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TV-Kritik «Tatort»
Diese Frauen sind schlank, fit und scheinbar ganz nah bei dir

Auch die Rivalin der Toten ist eine «Momfluencerin»: Agnes Decker als «Busy Bine».
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Der Münster-«Tatort» mit seinem Comedy-Image ist ein Quotenhit des deutschen Fernsehens – und die neue Folge «Magic Mom» versucht, dem Humor-Groove der Münsteraner treu zu bleiben, zugleich aber relativ seriös die Influencer-Welt zu beleuchten und nebenbei zeitgeistig Diversity- und Genderfragen mitzunehmen. Am Anfang der Episode treffen sich das vierköpfige Ermittlerteam mit Staatsanwältin und zugehörigem jugendlichen Grossneffen, passend zum Branding der Münsteraner, auf einem Volksfest, man amüsiert sich beim Dosenwerfen.

Bissig wie immer: Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Thiel (Axel Prahl). 

Und man spricht über Personalpolitik: Professor Boernes Assistentin, die Rechtsmedizinerin Haller (Christine Urspruch), sowie Thiels Sidekick Schrader (Björn Meyer) rivalisieren um den Posten der beziehungsweise des Sensibilitätsbeauftragten, über dessen Besetzung die Staatsanwältin entscheidet. «Divers» sind beide: Haller ist kleinwüchsig, Schrader queer. Klar, dass Boerne dazu einige politisch nicht korrekte Sprüche in petto hat und er zudem den Teenager beim Dosenwerfen gnadenlos in Grund und Boden schiesst. Doch dessen Revanche wird kommen – und sich buchstäblich als eine der schwungvollen Kurven des Drehbuchs erweisen.

Vorerst aber werden die zwei Platzhirsche Boerne und Thiel (Jan Josef Liefers und Axel Prahl wie immer versiert komisch) zu einer Leiche gerufen: Eine junge Momfluencerin namens Magic Mom, die ihren Alltag mit den Kindern filmte und dabei Produkte platzierte, wurde erhängt in ihrem Daheim aufgefunden. Suizid schliesst Boerne bald aus.

Thiels Sidekick Schrader (Björn Meyer) und die rechtsmedizinische Assistentin Haller (Christine Urspruch, rechts) bewerben sich bei der Staatsanwältin (Mechthild Grossmann) um den Posten als Sensibilitätsbeauftragte/r.

Kleiner Scherz der ansonsten eher konventionellen Regie von Michaela Kezele: In munteren Minivideoclips erklärt der Professor medizinische Fakten, die hier eine Rolle gespielt haben, etwa den Unterschied zwischen Asphyxie und Strangulation. Das Sujet Influencer bot ohnehin den Rahmen fürs Spiel mit verschiedenen (handytauglichen) Formaten.

Das Drehbuch von Regine Bielefeldt weicht dem Ernst des Themas aber nicht aus. «Die Menschen sind im Netz nicht sie selbst», sagt der junge Witwer über die Hater, die seiner Frau in hasserfüllten Posts den Tod an den Hals gewünscht haben. Überhaupt wird anhand verschiedenster Figuren veranschaulicht, wie brutal und wie brutal einträglich die Vermarktung des eigenen Lebens ist – und wie sich die Menschen, auch die Follower, verlieren zwischen virtueller Inszenierung, digitaler Enthemmung und öder Realität. Wie sie sich zwischen smartem Fake, Möchtegern-Fame und Frust durch ihr Dasein lavieren.

Dass die echten schlimmen letzten Lebensminuten der Momfluencerin ausgerechnet auf einem ihrer Videos festgehalten sind, ist ein ironischer Clou, aus dem die Regisseurin das Maximum herausholt. Und die schlapperen Scherze in der nicht hundertprozentig stringenten Story – etwa über das Gendern oder ein «Boerne-out» – nehmen die Protagonisten gleich selbst lautstark auf die Schippe. Ein durchaus passabler Sonntagskrimi im Münster-Style.