Steigende Inflation in den USA Wie der Run auf Occasionsautos die US-Notenbank in Nöte bringt
Amerikaner zahlen für gebrauchte Autos teils mehr als für neue. Das macht nun auch US-Notenbankchef Powell Sorgen.

Waldbrände, Dürren, Wasserknappheit – die sich mehrenden Zeichen des Klimawandels haben amerikanische Autofahrer nicht zum Umsteigen bewegt. Im Gegenteil haben sie in den letzten Monaten neue und gebrauchte Autos gekauft, als gäbe es kein Morgen. Der Boom könnte der Notenbank die Steuerungskontrolle erschweren.
Üblicherweise ist der Dezember der günstigste Monat, ein Auto zu kaufen, da die Lager für die Frühjahrsmodelle geräumt werden müssen und die Hersteller die Nachfrage mit Rabatten anheizen. Nicht so im vergangenen Winter: Die Autoproduktion ging wegen der durch die Pandemie erzwungenen Kurzarbeit zurück, und die Händler hielten sich angesichts der unsicheren Lage mit Sonderangeboten zurück. Sie versicherten jedoch, dass sich die Lage im Frühjahr entspannen werde.
Autonachfrage auf höchstem Stand seit 30 Jahren
Das Gegenteil traf ein. Die Lockerung der Lockdown-Vorschriften, ein wieder erwachter Konsumrausch sowie grosszügige Finanzhilfen für Familien mit tieferen Einkommen und Kindern trieben die Nachfrage unerwartet stark an, auf den höchsten Stand seit 30 Jahren. Verstärkt wurde der Trend noch durch den weltweiten Mangel an Mikrochips. Der Ansturm der Kunden war so gross, dass Händler ihre Servicekunden um den Verkauf ihrer gebrauchten Autos baten.
Besonders gesucht waren Pick-up-Trucks und die grosses SUV. Für einjährige Occasionen boten sie bis zu 30 Prozent höhere Preise als vor einem Jahr. Gemäss J.D. Power und Edmunds, den zwei wichtigsten Marktforschungsfirmen, kam es zu einer noch nie erlebten Annäherung der Preise für neue und gebrauchte
Autos. Im Frühsommer betrug die Differenz für neue und ein Jahr alte Autos nur 80 Dollar; dies bei einem mittleren Preis von 40’000 Dollar. Üblicherweise liegt die Differenz bei mindestens 5000 Dollar.

Für besonders begehrte ein Jahr alte Modelle zahlten Käufer sogar mehr, weil sie nicht mehrere Monate auf die Lieferung des brandneuen Modells warten wollten. So werden derzeit gebrauchte Kia Telluride und GMC Sierra 1500 für über 3000 Dollar mehr verkauft als neu, und einen Occasions-Mercedes der C-Klasse lassen
sich die Käufer zusätzlich 7000 Dollar kosten. Selbst betagte Occasionen sind begehrt wie noch nie. Autos mit 100’000 Meilen auf dem Tacho kosteten im Schnitt mit 16’500 Dollar fast ein Drittel mehr als im letzten Sommer.
Zuversicht der Notenbank gewichen
Zwar hat sich die Situation seit Anfang Juli etwas beruhigt, die Preise sind um knapp zwei Prozent gesunken. Doch vor dem nächsten Frühling wird sich die Lage nach Ansicht von Marktforschern nicht normalisieren. Dies erklärt, warum die hohen Autopreise für mehr als ein Drittel der aktuellen Inflation verantwortlich sind, die im Jahresvergleich auf 5,4 Prozent geklettert ist und die US-Notenbank aufgeschreckt hat.
«Das macht uns natürlich Sorgen.»
Der höchste Teuerungsstand seit 13 Jahren sei ein «Schock», musste Notenbankchef Jay Powell letzte Woche eingestehen. «Die Öffnung der Wirtschaft (nach dem Lockdown) hat dem System einen Schlag versetzt und die Inflation weit über zwei Prozent (die Zielgrösse) getrieben. Das macht uns natürlich Sorgen.»
Das tönte wesentlich weniger zuversichtlich als im Frühling, als Powell versicherte, der Teuerungsdruck sei eine vorübergehende Erscheinung. Mit einer Zinserhöhung sei nicht vor 2023 zu rechnen. Die Finanzmärkte reagierten damals beruhigt, was sich nicht mehr länger behaupten lässt.
Was macht die Fed am Mittwoch?
Ungewöhnliche Preisschübe wie jene im Auto- und Immobilienmarkt, verbunden mit dem Aufflackern der Corona-Seuche, sind ernst zu nehmen, sagt JP Morgan-Chef Jamie Dimon. «Die Inflation ist etwas schlimmer, als die Notenbank erwartet.»
Besorgt wie zum letzten Mal im Jahr 2013 sind auch die Konsumenten. Nach Angaben der von der New Yorker
Notenbank erhobenen Prognose erwarten sie im kommenden Jahr eine Teuerung von 4,8 Prozent und noch immer 3,6 Prozent in drei Jahren.
Mit angehaltenem Atem warten die Finanzakteure deshalb auf den Mittwoch, wenn die Notenbank bekannt gibt, ob sie die Zinsen schneller anheben könnte als erwartet, um eine Überhitzung zu vermeiden.
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