Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mit Spannung erwarteter Auftritt
Neue Töne und ein Bekenntnis – das sagte Rösti vor der Strombranche 

Bundesrat Albert Rösti hält am Stromkongress des Verbands Schweizerischer Elektrizitäts­unternehmen in Bern seine erste Rede vor der Branche.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Hier spricht ihn keiner mit falschem Namen an: Zwei Tage nach Albert Röstis erstem internationalem Auftritt am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos tritt der Neo-Bundesrat am Mittwoch erstmals vor die Energiebranche. Am Stromkongress im Berner Kursaal trifft sich alles, was im Energiesektor Rang und Namen hat. Neben Vorträgen und Diskussionen warten die Branchenvertreterinnen und -vertreter vor allem gespannt auf einen Programmpunkt: die Grussrede des neuen Umwelt- und Energieministers Rösti.

Schliesslich steht der neue Uvek-Vorsteher als Erdöllobbyist und Atomkraft-Lippenbekenner unter besonderer Beobachtung. Die Energiestrategie seiner Vorgängerin Simonetta Sommaruga bezeichnete Rösti vergangenen Herbst noch als «gescheitert», sass bis zu seiner Wahl in die Regierung gar im Referendumskomitee gegen das «Stromfressergesetz», wie die SVP den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative nennt.

Küsschen hier, Händeschütteln da

Alle Augen, Kameras und Scheinwerfer richten sich so auf ihn, als Rösti am Eingang des Kursaals auftaucht. Er nimmt sich Zeit, beantwortet zwei Fragen von Journalisten – und bahnt sich ruhig seinen Weg durch die Teilnehmer. Ist da etwa Distanz zu spüren? Nein: ein Küsschen hier, ein Händeschütteln da. Rösti scheint seinen Auftritt zu geniessen.

Vor dem vollen Saal tritt Rösti schliesslich auf die Bühne und begrüsst die Branche als «liebe Freunde». Er wolle sich nicht anbiedern, fügt er hinzu: «Ihre Branche liegt mir am Herzen. Das war schon früher so.» Es brauche nun laufend Kopfsprünge, um die Energiekrise gemeinsam zu meistern.

Wirklich konkret, wohin die Energiereise mit Rösti geht, wird es in der darauf folgenden rund 20-minütigen Rede nicht. Und doch gibt es ein paar überraschende Momente.

«Deutschland erwartet, dass die Solidarität aus Norden und Süden zusammenspielt, was ich nachvollziehen kann.»

Energieminister Rösti

Die Versorgungssicherheit stehe ganz oben auf der Prioritätenliste, sagt Rösti. Darum habe er am WEF auch den Austausch über die weltweite Lage gesucht. Für den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck, der das bilaterale Gasabkommen versenkte, zeigt Rösti Verständnis. «Deutschland erwartet, dass die Solidarität aus Norden und Süden zusammenspielt, was ich nachvollziehen kann.»

Es brauche unbestritten mehr Strom, um das Netto-null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Und dieser soll aus einem Zusammenspiel von Solar- und Wasserkraft entstehen. Ganz in SVP-Manier betont der neue Energieminister die Unabhängigkeit: «Wir sind zu stark von Stromimporten abhängig», sagt Rösti. Es brauche mehr einheimischen Strom, das verschaffe der Schweiz auch mehr Souveränität.

Am Montag verhandelte der neue Energieminister noch am WEF um ein bilaterales Gasabkommen, am Mittwoch spricht er erstmals vor der Energiebranche. 

Neue Töne schlägt der Bundesrat aber gegenüber seiner Vorgängerin an. Er lobt Simonetta Sommaruga gar: «Sie hat mit ihren Mitarbeitenden viel Vorarbeit geleistet.» Schliesslich sei viel gemacht worden, «damit wir uns heute in einer etwas entspannteren Situation befinden können».

Rösti spricht weder von einer gescheiterten Energiestrategie, noch deutet er an, den eingeschlagenen Weg über den Haufen werfen zu wollen. Seine Vorgabe ist klar: Er will den Ausbau von Solar- und Wasserkraftwerken sowie die Versorgungssicherheit über den Landschaftsschutz stellen. «Es ist klimafreundlich und nachhaltig, wenn wir diesen Weg gehen», so Rösti. Und er verglich sich mit einem Bergläufer. Zwar seien die Berner gerne etwas gemächlicher unterwegs. «Aber in diesem Amt will ich Berner Oberländer sein und steil nach oben gehen.»

Ruf nach «gewisser Technologie­offenheit»

Nur in einem Punkt bleibt der Energieminister vage: die Zukunft der Kernkraft. Rösti appelliert, dass die verbliebenen Kernkraftwerke nicht wegen teurer Nachrüstungsinvestitionen «unnötig früh» abgeschaltet würden. Er fordert ganz im SVP-Jargon eine «gewisse Technologieoffenheit». Schliesslich wüssten wir heute nicht, wie sich eine «gewisse Technologie» in den nächsten 20 bis 30 Jahren entwickeln werde.

Dass Rösti mit seiner Position schwammig bleibt, ist wenig überraschend. Schliesslich weht ihm seitens der Linken und der Klimaaktivisten viel Gegenwind entgegen. Das sei ihm bewusst, sagt der Bundesrat zum Schluss seines Auftritts. Mit seinen Gegnerinnen und Gegnern wolle er «pragmatisch» vorgehen. Man müsse alle Interessen berücksichtigen und gemeinsam Prioritäten definieren.

Die Chefs der grossen Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW streuen Rösti nach seinem Auftritt regelrecht Rosen.

Vonseiten der Energiebranche ist beim ersten grossen Auftritt des neuen Ministers keine Skepsis zu spüren. «Der Vorteil von Herrn Bundesrat Rösti ist, dass er die Energiethematik sehr gut kennt», sagt Michael Wider, Präsident des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, am Rande des Kongresses. «Wir werden sicher sehr rasch gut miteinander sprechen können über die zukünftigen Herausforderungen.» Und die seien nicht politisch gefärbt, sondern stellten sich übergreifend für die gesamte Gesellschaft.

Die Präsidenten der drei grossen Stromkonzernen Axpo, Alpiq und BKW streuen Rösti nach seinem Auftritt regelrecht Rosen. Alpiq-Präsident Johannes Teyssen fand seine Rede vor der Branche nach nur 18 Tagen im Amt mutig. «Er hat kein heisses Eisen ganz vermieden, ohne sich zu stark aus dem Fenster zu lehnen», sagte er. BKW-Präsident Roger Baillod gefiel, dass Rösti in seiner Rede schnelle Bewilligungsverfahren für neue Energieprojekte versprach. Und Axpo-Präsident Thomas Sieber findet es toll, dass Rösti neben einem strammen Tempo beim Energieausbau auch betont hat, dass er diesen mit der Branche gemeinsam machen wolle.