Donald Trumps Boys-NetzwerkHaben Podcasts die US-Wahl mitentschieden?
Donald Trump erreichte mit seinen Auftritten in Jungs-Podcasts Millionen. Kamala Harris setzte auf klassische Fernsehwerbung – und scheiterte.
- Donald Trump nutzte Podcasts aktiv für seine Wahlkampfstrategie.
- Podcasts erreichten Millionen von jungen Wählern und halfen bei Trumps Wiederwahl.
- Joe Rogan spielte eine Schlüsselrolle in Trumps Kommunikationsstrategie.
- Kamala Harris konnte eine ähnliche Podcast-Popularität nicht erreichen.
45 Millionen. Das ist die Zahl, die in den Medienanalysen dieser amerikanischen Präsidentschaftswahl noch eine gute Weile der Dreh- und Angelpunkt sein dürfte. 45 Millionen Youtube-Aufrufe hatte der dreistündige Auftritt von Donald Trump bei Joe Rogan, der als Stand-up-Comedian und Mixed-Martial-Arts-Kommentator bekannt wurde und dessen Podcast The Joe Rogan Experience seit Jahren zu einem der meistgehörten der Welt zählt. 2020 zahlte Spotify für einen Vierjahresvertrag geschätzte 100 Millionen Dollar. Im Februar dieses Jahres meldete das «Wall Street Journal» die Vertragsverlängerung, wieder wohl über mehrere Jahre, aber diesmal nicht für 100 Millionen, sondern für rund 250 Millionen Dollar.
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Kein Wunder, dass hier und da schon vom ersten Podcast-Wahlkampf der Geschichte gesprochen wird. Ähnlich wie bei historischen Vorbildern – bei Franklin D. Roosevelt wurde dem Radio eine Schlüsselrolle für den Erfolg zugeschrieben, bei John F. Kennedy dem Fernsehen, bei Barack Obama Social Media. Und in der Tat: Podcasts dürften eine wesentliche Bedeutung für die Wiederwahl Trumps gehabt haben.
«Der mächtige Joe Rogan»
Anders als die Harris-Kampagne, die 270 Millionen Dollar in klassische Fernsehwerbung investierte, hielt sich Trump dort mit 78 Millionen auffällig zurück. Er sorgte mit seinen rhetorischen Ausfällen lieber für kostenlose Memes – und wanderte von einem populären Jungs-Podcast zum nächsten. Der Besuch bei Rogan war nur der krönende Abschluss einer Art grossen Comebacklash-Tour durch die Youtube-Manosphere.
Trump liess sich etwa auch ausführlich und brav ehrfürchtig von Rogan-Schützlingen und Stand-up-Kollegen Theo Von (60 Minuten, 14 Millionen Aufrufe) und Andrew Schulz (90 Minuten, 8 Millionen Aufrufe) interviewen. Er empfing den bei jungen Männern extrem populären Adin Ross, der mit Videospiel-Livestreams 4,5 Millionen Youtube-Follower sammelte, in seinem Wohnzimmer seines Mar-a-Lago-Anwesens, er lud die Nelk Boys, die Macher eines extrem erfolgreichen Youtube-Prank-Kanals (8,2 Millionen Follower) in sein Flugzeug ein und plauderte im Bussin’ with The Boys-Podcast mit den beiden ehemaligen Footballstars Will Compton und Taylor Lewan. Boys, Boys, Boys.
So erklärt sich im Übrigen dann auch ganz schnell das Statement eines berühmten Trump-Kumpels am Wahlabend, das insbesondere viele Amerikaner, die sich gerade noch über die ausbleibende Wahlempfehlung der «Washington Post» echauffiert hatten, nicht verstanden haben dürften. Nachdem ihn Trump nach seiner Siegesrede auf die Bühne geholt hatte, lobte Dana White, Chef der UFC, des weltgrössten Veranstalters von – extrem blutigen – Mixed-Martial-Arts-Kämpfen, zunächst im Stil eines Box-Ansagers Trump und fügte dann an: «Ich möchte noch ganz schnell ein paar Leuten danken: den Nelk Boys, Adin Ross, Bussin’ with The Boys und – last but not least – the mighty and powerful Joe Rogan.» Der mächtige Joe Rogan.
Noch kuscheliger wird es nur, wenn man weiss, dass Rogan seit vielen Jahren Whites wichtigster Kommentator am UFC-Käfig ist. So etwas wie der Anchorman, das Gesicht der Organisation. Einer von den Jungs, der Oberboy. In seinem Podcast hatte Rogan natürlich auch Trumps Vize J. D. Vance und nach Trump, aber noch vor der Wahl, mal wieder Elon Musk. In dem Gespräch kam es dann auch noch zum lange erwarteten offiziellen Endorsement Rogans für Trump, das dieser wiederum beglückt via Social Media teilte.
Ob die Podcast-Auftritte letztlich wirklich die Wahl entschieden haben, wird sich nie eindeutig feststellen lassen. Junge Wählerinnen und Wähler bis 30 Jahre haben wie immer mehrheitlich demokratisch gewählt. Allerdings war der Vorsprung von Biden bei dieser Zielgruppe 2020 noch 24 Prozentpunkte, Harris lag jetzt nur noch 13 Prozentpunkte vor Trump. Ein grosser Teil der Millionen jungen Männer, die Trump mit seinen Podcast-Auftritten punktgenau erreichte, dürften andererseits wohl ohnehin schon massenhaft auf seiner Seite gewesen sein.
Unstrittiger ist, was der Investor, Marketingprofessor und Medienexperte Scott Galloway anmerkte: Für eine vergleichbare Reichweite und Präsenz im Fernsehen hätte Trump ungleich viel mehr Geld ausgeben müssen. Und viel weniger erreicht. Ganz abgesehen davon, dass das Medium Podcast als amorphe und tendenziell überlang-mäandernde Mischform aus Information und Unterhaltung das zweifellos perfekte Medium ist für Trumps spezifischen Kommunikationsstil und die Ausstellung der gewinnenderen, sozial kompatibleren Teile seiner Persönlichkeit.
Insbesondere die Podcast-Variante der Youtube-Manosphere rund um Rogan und Co.: Die Gespräche dort als «Interviews» zu bezeichnen wäre eine grobe Übertreibung. Aus klassisch-journalistischer Sicht. In ihrer Kraft und Wirkung wiederum würde man sie grob unterschätzen, wenn man sie bloss für schlechte Interviews hält.
Die Gesprächshaltung, der Vibe, ist eher: Sportkabinen-Palaver. Man trifft sich. Hängt ab. Plaudert. Freut sich gemeinsam über den einen oder anderen miesen, aber leider geilen Gag. Checkt ab, wie man so «wirklich» drauf ist. Bei Andrew Schulz etwa gab’s diese Szene: «Barron ist 18, er ist gutaussehend, er ist gross, er ist reich.» – Trump (trumphaft überstolz zustimmend): «He’s got the whole ball game, that kid.» (Das Kind hat alles.) Schulz: «Er läuft jetzt frei in New York City herum. Sind Sie sicher, dass Sie Roe v. Wade (das Recht auf Schwangerschaftsabbruch) jetzt rückgängig machen wollen?» Höhöhö.
Journalismus für Leute, die keinen Journalismus mögen
Wie sagte Trump bei seinem Besuch bei Joe Rogan über das Politikgeschäft? «You need at least the attitude of a comedian when you’re doing this business.» – Man braucht wenigstens die Attitüde eines Comedians, wenn man dieses Geschäft betreibt. Der Trick dabei ist natürlich, wenn die Themen ernster, politischer, heikler werden – dass dann alles sofort wie kumpelhafter Realtalk wirkt, unfrisiert, echt. Und nicht so blöd strategisch-berufspolitikerhaft. Und selbst die radikalsten Einstellungen und irrsten Ressentiments erscheinen plötzlich ganz undramatisch, wie das Ergebnis von rein gar nichts anderem als kerngesundem Menschenverstand.
Was dabei entsteht, ist so etwas wie Journalismus für Leute, die keinen Journalismus mögen (oder ihn eben hassen) und Politik für Leute, die keine Politik mögen (und auf jeden Fall Politiker hassen). Oder anders gesagt: die Bedingungen der Möglichkeit von grossen Wahlsiegen. Wobei nicht vergessen werden darf, dass Kamala Harris diese Möglichkeit nicht in vergleichbarem Ausmass zur Verfügung stand. Eine liberale Parallelstruktur zur Alt-Right-Manosphere gibt es nicht im Netz, nicht auf der Angebotsseite, vor allem aber auch nicht auf der Nutzerseite. Harris’ in den klassischen Medien viel diskutierter Auftritt im Podcast Call her Daddy von Alex Cooper, der auch zu den meistgehörten der Welt gehört, kam auf gerade einmal 800 000 Zugriffe.
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