer ziemlich anstrengend und eigentlich nicht sehr nachhaltig. Die Tatsache, dass auch ich mir bei jedem Schnupfen, jedem kleinen Hüsteln, bei Fieber erst recht, so viele Sorgen machte, dass ich nicht schlafen konnte, hatte ich nämlich grösstenteils für mich behalten. Und den (rückblickend absurden) Anspruch an mich selbst, immer gestylt das Haus zu verlassen, erfüllte ich auch längst nicht mehr.

Ich würde jetzt gerne schreiben: Danach habe ich kapiert, wie dumm es ist, sich selbst ständig zu vergleichen und alles war gut. Doch es brauchte noch ein paar Zusammenbrüche und ganz viel Selbstreflexion mehr. Und selbst jetzt ertappe ich mich noch manchmal dabei, wie ich mich mit Insta-Moms vergleiche, die ich nicht einmal kenne.

Kontraproduktiver Konkurrenzkampf

Väter haben das Problem seltener. Für Dinge, die Mütter selbstverständlich tun, werden sie gelobt. Und ist ein Vater übervorsichtig, ist das erstmal herzig und nicht übertrieben. Die Väter, die ich kenne, vergleichen sich auch nicht ständig miteinander. Doch das liegt nicht etwa daran, dass sie generell entspanntere Wesen sind. Sondern daran, dass Frauen nicht nur als Mütter, sondern auch in anderen Lebensbereichen wie dem Job seit jeher dazu angestachelt werden, zunächst einmal gegeneinander zu sein. Auch im beruflichen Umfeld war «Du bist nicht wie andere Frauen» lange ein Kompliment, das Hoffnungen auf Beförderungen machte.

Mütter sollten untereinander und vor allem mit sich selbst weniger streng sein.

Zum Glück ändert sich das alles langsam. Im Job solidarisieren Frauen sich zunehmend miteinander, anstatt beim vom männlich dominierten System angestossenen Konkurrenzkampf mitzumachen. Und auch Mütter sollten untereinander und vor allem mit sich selbst weniger streng sein. 100 Prozent arbeiten oder gar nicht, gestylt und schick angezogen oder in Jogginghose und Birkenstocks, nur selbstgekochter Bio-Brei oder Gläsli-Kost: Das alles sind völlig legitime Optionen. Die übrigens auch alle Väter haben.