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Analyse der Weltwirtschaft
Die vier grössten Risiken für den Wirtschaftsboom

Ausdruck für den Boom und steigende Preise: Die Knappheit an verfügbaren Containern auf einigen Routen liess die Transportpreise explodieren. 
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Vor wenigen Wochen schien alles noch glänzend zu verlaufen. Die Prognostiker rieben sich nach dem massiven Einbruch im letzten Jahr und der Unsicherheit in den ersten Monaten des laufenden Jahres die Augen angesichts einer weltweiten Wirtschaftserholung, die deutlich besser ausfiel als erwartet. Alle wichtigen Indikatoren zeigten Rekordwerte an.

Die Ausbreitung des Delta-Virus und vielerorts deutlich steigende Preise haben diesem Optimismus einen deutlichen Dämpfer versetzt. Doch was droht wirklich? Die wichtigsten vier Punkte:

Wachsende Unsicherheit – trotz positiven Prognosen

Die jüngsten Daten und Prognosen lassen bislang zwar keinen erneuten Absturz der Wirtschaft erwarten – weder weltweit noch in der Schweiz. In seiner neuen Einschätzung vom Dienstag erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) für die Weltwirtschaft insgesamt ein Wachstum von 6 Prozent im laufenden und von 4,9 Prozent im nächsten Jahr nach einem Einbruch um 3,2 Prozent im vergangenen Jahr.

Die Aussichten für die reichen Länder haben sich seit der letzten Prognose im April sogar aufgehellt, jene für die ärmeren Länder allerdings leicht verdüstert. Auf die Schweiz geht der IWF in der neuen Prognose nicht gesondert ein. In jener vom April prognostizierte er ihr ein Wachstum von 3,5 Prozent im laufenden Jahr nach einem Einbruch um 3 Prozent 2020.

Jüngste Daten aus der Schweiz verweisen auf ein mittlerweile reduziertes Wachstumstempo. Dazu gehört auch das am Freitag veröffentlichte Konjunkturbarometer der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF).

Wie andere Prognostiker bleibt die KOF dennoch zuversichtlich. Der Stand des Barometers sei noch immer «klar überdurchschnittlich» und die Wirtschaft sei «weiterhin auf einem starken Expansionskurs, auch wenn das hohe Tempo der vergangenen Monate wohl nicht durchgehalten werden kann», schreiben die Ökonominnen und Ökonomen der KOF.

Während die Prognosen unter dem Strich wenig verändert bleiben, zeigt sich in allen Berichten aber eine gewachsene Unsicherheit (lesen Sie hier zur Stimmungslage an den Börsen). Sollte die Ausbreitung des Delta-Virus erneut zu einer weitgehenden Einschränkung von Mobilität und Wirtschaftstätigkeit führen, wären Rückschläge zu erwarten, so die einhellige Meinung.

Nur rechnet damit angesichts hoher Impfquoten in den reichen Ländern bis jetzt kaum jemand. Die in vielen Ländern eingeführten Restriktionen wie etwa für Grossveranstaltungen oder Reisen wirken zwar dämpfend, beeinflussen aber die Wirtschaftsentwicklung insgesamt nur wenig. Der anhaltende Optimismus geht vor allem davon aus, dass die Impfungen wirksam bleiben und nicht noch mehr neue Varianten auftauchen.

Gefahr durch Covid in den Schwellenländern

Wie die jüngsten Daten des IWF zeigen, kontrastiert der anhaltende Optimismus in den reichen Ländern aber frappant mit der Lage in ärmeren Ländern. Das liegt hauptsächlich daran, dass Schwellenländer wie vor allem jene in Asien und noch ärmere Länder ihre Bevölkerung im Gegensatz zu den reichen Ländern kaum geimpft haben. Während in den reichen Ländern fast 35 Prozent der Bevölkerung die Impfung erhalten haben, sind es in den ärmsten Ländern nur 1,1 Prozent.

Solange sich daran nichts ändert, kann die Pandemie nicht bewältigt werden und bleibt sie auch für die reichen Länder ein anhaltendes Risiko.

Wo sich das Virus weiter ungehemmt ausbreiten kann, ist nicht nur das menschliche Leid immens, es werden auch weitere Mutationen wahrscheinlicher.

Wo sich das Virus weiter ungehemmt ausbreiten kann, ist nicht nur das menschliche Leid immens, es werden auch weitere Mutationen wahrscheinlicher – auch solche mit potenziell schlimmeren Wirkungen als die Delta-Variante, die möglicherweise sogar die Impfungen überwinden können.

Eine anhaltende oder sogar verschärfte gesundheitliche Krise in den Schwellen- und armen Ländern bedroht auch die Wirtschaft in den reichen Ländern. Weitere Gefahren drohen im Zusammenhang mit internationalen Wertschöpfungsketten, Turbulenzen an den Kapital- und Währungsmärkten und Verwerfungen an den Rohstoffmärkten.

Die Angst vor einem ungebremsten Preisanstieg

Mit den Impfungen und den Öffnungen der Wirtschaft in den reichen Ländern und dem damit einsetzenden kräftigen Aufschwung ist ein starker Anstieg der Teuerung verbunden. Das gilt ganz besonders für die USA, wo das Preisniveau im Juni im Vergleich zum Vorjahr um 5,4 Prozent angestiegen ist und damit so stark wie seit 2008 nicht mehr.

Die USA sind allerdings ein Spezialfall. In keinem anderen Land stützen die Regierung und die Notenbank die Wirtschaft in einem vergleichbaren Ausmass mit neuem Geld und zusätzlichen Ausgaben. Auch die Wirtschaft des Landes legt so stark zu wie in keinem anderen reichen Land.

Gemäss jüngsten Zahlen vom Donnerstag beläuft sich die auf ein Jahr hochgerechnete Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts auf 6,5 Prozent, damit produziert die US-Wirtschaft anders als jene Europas bereits wieder mehr als vor der Krise. Gleichzeitig fördert sie über Importe auch das Wachstum in anderen Ländern.

Angestiegen sind die Preise nicht nur in den USA. In Deutschland ist die Teuerung im Vergleich zum Vorjahr gemäss Zahlen vom Donnerstag um 3,8 Prozent gestiegen und damit wie in den USA so stark wie seit dem Sommer 2008 nicht mehr. In der Eurozone insgesamt lagen die Preise im Juli 2.2 Prozent höher als im Vorjahr in der Schweiz im Juni 0,6 Prozent. Das ist zwar nicht viel, doch noch zu Jahresbeginn lag die Teuerung hierzulande um einen Prozentpunkt tiefer im negativen Bereich.

Es ist Aufgabe der Notenbanken, zu verhindern, dass die Teuerung ausser Kontrolle gerät. Unisono erklären ihre Chefinnen und Chefs, die aktuelle Entwicklung sei kein Grund zur Sorge. Vielmehr handle es sich um eine vorübergehende Entwicklung und einmalige Gründe, die auch dem Schub an nachgeholtem Konsum geschuldet seien und aus Produktions- und Transportengpässen resultierten, die sich im Zusammenhang mit dem Aufschwung ergäben. So haben sich etwa die Kosten für den Transport in Containern auf Schiffen für bestimmte Strecken mehr als verfünffacht.

Eine anhaltend höhere Teuerung wäre dann zu befürchten, wenn sich in der breiten Öffentlichkeit die Erwartung etablieren würde, dass die Preise künftig weiter steigen, denn dann passen Unternehmen und Beschäftigte diese und die Löhne dieser Erwartung entsprechend laufend nach oben an.

Selbst Jerome Powell von der US-Notenbank Fed schliesst diese Möglichkeit nicht aus, wie er am Mittwoch erklärt hat. Dennoch ändert er im Moment an der überaus expansiven Geldversorgung seines Instituts so wenig wie seine Kollegin Christine Lagarde bei der Europäischen Zentralbank und als Folge davon Thomas Jordan bei der Schweizerischen Nationalbank. Powell kündigte immerhin eine mögliche Neuausrichtung später im Jahr an.

Ein Grund für das derzeit sture Festhalten der grossen Notenbanken am bisherigen Kurs ist die Sorge, die Delta-Variante des Coronavirus könnte die Wirtschaft doch noch bremsen, was dann durch eine restriktivere Geldpolitik noch verschärft würde. Eine andere Sorge sind mögliche Verwerfungen an den Kapitalmärkten.

Risiken am Kapitalmarkt

Als am 19. Juli die Aktienmärkte weltweit einen überraschenden Taucher vollzogen haben, wurde das überall mit der Sorge vor den Folgen der Delta-Virusvariante erklärt. Doch schon an den Tagen darauf haben die Kurse den Verlust mehr als wettgemacht. Das gilt für die US-Börse genauso wie für jene der Schweiz, die in den Wochen vor diesem Ereignis besonders kräftig angestiegen sind. Allein von Mitte Mai bis Mitte Juli hat der SMI als führender Index der Schweiz um 8 Prozent zugelegt.

Kapitalmärkte sagen nicht die Zukunft voraus, aber sie spiegeln Erwartungen. Die gewachsene Unsicherheit wegen der weiteren Entwicklung der Corona-Krise, der steigenden Inflation und einer möglichen Änderung der bisher stützenden Geldpolitik ist ein wesentlicher Grund für den vorerst gebremsten Aufwärtstrend an den Börsen.

Sehr viel mehr Bedeutung als die Aktien- haben aber die Anleihenmärkte, vor allem jene für Staatsanleihen. Deren Renditen stehen für das entscheidende (langfristige) Zinsniveau eines Landes. Bis zum Frühjahr sind sie ausgehend von den USA weltweit deutlich angestiegen.

Der Zinsanstieg ging auf die Erwartung weiter steigender Preise und einer künftig weniger expansiven Geldpolitik zurück. Es kam sogar die Erwartung auf, die bereits Jahrzehnte alte Tiefzinsphase könnte zum Ende kommen.

Diese Erwartung hat sich vorerst etwas verflüchtigt. Auch in der Schweiz fielen die Anleihezinsen wieder tiefer in den negativen Bereich. Die spätestens seit Mai wieder gesunkenen Zinssätze gehen zum einen auf das Verhalten der Notenbanken zurück, die trotz Boom und Teuerung bislang keine Änderung an ihrer Geldpolitik vornehmen.

Anleihen von Staaten wie der Supermacht USA oder der Schweiz gelten auch als sicherer Hafen bei Unsicherheiten. Die jüngste Entwicklung an diesen Märkten ist daher auch einer für die nächste Zukunft wieder deutlich grösseren Unsicherheit trotz weiterhin dominierenden positiven Prognosen geschuldet.