US-Notenbank im DilemmaDer gehetzte Fed-Chef
Jerome Powell steht unter Druck. Politikerinnen und Politiker bis hin zu Präsident Biden warnen vor den Folgen seiner Geldpolitik. Doch auch wenn er sie ändert, riskiert er viel.
Kaum jemand hat einen derart grossen Einfluss auf Zinsen, Währungen und die Konjunktur weltweit wie Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed. Doch Jerome Powell tritt nicht auf wie ein Mann von Macht. Vielmehr wirkt er wie ein Gehetzter. Am Mittwochabend muss er erneut seine Geldpolitik erklären. Eine wesentliche Änderung wird nicht erwartet. Aber auf den Finanzmärkten und in der US-Politik wird man dennoch sehr genau auf seine Worte hören. Denn von beiden Seiten steht er unter grossem Druck.
Die Teuerung in den USA ist im Juni im Vergleich zum Vorjahr auf 5,4 Prozent überraschend stark angestiegen – so stark wie seit 13 Jahren nicht mehr. Die Inflation unter Kontrolle zu halten, ist die wichtigste Aufgabe von Powell und seinem Fed.
Bislang argumentiert der Fed-Chef, es handle sich nur um vorübergehende Preissprünge, die zum einen der raschen Öffnung der Wirtschaft und zum andern vor allem einem Preisschub bei Fahrzeugen geschuldet seien. Eine anhaltend höhere Inflation sei nicht zu erwarten, weshalb sich jetzt noch kein Ende der einmalig expansiven Geldversorgung aufdränge.
Powells Unwillen, an seiner Politik etwas zu ändern, liegt auch am nachwirkenden Schrecken aus früheren Erfahrungen.
Powells Unwillen, an seiner Politik etwas zu ändern, liegt auch am nachwirkenden Schrecken aus früheren Erfahrungen, als das Fed allein mit der Ankündigung einer Mässigung der Geldversorgung weltweit für heftige Turbulenzen auf den Finanz- und Währungsmärkten sorgte und die Zinsen nach oben sprangen. Zudem hat Powell erst im letzten Jahr ein neues Konzept aufgegleist, mit dem eine leicht höhere Inflation akzeptiert werden soll.
Wenn er jetzt auf die Bremse tritt, riskiert er nicht nur seine Glaubwürdigkeit und Stürme an den Kapitalmärkten. Sollte die Virusvariante Delta den Aufschwung in den USA gefährden, würde er mit einer Schubumkehr die Lage noch verschlimmern.
Prügel von allen Seiten
Doch in der Politik interessieren aktuell vor allem die steigenden Preise. Deswegen bezog Powell schon von den Republikanern verbale Prügel. Jüngst hat sich der Warnung auch US-Präsident Joe Biden angeschlossen, der Powell an seine Pflichten erinnerte, die Teuerung in Schach zu halten. Vom Präsidenten hängt immerhin ab, wie lange Powell noch Fed-Chef bleiben wird. Im nächsten Februar läuft seine erste Amtszeit ab.
Eingesetzt hat ihn vor vier Jahren Donald Trump. Aussergewöhnlich war das vor allem, weil der Ex-Präsident damit zum ersten Mal seit Jahrzehnten mit dem Juristen Powell keinen Ökonomen mehr auserkoren und nach nur einer Amtszeit die hoch angesehene Ökonomin Janet Yellen abgelöst hatte, unter der Powell noch Vizepräsident war.
Doch mit Trump wurde Powell nicht glücklich. Immer wieder hat der einstige Präsident den Fed-Chef öffentlich beschimpft und beleidigt, weil dieser für Trumps Geschmack die Wirtschaft zu wenig energisch mit Geld flutete. Denn das hätte die Aktienmärkte noch mehr befeuert, woran Trump sehr gelegen gewesen wäre.
Bidens Wahl muss für Powell wie eine Befreiung gewirkt haben. Umso mehr als der neue Präsident Powells Ex-Chefin und Vertraute Janet Yellen zur Finanzministerin erkoren hat. Umgekehrt ist für die neue Regierung und ihre massiv erhöhten Staatsausgaben die Geldpolitik von Powell ein Segen. Vor allem durch den Aufkauf von Staatsschulden hat das Fed die Geldmenge erheblich ausgeweitet. In etwas mehr als einem Jahr ist die Bilanz des Fed um 4000 Milliarden auf mittlerweile 8200 Milliarden Dollar angewachsen.
Aktuell spricht noch nichts gegen eine erneute Nomination von Powell durch Biden im nächsten Februar. Viel hängt aber vom weiteren Verlauf der Inflation und der Entwicklung der Wirtschaft ab. Kein Wunder, wirkt der Fed-Chef gehetzt.
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