Kolumne «Miniaturen des Alltags»Die Zigarette und der Autoalarm
Einige der schönsten Alltagsmomente geschehen unerwartet und sind ebendeshalb so schön, weil die Involvierten einander nicht kennen.
Manchmal ergeben sich im Alltag unverhofft spontane Gespräche mit Fremden. Ich mag diese Situationen, in denen sich die Leben von Menschen, die einander nicht kennen, für einen Moment überlappen. Oft sind es nur wenige Worte, die am Bahnhof, im Supermarkt oder auf der Strasse gewechselt werden. Dennoch oder gerade deswegen werden sie oft zu gerne weitererzählten Episoden.
Von einem besonders schönen Beispiel hat mir kürzlich eine Bekannte berichtet. Sie gehört, wie sie selber sagt, «zu den älteren Semestern». Auch deshalb wartete sie lieber im Auto, als ihr jüngerer Bruder an einem kalten Novemberabend vor dem gemeinsamen Restaurantbesuch in einem Geschäft etwas abholen musste.
Doch die Warterei wurde ihr bald zu bunt, und so beschloss sie, auszusteigen, um eine Zigarette zu rauchen. Dabei hatte sie vergessen, dass sie das Auto abgeschlossen hatte. Als sie also die Tür öffnen wollte, heulte sogleich der Autoalarm auf. «Ich bin wahnsinnig erschrocken» und beinahe «in die Himbeeren» gefallen, erzählte sie mir. Im hupenden und blinkenden Auto sitzend suchte sie hektisch nach dem richtigen Knopf auf dem Schlüssel – den Wunsch nach einer Zigarette antizipierend, hatte der Bruder ihr diesen überlassen. Schliesslich schaffte meine Bekannte es, dem Lärm ein Ende zu setzen.
Nun brauchte sie wirklich eine Zigarette, stieg aus und nahm Glimmstängel und Feuerzeug aus der Handtasche. Auf dem dunklen Trottoir näherte sich ihr eine Gestalt. Ein junger Mann. Als er auf gleicher Höhe war, hielt er an und sagte: «Das mit dem Autoalarm ist mir auch schon passiert. Ich habe aber nicht so schnell reagiert wie Sie.» Die beiden lachten herzlich zusammen. Dann ging der junge Mann weiter seines Weges, und meine Bekannte rauchte, leise vor sich hin lächelnd, ihre Zigarette fertig.
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