Premier Draghi vor dem AusItalien steht vor Neuwahlen
Drei Parteien verweigern Mario Draghi das Vertrauen im Senat. Damit endet wohl Italiens Regierung der nationalen Einheit.
Italiens Senat hat Mario Draghi das Vertrauen entzogen. Der parteilose Premier stellte am Mittwoch nach einer dramatischen Sitzung in der kleineren Kammer des Parlaments die Vertrauensfrage – und verlor. Die rechten Parteien Lega und Forza Italia nahmen nicht an der Abstimmung teil, auch die Cinque Stelle verzichteten. Damit steht Italien wohl vor Neuwahlen, rund acht Monate vor dem ordentlichen Ende der Legislaturperiode.
Draghi hatte davor mit einer eindringlichen Rede versucht, seine Regierung der nationalen Einheit zu retten. Er forderte die Parteien auf, sich auf einen neuen Vertrauenspakt zu verständigen, andernfalls sei es sinnlos, weiterzumachen. «Seid ihr bereit dazu?», fragte Draghi, nachdem er seine Agenda für die kommenden Monate skizziert hatte. «Die Antwort schuldet ihr nicht mir, sondern den Italienern.» Der Beifall fiel spärlich aus.
Die Cinque Stelle und die rechtspopulistische Lega mochten gar nicht klatschen. Draghi hatte beide Parteien hart kritisiert. Er warf ihnen vor, den geeinten Elan aus der ersten Zeit seiner Amtszeit nach und nach mit Partikularinteressen zerstört zu haben. Vor einer Woche dann verwehrten die Fünf Sterne Draghi bei einer Abstimmung über ein Hilfspaket für die Krise das Vertrauen und lösten damit eine Regierungskrise aus. Der Premier sagte, das verweigerte Vertrauen sei ein «bedeutendes politisches Signal» gewesen, das er nicht habe ignorieren können. «Im anderen Fall hätte das immer wieder passieren können.»
Draghi verzichtete darauf, den unbequemen Partnern seiner Regierung mit ihnen liebsamen Offerten entgegenzukommen. Den Cinque Stelle stellte er eine «soziale Agenda» in Aussicht, beschrieb deren wichtigstes Prestigeprojekt Bürgerlohn aber als «verbesserbar». Die Lega wartete vergeblich auf Zugeständnisse zu einer gewünschten Steueramnestie, die Migrationspolitik sprach der Premier nicht einmal an.
Der Vorschlag der Rechten
Die Fünf Sterne um ihren Vorsitzenden Giuseppe Conte waren schon von der Rede entschlossen, in die Opposition zu wechseln. Bei der Lega war das anders, sie gab sich denn auch sehr verwundert über die harten Worte des Premiers. Ihr Chef Matteo Salvini verliess den Senat, kaum hatte Draghi geschlossen, und nahm an einer Krisensitzung der rechten Parteien der Regierung teil, unter anderem mit Silvio Berlusconi von Forza Italia.
Die beiden Parteien forderten Draghi auf, eine neue Regierung mit neuen Ministern und einem neuen Programm anzuführen – ohne die Cinque Stelle. Die Rechte legte dafür eine Abstimmungsvorlage vor. Doch Draghi mag diese Spiele nicht, er ist kein Politiker – er entschied sich für die Vertrauensfrage ohne Konditionen.
Was macht Mattarella?
In seiner Rede hatte Draghi gesagt, er habe sich überhaupt nur überzeugen lassen, es noch einmal zu versuchen, weil es in den vergangenen Tagen Appelle aus der Bevölkerung gegeben habe. Die Italiener, sagte er, wünschten sich politische Stabilität und Ernsthaftigkeit in diesen schwierigen Zeiten. Nur eine geeinte Regierung mit möglichst breiter Unterstützung im Parlament könne die Reformen garantieren, die das Land so dringend brauche. Doch die anstehende Wahlkampagne drängte etliche Parteien dazu, den Esprit der nationalen Einheit aufzugeben.
Theoretisch wäre es nun auch möglich, dass Staatspräsident Sergio Mattarella versucht, eine andere parteilose Persönlichkeit zu beauftragen, die mit einem knappen Pflichtprogramm das Land einige Monate lang weiterführt, das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr ausarbeitet und die mit der EU ausgemachten Reformen für die 220 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds umsetzt. Doch wie diese Krise ausgehen wird, ist noch völlig offen.
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