Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

TV-Kritik «Tatort»
Er liebte heimlich, er liebte tödlich

Kommissar Karow (Mark Waschke) allein mit seiner Vergangenheit in einem Berliner Waldstück.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ein Gesicht wie ein schroffer Fels: die Stirn gefurcht, der Mund ein strenger Strich und kalte, blaue Augen, die zu viel gesehen haben. Drumherum – unscharf, als wärs ein Bild aus einem Albtraum – ein Gefängnis aus kahlen Baumstämmen. Die erste Einstellung des neuen «Tatorts» fokussiert, wie der gesamte Film, auf Kriminalhauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke) in seiner völligen Einsamkeit angesichts eines weiteren Todes, der ihn direkt betrifft.

Zur Erinnerung: Im letzten Berliner Fall, der uns ziemlich umgehauen hat, wurde Karows Kollegin Nina (Meret Becker) dramatisch aus dem Team hinausgetötet. Als nun Karows Jugendfreund Maik – den er vor langer Zeit aus den Augen verlor und der als verdeckter Ermittler arbeitete – mit aufgeschlitztem Mund und einer Kugel im Kopf in einem Waldstück gefunden wird, empfiehlt die Staatsanwältin (Jasmin Tabatabai) dem Kommissar, Urlaub zu nehmen. «Urlaub von meinem Leben?», fragt Karow bitter.

Klar, dass der Lone Wolf auf eigene Faust ermittelt; erst ab 2023 wird an seiner Seite Corinna Harfouch als Ermittlerin mittun. Hut ab, dass Drehbuchautor Erol Yesilkaya – der für einige der besten «Tatorte» des letzten Jahrzehnts zeichnet – trotzdem nicht unreflektiert das Klischee des traumatisierten Einzelgängers herunterreisst. Vielmehr beleuchtet Yesilkaya sensibel das Thema Homophobie wie das Phänomen patriarchaler Parallelgesellschaften.

Rückblende in eine Zeit, als die Möglichkeit von Glück am Horizont auftauchte: Der junge Maik (Laurids Schürmann, links) und der junge Karow (Jona Levin Nicolai).

Geschmeidig durchdringen Psychogramm, Thriller und Gesellschaftsbild einander im Film von Regisseur Stefan Schaller. Ausserdem changiert «Das Opfer» zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Voiceovers (mit Perspektivenwechsel), Rauschmomenten, Rückblenden und hartem Berliner Jetzt. Immer wieder sehen wir den 16-jährigen Karow in DDR-Zeiten, der sich zaghaft dem Nachbarsjungen und seinen eigenen Gefühlen öffnet, bis sein Vater, ein unehrlicher Prediger der absoluten Wahrheitsliebe, die sich anbahnende Beziehung brutal im Keim erstickt.

Mit dem erwachsenen, seinerseits wahrheitsbesessenen Ermittler Karow wiederum stossen wir zu einer härteren Wahrheit vor, in welcher der Tod seines Jugendschwarms in einem neuen Licht erscheint. «Das sind die Fakten», hatte die Staatsanwältin gesagt, als sie Karow zu Anfang über den mordverdächtigen Mafiaboss informierte, und mit den Fakten will sie besagtem lang gejagten Mafiaboss das Handwerk legen. «Aber nicht die Wahrheit», konterte Karow damals zu ihrem Missfallen.

Wie Karow auf der Suche nach ebendieser Wahrheit die Botschaften seines toten Freundes entschlüsselt, wie dabei eine junge Frau den Klauen der Mafia entkommt und Karow das Leben rettet, ist dann nicht bloss pulstreibend, sondern auch zart – und ein subtiles Echo der letzten Folge. So geht «Tatort».