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96. Kriegstag
Donbass hat für Moskau «bedingungslose Priorität»

Schwere Zerstörung durch russische Bomben: Die Stadt Sjewjerodonezk und die Region Donezk einzunehmen, würde von der russischen Armee einen immensen Kraftakt verlangen.
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Der russische Aussenminister Sergei Lawrow hat mal wieder erklärt, was Russland in der Ukraine eigentlich vorhat. Es sei «bedingungslose Priorität», die Region Donbass einzunehmen, sagte er in einem Interview mit dem französischen Sender TF 1. Man wolle die prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkennen. Die anderen Teile der Ukraine sollten dagegen selbst über ihre Zukunft entscheiden.

Derzeit kontrollieren die russischen Invasoren das gesamte Gebiet von Luhansk mit Ausnahme der Stadt Sjewjerodonezk. In der Region Donezk haben russische Truppen bisher nur den südlichen Teil um die Stadt Mariupol besetzt. Moskau hat seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine seine Kriegsziele mehrmals neu definiert, auch die Abspaltung der seit 2014 umkämpften Separatistenregionen war schon genannt worden.


Wenn es Russland gelingen sollte, die Stadt Sjewjerodonezk und die Region Donezk einzunehmen, was nach dem derzeitigen Zustand der russischen Armee zu urteilen einen immensen Kraftakt darstellen würde: Warum sollte Moskau dann mit dem Eroberungsfeldzug aufhören? Lawrows Aussagen sind auch als Appeasement an den Westen zu verstehen. Denn selbst wenn Luhansk und Donezk eingenommen werden, geht der Krieg mit grosser Sicherheit weiter.

Schwere Strassenkämpfe

Ob diese «bedingungslose Priorität» jemals erfüllt werden wird, ist derzeit jedoch alles andere als sicher. Vor Donezk muss die russische Armee erst einmal Luhansk unter ihre Kontrolle bringen und dazu Sjewjerodonezk einnehmen. Die Stadt wird seit Wochen heftig beschossen, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sagte in seinem täglichen Statement am Sonntag, 90 Prozent der Gebäude in der Stadt seien beschädigt, mehr als zwei Drittel der Wohnhäuser vollständig zerstört. Laut Serhi Hajdai, dem Gouverneur von Luhansk, sollen russische Truppen bereits in die Stadt vorgedrungen sein, es gebe schwere Strassenkämpfe.

Fraglich ist, ob die Verteidiger noch lange durchhalten. An anderen Orten in der Region hatte die ukrainische Armee nicht bis zum bitteren Ende ausgeharrt, sondern sich aus Stellungen zurückgezogen, wenn die Lage aussichtslos geworden war. Laut den Experten des Thinktanks Institute for the Study of War hat Russland für diesen Angriff aber einen so grossen Teil seiner Kräfte konzentriert, dass Vorstösse in anderen Regionen derzeit praktisch ausgeschlossen sind.

Meutereien in der russischen Armee

So sollen der ukrainischen Armee bei Mikolajiw in der Nähe von Cherson und in Toschkiwka südlich von Sjewjerodonezk kleinere Gegenangriffe geglückt sein. In der besetzten Stadt Melitopol soll am Montagmorgen im Stadtzentrum nahe dem russischen Verwaltungsgebäude ein Sprengsatz explodiert sein, drei Menschen wurden dabei verletzt. Ob der Angriff den Besatzern galt, ist unklar. Der russische Militärverwalter Wladimir Rogow sprach von einem Terroranschlag.

Versprechen oder Finte? Abgesehen von den Separatistengebieten soll die Ukraine selbst über die Zukunft entscheiden können, sagt der russische Aussenminister Sergei Lawrow.

Der britische Militärgeheimdienst teilte ausserdem in seinem täglichen Briefing mit, die russische Armee habe im Verlauf des Krieges schwere Verluste bei mittleren und unteren Offiziersrängen erlitten. Der russischen Armee fehlten gut ausgebildete Unteroffiziere. Diese fehlende Kompetenz und der grosse Verlust an Offizieren verschlechtert laut den Briten die ohnehin schon miserable Moral der russischen Truppen in der Ukraine noch weiter. Es gebe zudem mehrere glaubwürdige Berichte von Meutereien innerhalb der russischen Streitkräfte in der Ukraine.

Vielleicht auch aus diesem Grund setzt die russische Armee weiter sehr stark auf ihre Artillerie und auf Luftangriffe. So soll östlich der Hafenstadt Odessa eine Werft bombardiert worden sein. Wie solche Angriffe zu den angeblich selbst über ihre Zukunft entscheidenden Teilen der Ukraine passen, sagte Lawrow aber nicht.