Bezahlbare WohnungenDie SP will die Mieten einfrieren
Die Mietpreise sollen nicht mehr steigen dürfen, auch nicht wegen höherer Zinsen. Dies verlangt ein Fraktionsvorstoss der Sozialdemokraten. Er sieht freilich eine bemerkenswerte Ausnahme vor.
«Wir befinden uns in einer dramatischen Situation», mahnt Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP. Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen könnten sich immer weniger leisten, weil ihr Lohn wegen der Inflation immer weniger wert sei. Hinzu kommen die Krankenkassenprämien, die überdurchschnittlich aufschlagen und von der Teuerungsstatistik nicht erfasst werden. Da ertrage es nicht auch noch eine Mietpreiserhöhung, so Wermuth. Er warnt vor «massiven sozialen Verwerfungen» – und verlangt Massnahmen, um die Kaufkraft zu schützen. (Lesen Sie dazu: Steigende Mieten bringen 1 Million Menschen in Bedrängnis.)
Konkret hat seine Partei zwei Fraktionsvorstösse eingereicht. Der erste fordert nicht weniger als ein Mietpreismoratorium. Es soll vorübergehend gelten, bis eine staatliche Kontrolle der Mieten eingeführt wird, was die SP mit ihrer zweiten Fraktionsmotion verlangt.
Vermieter zu Gesetzestreue zwingen
Ein solches Moratorium hätte weitreichende Folgen. Die Vermieter dürften vorderhand nicht mehr Geld verlangen für ihre Wohnungen – auch nicht, wenn wie erwartet im Sommer der Referenzzinssatz steigt und damit vielerorts eine Mietzinsanpassung um rund drei Prozent anstünde. Eine solche Erhöhung wäre gemäss dem Vorstoss der SP nur noch dann zulässig, wenn der Vermieter beweisen kann, dass er bisher keinen missbräuchlichen Ertrag erzielt hat. Eine bemerkenswerte Ausnahme.
Die SP zielt damit auf einen Systemwechsel. Wenn Mietende heute den vereinbarten Mietzins für gesetzeswidrig halten, müssen sie ihren Vermieter vor Gericht zerren. Das machen freilich die allerwenigsten. Die meisten sind damit einverstanden, was sie im Vertrag unterschrieben haben. Nicht einmal jede hundertste Anfangsmiete landet vor Gericht. Dadurch können Hauseigentümer auch Mietpreise durchsetzen, die eine höhere Rendite zulassen als vom Gesetz vorgesehen.
«Ein Gesetz, das in derart stossender Weise nicht durchgesetzt wird, ist inakzeptabel.»
Die Mietenden haben daher laut der SP allein im Jahr 2021 über 10 Milliarden Franken zu viel bezahlt. Über die letzten 15 Jahre seien es gar insgesamt 78 Milliarden Franken, was «volkswirtschaftlich massiv schädlich» und «ordnungspolitisch unhaltbar» sei. Die Zahlen sind freilich umstritten.
Die SP will nun die Vermieter nun zwingen, von sich aus darzulegen, wie sie die Miete berechnet haben. Machen sie dies nicht oder verstösst der Mietpreis gegen die gesetzlichen Vorgaben, soll das Moratorium gelten. Einzig bestimmte Wohnungskategorien wie Luxuswohnungen könnten davon ausgenommen werden. Ab wann eine Wohnung zu dieser Kategorie zählt, hat die SP nicht im Detail spezifiziert. Wermuth spricht von extrem teuren und grosszügigen Wohnungen. Das Moratorium soll dagegen Haushalte mit tiefen oder mittleren Einkommen schützen.
Munition für den Wahlkampf
Laut dem Co-Präsidenten steht die SP geschlossen hinter dieser Forderung. Es dürfte freilich nicht ganz einfach werden, ausserhalb der Partei genügend Unterstützerinnen und Unterstützer zu finden, damit der Vorstoss mehrheitsfähig wird. Bei den Bürgerlichen stossen die Sozialdemokraten wohl auf Granit.
Sie dürften sich jedoch sagen: Bringen wir die Forderung nicht durch, hilft sie uns wenigstens im Wahlkampf. Denn die mangelnden Wohnungen und die steigenden Mieten beschäftigen viele Schweizerinnen und Schweizer. Gut möglich, dass sie im Herbst zu einem der grossen Wahlkampfthemen werden.
Entsprechend nimmt die SP auch nochmals Anlauf für eine staatliche Mietkontrolle. Die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran hatte bereits vor zwei Jahren verlangt, eine solche schweizweit einzuführen. Doch der Nationalrat liess Badran mit 105 zu 82 Stimmen abblitzen. Nun versuchen es die Sozialdemokraten mit einer milderen Variante: Der Bund soll das Gesetz so anpassen, dass es Kantonen und Gemeinden erlaubt, von sich aus staatliche Mietkontrollen durchzuführen.
Die SP denkt dabei an periodische und punktuelle Revisionen, wie sie bei der AHV und bei den Steuern bereits heute stattfinden. Davon versprechen sich Badran und ihre Partei eine grosse präventive Wirkung.
Heute seien viele Mieten mangels solcher Kontrollen missbräuchlich. Nicht selten würden Renditen von über 10 Prozent erzielt – statt der 3,25 Prozent, die das Gesetz gegenwärtig maximal erlaube. «Ein Gesetz, das in derart stossender Weise nicht durchgesetzt wird, ist inakzeptabel», ärgert sich Badran. Wenigstens Gemeinden, Städten und Kantonen, die besonders stark unter den hohen Mieten leiden, müsse der Bund daher Mietpreiskontrollen erlauben.
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