TV-Kritik «Tatort»Frau Schande taumelt durch den Fall
Kommissar Eisner macht im Wiener «Tatort» mal wieder Avancen in Richtung Kollegin Fellner – den Ton bei den Ermittlungen gibt ganz ungewohnt die Assistentin an.
Es ist Nacht über der Stadt, ein verlassener Hauseingang, das Opfer steigt vom Rad und nestelt am Briefkasten herum. Dann: ein Messer, Blut – und Schnitt. Wie so oft geht es zackig los im Wiener «Tatort». Gleich nach dem Mord gibt es eine endlos lange Szene ohne Schnitt, die Ermittler Eisner und Fellner hören nur zu, ihre Assistentin spricht. Es wird klar, was in dieser Folge ansteht: die Emanzipation von Meret Schande.
Eine Handvoll Auftritte hatte Schande (gespielt von Christina Scherrer) im Wiener Team bislang, ihre Rolle war klar die der Zudienerin: still, arbeitsam, unauffällig. Das ändert sich in «Was ist das für eine Welt» von Evi Romen: Schande sitzt nach dem Fall schockiert beim Therapeuten und lässt mit ihm das Geschehen Revue passieren.
Da ist das Opfer, der aufgeweckte Marlon, gut integriert im hippen Radclub, angestellt beim aufstrebenden IT-Unternehmen PVC, wo alle immer verdächtig gut gelaunt sind. Da ist Arnold, Marlons Mitarbeiter, der sich einzig und allein über seine Arbeit definiert, zum Leidwesen seiner Familie. Da ist auch Anna, Marlons Liebschaft, deren Vater mit Marlon mehr verbindet, als man zuerst annehmen kann.
Die einstige Nebendarstellerin Schande überdenkt ihre Rolle im Team und wird zur Hauptermittlerin. Sie tut das mit einer ausgesprochen sympathischen Nonchalance: Die Frau taumelt regelrecht durch den Fall. Von ihrer Partnerin lässt sie sich nach der Abendschicht auch mal im Kommissariat abholen, wobei Schande schon vorschwebt, dort zusammen mehr zu machen, als nur das Licht zu löschen. Später, im Ausgang, lässt sie sich beinahe von einer Zeugin verführen.
Im Drehbuch von Stefan Hafner ist der Generationenwechsel in der Arbeitswelt das grössere Thema als Mord und Totschlag. Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Partnerin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) lässt er mit gewohntem Schmäh ermitteln. Dass zwischen den beiden mal was laufen könnte, wird einmal mehr angedeutet – etwas ungelenk lässt sich der sonst so bärbeissige Eisner zu einer verbalen Avance hinreissen. Fellner pariert eiskalt. Fast schon altbacken wirken dann die zwei, als sie bei einer Zigarette, die sie teilen wie einen Joint, über ihre eigenen LSD-Erfahrungen und das hippe Microdosing am Arbeitsplatz des Opfers sinnieren.
Je enger der Kreis der Verdächtigen wird, desto ernster wird dieser «Tatort». Ist «Kilometerweit Weizen» der Wiener Indie-Band Kreisky – mindestens so hip wie die Radkäppi, die Marlons Kumpel tragen – anfänglich noch ein Party-Schunkler, so dient er irgendwann nur noch als dunkles Motiv.
Was bleibt, ist Schandes Stimme aus dem Off im Therapeutengespräch: Die Frau, die spricht, sieht man nicht. Was wird ihre Rolle künftig sein? «Was ist das für eine Welt» lässt Fragen offen.
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