Pleite der Silicon Valley BankDie vielen Täter der US-Bankenkrise
Die Regierung Trump legte den Boden für den grössten Bankenkollaps seit der Finanzkrise. Einflussreiche Demokraten und eine Revisionsfirma halfen tatkräftig mit.
Kaum eine Woche nach seinem Amtsantritt setzte Präsident Donald Trump zum Sturm auf eines der wirksamsten Gesetze zum Schutz von Bankkunden an. Barack Obama hatte es nach der Finanzkrise erlassen, um rund 30 mittelgrosse Banken genauso strikt zu überwachen wie die Wallstreet-Banken, die 2008 den Kollaps ausgelöst hatten. Es sollte verhindert werden, dass diese Finanzhäuser den Staat im Krisenfall zu einer Rettungsaktion zwingen würden. Progressive Demokraten warnten, aber bankennahe Demokraten setzten sich durch und halfen Trump, das Gesetz aufzuweichen.
Elizabeth Warren und Bernie Sanders sperrten sich nach Kräften gegen die von der Finanzbranche hartnäckig verlangten Deregulierung. Sie griffen einzelne Kollegen im Senat direkt an und warfen ihnen vor, die Lehren aus der Finanzkrise 2008 vergessen zu haben. Warren im Besonderen machte sich unbeliebt, erinnert sich ihr damaliger Stabschef Dan Geldon. Die interne Auseinandersetzung sei «ungewöhnlich gehässig» gewesen. Es hätte nicht viel gefehlt, und es wären «Stühle geflogen». Warren warnte, dass mit der Aufweichung der Boden für die nächste Bankenkrise gelegt werden und erneut der Staat zur Rettung eilen müsse.
Ihre Warnung nützte nichts. 17 Demokraten schlossen sich den einstimmigen Republikanern im Senat an; und im Abgeordnetenhaus stimmten 33 Demokraten mit den Republikanern für die Deregulierung.
Konkret wurde die Schwelle für die verschärfte Aufsicht der Banken von einem Vermögenswert von 50 auf 250 Milliarden Dollar angehoben, womit nur noch rund zehn Banken einen jährlichen Stresstest durchführen mussten. 30 Regionalbanken wurden davon entlastet. Auch die Signature Bank und die Silicon-Valley-Bank. Sie mussten fortan keine grösseren Finanzreserven mehr bilden und keine Pläne für die Schliessung der Bank im Krisenfall vorlegen. Beide Banken waren frei, ihre Bilanzsumme in Windeseile auf über 100 Milliarden Dollar zu steigern. Da keine Stresstests nötig waren, bildet sich eine toxische Mischung aus fehlender Aufsicht und einem Vollrisiko-Management, das die Nullzinspolitik der US-Notenbank bis zum Kollaps ausreizen sollte.
Dass die Manager selber in höchstem Mass verantwortlich sind, ist offensichtlich. Sie machten den elementarsten Fehler der Branche: Sie vergaben kurzfristige Kredite und unterlegten sie mit langfristigen Sicherheiten. In diesem Fall waren es US-Staatsanleihen, die wegen der steigenden Zinsen stark an Wert verloren und die ein Loch in die Bilanz rissen. Zudem war Greg Becker, Verwaltungsratschef der Silicon-Valley-Bank, einer der Führungskräfte, die sich für die Aufweichung des Gesetzes eingesetzt hatten.
Doch überraschend drängte auch der ehemalige demokratische Kongressabgeordnete Barney Frank auf eine Lockerung der Bankenaufsicht. Ihr Argument war, dass die lästigen Vorschriften die Fähigkeit der Branche einschränken, kreditwürdigen Kunden Geld zu leihen. Die Lockerung «erspart den kleineren Banken eine Menge Papierkram», sagte Frank. Dabei war er einer der Architekten der Bankenregulierung der Regierung Obama gewesen. Seine Brandreden im Kongress, sein Eifer, die Banken zu zügeln, waren legendär. Obama bedankte sich überschwänglich bei Frank und seinem Mitstreiter Senator Christopher Dodd dafür, dass sie «Tag und Nacht für diese Reform gearbeitet haben».
KPMG sah keine Gefahr
Doch schon 2013 predigte Frank das Gegenteil, und nach seinem Rückzug aus dem Kongress wurde er belohnt. Die Signature Bank wählte ihn in den Verwaltungsrat, in dem zeitweise auch Trump-Tocher Ivanka sass. Erst 2020 sollte die Bank die letzten Trump-Konten auflösen, nachdem der Ex-Präsident den Sturm aufs Capitol angeheizt hatte. Frank bezog seit 2015 über 2,4 Millionen Dollar, bevor er am Sonntag nach der Schliessung der Bank seinen Stuhl hastig räumte. Die Liquidation, sagt er heute, sei unnötig gewesen. Aber den Aufsehern sei es nur darum gegangen, der Krypto-Szene einen Schlag zu versetzen. Signature war eine der Schaltstellen für den Kryptounternehmer. Rund ein Fünftel ihrer Depots von 88 Milliarden Dollar gehörten Krypto-Kunden. «Wir waren diejenigen, auf die sie schossen, um andere zu ermutigen, sich von Kryptowährungen fernzuhalten», sagte Frank.
Schlecht sieht auch die Revisionsfirma KPMG aus. Sie prüfte noch wenige Tage vor dem Kollaps die Bücher beider Banken und befand sie für solide. Die Revisionsfirma verteidigt sich damit, dass die Prüfung 14 bzw. 10 Tage vor dem Kollaps abgeschlossen wurde. Was danach passierte, so KPMG, sei zwangsläufig nicht ihre Verantwortung. Ob diese Erklärung genügt, wird sich zeigen. Auf jeden Fall wird KPMG in die staatliche Untersuchung des Bankenkollapses einbezogen.
«Das Timing ist eine spektakuläre Demütigung für KPMG.»
Denn der Run auf die Silicon-Valley-Bank hatte gemäss dem «Wall Street Journal» bereits letztes Jahr eingesetzt. Die Einlagen erreichten exakt vor einem Jahr den höchsten Stand und fielen dann bis Ende Jahr um 25 Milliarden Dollar oder 13 Prozent. Der Abzug beschleunigte sich im Januar und Februar. Doch für KPMG war das offenbar kein Gefahrensignal, obwohl gleichzeitig die Aktiven in Form langjähriger Staatsanleihen massiv entwertet wurden. «Das Timing ist eine spektakuläre Demütigung für KPMG», sagt Wirtschaftsprofessor Erik Gordon von der Universität Michigan.
Der Kongress hat wenig Zeit, vor den Wahlen 2024 die Aufsicht für die mittelgrossen Banken wieder zu verschärfen. Zwar wünscht Präsident Joe Biden eine rasche Vorlage, aber da die Republikaner das Abgeordnetenhaus kontrollieren und weil die Demokraten im Senat eine zu dünne Mehrheit haben, muss dem Vorhaben wenig Chancen gegeben werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.