Mangellage im ZwischenfazitDie Stromdaten sind gut – dürfen wir jetzt die Heizung wieder aufdrehen?
Mit dem graukalten Winterwetter steigt der Energieverbrauch. Aber nicht so stark wie erwartet. Was ein Blick in Statistik, Speicherseen und Gasreserven verrät.
Vor ein paar Monaten noch rief der Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom) die Schweiz dazu auf, sich mit Kerzen und Brennholz einzudecken. Nun ist es frostig kalt – und die brennenden Kerzen dienen nur dem Ambiente. Ist die weitum befürchtete Strommangellage für diesen Winter definitiv vom Tisch? Noch traut sich niemand, von «Entwarnung» zu sprechen. Aber die Anzeichen mehren sich, dass wir gut durch diesen Winter kommen werden.
Trotz Minustemperaturen steigt der Stromverbrauch nur leicht
Die Wetterumschwünge lassen sich beim Stromverbrauch gut verfolgen: Ab Mitte Dezember wurde es aussergewöhnlich mild – die Schweiz brauchte dementsprechend weniger Strom. Mit den sinkenden Temperaturen im Januar steigt der Verbrauch nun wieder an.
Wie der geschätzte Verbrauch des Bundesamts für Statistik zeigt – der definitive ist erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar –, braucht die Schweiz jedoch trotz der verbreiteten Minustemperaturen meist weniger Strom als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre.
Besonders überraschend sind die Verbrauchsdaten des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (EWZ). Dieses aktualisiert die Verbrauchsdaten täglich. Gemäss Sprecher Thöme Jeiziner fällt auf, dass der Durchschnittsverbrauch von Unternehmen und Dienstleistungen vergangene Woche unter den Erfahrungswerten der letzten 12 Jahre lag. «Privathaushalte und KMU liegen im unteren Drittel der Erwartung», sagt Jeiziner.
Wirken die Sparappelle? Oder wird der Strom effizienter bezogen?
Weder die EWZ noch die Elcom können sich die tiefen Werte eindeutig erklären. Klar ist aber, dass die sichere Stromversorgung in der Schweiz nicht nur vom Wetter abhängt. Daher gibt es gemäss Elcom-Sprecherin Antonia Adam auch keinen Kippwert, ab welcher Dauer einer Kälteperiode der Strom knapp werden könnte.
Pegel der Speicherseen liegt über den Normwerten
Essenziell für die sichere Stromversorgung ist der Pegel der Speicherseen. Am Mittwoch betrug der Füllstand 72 Prozent. Gemäss Adam liegt das an den deutlich höheren Temperaturen im Herbst und zu Beginn des Winters. «Dadurch konnte Energie in den Speichern gespart werden. Entsprechend sind die Füllstände zurzeit deutlich über den Normwerten der Vorjahre.»
Gasspeicher sind noch immer gut gefüllt
Da viele Haushalte mit Gas heizen und die Schweiz keine Gasspeicher besitzt, ist sie auf jene im Ausland angewiesen. Also auf die grossen Speicher in Frankreich, Italien oder Deutschland. Wie Thomas Hegglin vom Verband der Schweizerischen Gasenergie sagt, wird wegen der tiefen Temperaturen derzeit mehr Gas verbraucht. «Grundsätzlich sieht die Situation aber gut aus», so Hegglin. Positiv sei, dass die Gasspeicher in der EU im Durchschnitt zu 78 Prozent gefüllt seien, in Deutschland gar zu 88 Prozent.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass in ganz Europa – einschliesslich der Schweiz – im vergangenen Jahr weniger Gas gebraucht wurde. Grund dafür war auch der hohe Gaspreis, der viele Industrieunternehmen bewogen hatte, zu sparen.
Sparen macht weiterhin Sinn
Trotz derzeitig guter Stromsituation: Von einer offiziellen Entwarnung mag noch niemand sprechen. Obwohl die Preise im Grosshandel gesunken sind, sind sie sowohl beim Strom als auch beim Gas weiterhin relativ hoch. Zudem sind die Unsicherheiten wegen des Ukraine-Kriegs nach wie vor gross. Die Elcom drückt es so aus: «Eine eigentliche Entwarnung kann daher weder für diesen noch den nächsten Winter gegeben werden.» Eine Entwarnung sei etwa denkbar, wenn die französischen Kernkraftwerke und Gas wieder normal und mit hoher Sicherheit verfügbar wären. «Ein sparsamer Umgang mit Energie ist weiterhin angezeigt», sagt Sprecherin Adam.
In die gleiche Kerbe schlägt die Gasindustrie. «Wenn die Speicher im Frühjahr nicht allzu tief abgesenkt sind, sind sie schneller wieder gefüllt bis zur Heizperiode im kommenden Herbst», sagt Hegglin. Die Sicherstellung der Gasversorgung im Winter 2023/24 werde eine Herausforderung. Man müsse davon ausgehen, dass gar kein Gas mehr von Russland nach Europa fliesse.
Die Energieversorgerinnen empfehlen daher weiterhin: duschen statt baden, Stand-by ausschalten oder nur dort heizen, wo sich Menschen befinden.
Mitarbeit: Angelika Gruber
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