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Sanktionen gegen Russland
Die USA erhöhen den Druck auf die Schweiz

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Die amerikanische Politik beschäftigt sich aktuell verstärkt mit der Schweiz und deren Umgang mit Russland. Sie hat gleich in zwei Sachbereichen Bewegungen angestossen: So lud die sogenannte Helsinki-Kommission des US-Parlaments am Dienstag zu einer Anhörung, in der sie die angebliche Umgehung der Sanktionen durch Russinnen und Russen über Schweizer Banken behandelte.

Weiter planen Angestellte des US-Finanzministeriums, in die Schweiz zu reisen, um sich kommende Woche mit Vertretern der Schweizer Rohstoffbranche zu treffen, wie die NZZ schreibt. Die Branche steht aktuell im Fokus der Aufmerksamkeit, da ein grosser Teil der russischen Rohstoffexporte über die Schweiz gehandelt wird. Beim Öl war es 2022 laut der Nichtregierungsorganisation Public Eye mehr als die Hälfte.

Beide Angelegenheiten sind für die Schweiz im Grundsatz delikat – sie könnte wirtschaftlich und in puncto Reputation Schaden nehmen. Allerdings präsentieren sich die Sachverhalte jeweils sehr unterschiedlich.

Amerikaner suchen mehr als Informationen

So gilt das Interesse der Amerikaner an den Schweizer Rohstofffirmen formell vorerst nur der Informationsbeschaffung. In Treffen mit dem Branchenverband Suissenégoce, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und den Branchenriesen Trafigura und Glencore soll es unter anderem um einen Ausblick auf die europäischen Energiemärkte gehen.

Weitere Themen sollen die Rolle der Sanktionen im Energiehandel und Entwicklungen im Handel mit kritischen Metallen und Mineralien sein. Das verstärkte Interesse der US-Regierung spiegelt die gestiegene Bedeutung dieser Bereiche für die Weltpolitik und den Umstand, dass die Schweizer Rohstofffirmen in dieser eine wichtigere Rolle spielen. Denkbar ist vor diesem Hintergrund, dass es den Amerikanern um mehr als reine Informationsbeschaffung geht und sie von gewissen Akteuren ein verändertes Verhalten einfordern.

Im Energiebereich dürfte die Amerikaner insbesondere der Handel mit russischem Öl interessieren: Zwar ist dieser im Moment nicht verboten, zu wichtig ist das russische Öl für die Weltwirtschaft. Doch hat Europa den Import verboten. Für den Handel gilt eine Preisobergrenze von 60 Dollar pro Fass, was die russischen Staatseinnahmen deutlich schmälert, die zu rund einem Viertel aus Öleinnahmen bestehen. Der Weltmarktpreis liegt aktuell bei rund 80 Dollar.

Der Verband Suissenégoce und das Seco bestätigten am Mittwoch, dass es kommenden Montag zu einem Treffen kommen werde. Neben der Diskussion über die Energieversorgung Europas werde Teil der Diskussion sein, welche Konsequenzen für die weltweite Versorgung die Sanktionen hätten. Trafigura und Glencore äusserten sich nicht auf eine Anfrage.

Forderung: Bundesanwälte sollen auf Sanktionsliste

Konkreter und schärfer waren die Ansagen während der Anhörung der Helsinki-Kommission. Die Schweiz sei zwar mit den USA befreundet, sagte der demokratische Senator und Kommissionsvorsitzende Ben Cardin zur Einleitung. Doch die Schweiz habe eine dunkle Seite, wenn es um schmutziges Geld gehe.

«Wir haben das während des Zweiten Weltkriegs gesehen, als die Schweiz zum bevorzugten Standort für Gold wurde, das die Nazis den Juden weggenommen hatten», zählte Cardin auf. «Wir haben das gesehen, als die Führer der südafrikanischen Apartheid dort ihr Geld versteckten. Und wir haben es jetzt wieder bei den russischen Oligarchen gesehen. Das ist ein wiederkehrendes Muster.»

In der Folge sprach unter anderem mit Bill Browder ein Investor und Anti-Russland-Aktivist, der den Schweizer Behörden seit Jahren Nachlässigkeit gegenüber Putins Regime vorwirft. Unter anderem forderte er, fünf aktuelle oder ehemalige Schweizer Staatsangestellte auf die Sanktionsliste zu setzen, darunter der ehemalige Bundesanwalt Michael Lauber und sein Nachfolger Stefan Blättler, der das Amt im Moment ausübt.

Harte Kritik an den Schweizer Behörden: Bill Browder am Dienstag an der Anhörung der Helsinki-Kommission.

Die Aussagen, die im Rahmen von Anhörungen der Helsinki-Kommission fallen, haben damit eine neue Qualität erhalten. Neu sind sie nicht: Schon vor gut einem Jahr hatte unter anderem Browder in der Kommission vorsprechen dürfen, das Thema und die Schlussfolgerungen waren die gleichen: Die Schweiz müsse sich stärker dafür einsetzen, dass Russlands Reichste stärker unter dem Krieg litten. Die USA sollten entsprechenden Druck auf die Schweiz ausüben.

Das geschah seither auch. Unter anderem schrieben die Botschafter der G-7-Staaten, deren stärkstes Mitglied die USA sind, im April 2023 einen geharnischten Brief an den Bundesrat. Unter anderem kritisierten sie, dass die Schweiz nicht proaktiv genug handle, um Vermögen von sanktionierten Personen ausfindig zu machen, das sich in der Schweiz befinde. Auch solle sich die Schweiz in der internationalen Taskforce zu diesem Zweck engagieren.

Die Eidgenossenschaft weist Vorwürfe, wie sie im Brief und am Dienstag vorgebracht wurden, jeweils vollumfänglich zurück. «Die Schweiz setzt die internationalen Standards betreffend Sanktionen konsequent um, was auf internationaler Ebene immer wieder bestätigt und anerkannt worden ist», schreibt das Seco.

«Die Schweizer erlauben den Russen, auf dieses Geld zuzugreifen, um Ukrainer zu töten. Wir sollten etwas tun, um das zu unterbinden.»

Bill Browder, Investor und Aktivist

Ob die Schweiz tatsächlich zu wenig unternimmt, um die Einhaltung der Sanktionen zu kontrollieren, ist schwer zu beurteilen. Konkrete Fälle, in denen die Behörden zu wenig taten, sind nicht bekannt. Die Kritik gilt stattdessen vor allem den Strukturen, aufgrund derer anzunehmen sei, dass die Behörden nicht alle Fälle aufspüren können.

So existiert in der Schweiz bis heute kein Register für wirtschaftlich Berechtigte für Unternehmen. Und Branchen wie der Kunst- und der Immobilienmarkt und der Rohstoffsektor sind nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellt.

Dieses gilt ausserdem für Anwälte und Notare nur in abgeschwächter Form, sofern diese unter der Schweigepflicht stehen: Ihnen ist es also bis heute erlaubt, für sanktionierte Kunden Finanzkonstrukte zu bauen, mittels derer diese die Sanktionen umgehen können. Ein Teil der Kritik könnte jedoch bald abebben: Im August will der Bundesrat eine überarbeitete Fassung des Geldwäschereigesetzes in die Vernehmlassung schicken.

Rund 7,5 Milliarden Franken eingefroren

Per Dezember letzten Jahres hatte die Schweiz rund 7,5 Milliarden Franken von sanktionierten Personen eingefroren, wie das Seco auf Anfrage schreibt. Wie viel russisches Geld total auf Schweizer Konten liegt, ist nicht klar. Verschiedene Schätzungen gehen von rund 200 Milliarden Franken aus. Wie viel davon insgesamt von sanktionierten Personen stammt, ist nicht bekannt.

«Die Schweizer erlauben den Russen, auf dieses Geld zuzugreifen, um Ukrainer zu töten», sagte Aktivist Browder am Dienstag. «Wir sollten etwas tun, um das zu unterbinden. Und wenn die Schweizer nicht bereit sind, das freiwillig zu tun, dann sollten wir Druck auf sie ausüben.» Sollte die offizielle US-Politik sich davon beeindrucken lassen, muss sich die Schweiz auf weitere Angriffe aus Washington einstellen.