US-WahlTrump hat das perfekte Verbrechen erfunden
Sonderermittler Jack Smith lässt zwei Prozesse gegen Donald Trump fallen. Der US-amerikanische Rechtsstaat ist geschwächt.
Dieser Text muss auf der prächtigen Fifth Avenue in New York beginnen, im Abschnitt mit den vielen Luxusboutiquen, fast oben beim Central Park. Vor dem Trump Tower. Donald Trump sagte einmal, er könnte dort mitten auf der Strasse stehen und einen Menschen erschiessen, und er würde keinen einzigen Wähler verlieren. Das war im Wahlkampf 2016, noch war er nicht Präsident, sondern in den Augen vieler lediglich ein grotesker Clown, der gerade seinen Traum vom perfekten Verbrechen ausgeplaudert hatte. Kein raffinierter Plan, der unbemerkt bleibt, kein unentdeckter Meisterdieb. Sondern eine Tat vor aller Augen, vor den Kameras der Weltöffentlichkeit sogar. Begangen mit absoluter Straflosigkeit.
An jene Episode erinnern die jüngsten Vorgänge im Justizdrama um Donald Trump. Am Ende seiner ersten Präsidentschaft wollte er seine Wahlniederlage nicht akzeptieren. Er verlangte von Behörden, zusätzliche Stimmen für ihn zu finden. Er wollte Stimmzettel von Demokraten für ungültig erklären. Er forderte, die Stimmberechtigten einfach zu ignorieren. Als alles nicht fruchtete, rief er seine Anhänger nach Washington und hetzte sie vom Weissen Haus die Pennsylvania Avenue hoch zum Capitol, wo der Sieg seines Gegners Joe Biden bestätigt werden sollte. Die Bilder der Erstürmung des ehrwürdigen Gebäudes gingen um die Welt.
Nun ist klar, dass nie beantwortet wird, ob Trump dabei Schuld im strafrechtlichen Sinn auf sich geladen hat. Am Montag stellte Sonderermittler Jack Smith bei einem Bundesgericht in Washington den Antrag, den laufenden Prozess einzustellen: Gegen einen gewählten Präsidenten führt das Justizministerium keine Strafverfahren. Die Richterin antwortete sofort. Genehmigt, Fall erledigt. Auch eine zweite Klage in Florida, wegen Geheimdokumenten in Trumps Palast Mar-a-Lago, lässt Smith fallen.
Trumps Macht hat keine klaren Grenzen
Trump liess triumphierend mitteilen, das sei «ein bedeutender Sieg für den Rechtsstaat». Wahr ist das Gegenteil. Träfe sein Vorwurf zu, dass seine Gegner die Strafverfolgung als Waffe gegen ihn einsetzten – er wäre von den Gerichten freigesprochen worden. So funktioniert der Rechtsstaat. Doch die Richter am Supreme Court setzten sich nie substanziell mit den Fällen auseinander. Nur in Zwischenurteilen mischten sie mit, sie sprachen dem US-Präsidenten Immunität zu, mit einigen unscharf formulierten Einschränkungen. Den unteren Gerichtsinstanzen überliess der Supreme Court die Klärung, wo diese Grenzen genau verlaufen sollen. Jener Richterin in Washington, die den Fall zu den Akten legen und viele wichtige Fragen offenlassen musste.
Nun wird am 20. Januar 2025 ein Präsident den Amtseid ablegen, dessen Macht keine klaren Grenzen hat. Ein Mann, der schon in seiner ersten Präsidentschaft zeigte, wie gering er den Rechtsstaat schätzt. Der US-Senat weigerte sich damals knapp, ihn für seine Taten des Amtes zu entheben. Die Justiz arbeitete zu langsam, um ihn rechtzeitig vor Gericht zu stellen. Eine knappe Mehrheit der Stimmberechtigten ignorierte sämtliche Vorwürfe und wählte Trump noch einmal ins Weisse Haus. In seiner zweiten Amtszeit wird er entfesselt schalten und walten können als einer der mächtigsten Politiker überhaupt, vor aller Weltöffentlichkeit, frei von jeder Angst, sich jemals dafür verantworten zu müssen, sowohl an der Pennsylvania Avenue in Washington als auch an der Fifth Avenue in New York.
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