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Angst vor steigenden Preisen
Das Dilemma der Notenbanken

Verantwortet die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank: EZB-Präsidentin Christine Lagarde. 
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Aus der Corona-Krise droht eine neue Gefahr: eine deutlich steigende Teuerung. Ein Grund ist die extrem expansive Geldpolitik der Notenbanken weltweit. Anders als nach der Finanzkrise besteht diesmal das Risiko, dass die massiven Summen an neu geschöpftem Geld in die Realwirtschaft fliessen. Damals war das nicht der Fall, weil die Banken schwer angeschlagen waren.

Doch bei kaum einer Notenbank zeichnet sich eine Abkehr von der bisherigen Politik ab. Am Donnerstag hat die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, klargemacht, dass ihr Institut die Zinssätze weiterhin auf Tiefstständen belässt – den Einlagensatz für Banken etwa bei Minus 0,5 Prozent. Weiterhin kauft die EZB zudem monatlich für 20 Milliarden Euro Anlagen – hauptsächlich Staatsanleihen.

Darüber hinaus hält sie an ihrem Pandemie-Notprogramm (Pepp) fest, mit dem sie insgesamt für 1,85 Billionen Euro zusätzlich Anleihen kauft. Dazu kommen noch subventionierte Kredite an Banken (TLTRO III), wenn diese das Geld für Ausleihungen an die Privatwirtschaft nutzen.

Die Schweizerische Nationalbank wird erst Mitte Juni wieder über ihre Politik informieren. Aber auch bei ihr ist kein Kurswechsel zu erwarten. Das heisst, ihr Leitzins wird noch für längere Zeit bei rekordtiefen minus 0,75 Prozent verbleiben. Auch an Devisenkäufen will die SNB festhalten, wie ihr Präsident Thomas Jordan immer wieder betont. An ihnen liegt es vor allem, dass die Bilanzsumme der SNB mittlerweile auf mehr als eine Billion Franken angestiegen ist. Allerdings tätigt sie solche Käufe seit dem letzten Herbst kaum mehr.

Keine Abkehr von der Extrempolitik ist auch bei der US-Notenbank Fed zu erwarten, die am kommenden Mittwoch ihre geldpolitische Einschätzung bekannt geben wird. Den Leitzins wird sie weiterhin nahe null belassen und jeden Monat für 120 Milliarden Dollar Anlagen (Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken) kaufen.

Alle Notenbanken begründen ihr Festhalten an der bisherigen Politik mit der anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche und den verbleibenden Unsicherheiten, auch wenn sie allesamt von einem deutlichen Wirtschaftswachstum spätestens ab der zweiten Jahreshälfte ausgehen.

Aus den Marktdaten – insbesondere aus den Langfristzinsen – lässt sich die Erwartung steigender Preise herauslesen.

Noch im Dezember 2020 sanken die Preise in der Eurozone um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im März haben sie dann aber um 1,3 Prozent zugelegt. In den USA belief sich der Anstieg des Preisniveaus im März zum Vorjahr sogar auf 2,6 Prozent. Zwar hat sich in der Schweiz das Preisniveau im März im Vergleich zum Vorjahr noch um 0,2 Prozent reduziert. Aber auch hier zeigt der Trend nach oben. Auch aus den Marktdaten – insbesondere aus Langfristzinsen – lässt sich überall die Erwartung steigender Preise herauslesen.

Selbst nach Einschätzung der EZB-Ökonomen wird die Teuerung gegen Ende Jahr im Euroraum auf 2 Prozent ansteigen. Doch das hält man dort gemäss Präsidentin Christine Lagarde für ein vorübergehendes Phänomen. Denn der Preisanstieg geht hauptsächlich auf höhere Energiepreise zurück, was sich besonders deutlich beim Preis für Erdöl zeigt. Seit dem vergangenen Oktober hat sich jener für die Sorte Brent rund verdoppelt.

Notenbanken geben Entwarnung

Auch andere Notenbanker geben sich gelassen. Die meisten gehen davon aus, dass die Teuerung nach einem ersten Aufbäumen wieder zurückgeht. In der Schweiz soll sie Ende 2023 selbst bei einer unverändert expansiven Geldpolitik nach Einschätzung der SNB nicht mehr als 0,6 Prozent betragen.

Es gibt aber auch andere Einschätzungen. So hat etwa die Bank of Canada in der vergangenen Woche bekannt gegeben, dass sie ihre Anleihenkäufe angesichts des erwarteten Wirtschaftswachstums reduzieren wolle. Aufgefallen ist auch eine Rede von Andy Haldane, dem Chefökonomen der britischen Notenbank. Dieser hat betont, dass die Einmaligkeit der aktuellen Krise wenig Grund bietet, auf die bisherigen Methoden zur Schätzung der künftigen Inflation zu vertrauen.

Dass die meisten Notenbanken dennoch an ihrer Politik festhalten, dürfte auch mit der schmerzhaften Erfahrung der US-Notenbank nach der Finanzkrise zu tun haben.

Er geht davon aus, dass der Aufschwung nach der Krise so stark ausfallen wird wie der Absturz ganz zu Beginn. Und anders als nach der Finanzkrise würden jetzt Unternehmen und Haushalte auf viel Geld sitzen, das sie bisher nicht ausgeben konnten. Ausserdem hätten Staaten weltweit einmalig umfassende Ausgabenprogramme beschlossen. Auch dieser Nachfrageschub kann die Preise befeuern.

Dass die meisten Notenbanken dennoch an ihrer Politik festhalten, dürfte mit der schmerzhaften Erfahrung der US-Notenbank nach der Finanzkrise zu tun haben. Als diese im Jahr 2013 angedeutet hat, Anleihenkäufe nur schon zu reduzieren, sind als Folge die langfristigen Zinssätze deutlich angestiegen, was an den Kapitalmärkten weltweit für grosse Unruhe gesorgt hat. Die Episode ging unter dem Begriff «Taper Tantrum» in die Geschichte ein.

Die grosse Angst vor der Deflation

So etwas wollen die Notenbanken angesichts der anhaltend labilen Lage unbedingt verhindern – die tiefen Zinsen haben schliesslich seit der Finanzkrise die Kapitalmärkte befeuert und auch die Verschuldung. Für einen Crash wollen sie nicht verantwortlich sein.

Zum Zweiten ist den Notenbanken eine höhere Inflation lieber als ein fallendes Preisniveau; eine Deflation. Denn dann erschöpfen sich ihre üblichen Einflussmöglichkeiten, weil das Geld kaufkraftbereinigt an Wert zulegt. Das hat den gleichen Effekt auf die Nachfrage wie steigende Zinsen, selbst wenn diese tief sind und nicht mehr gesenkt werden können. Das war der Grund für die Ohnmacht der Notenbanker nach der Finanzkrise. Diese traumatische Erfahrung könnte nun dazu führen, dass die Notenbanken die aktuellen Risiken unterschätzen. In der «Nachlässigkeit der Notenbanken» («central bank complacency») sieht daher der Brite Andy Haldane das grösste Inflationsrisiko.