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Meinung

Analyse zur Botschafterin im Tschador
Die Schweiz ergreift eindeutig Partei für das Mullah-Regime 

Die Schweizer Botschafterin Nadine Olivieri Lozano bei ihrem Besuch im iranischen Qom mit einem Mullah.
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Die iranische Diaspora in der Schweiz ist in Aufruhr. Die höchste Schweizer Vertreterin in Teheran, Botschafterin Nadine Olivieri Lozano, hat im Vollschleier – dem Tschador – eine religiöse Stätte im Iran besucht. Dann hat sie Fotos von sich schiessen lassen, die das Regime zu Propagandazwecken nutzt.

Im Kontext der Ereignisse in letzter Zeit ist das ein verstörendes Signal. Seit fünf Monaten begehren die Menschen im Iran gegen das Regime auf. Am Anfang des Aufstandes stand die Zwangsverschleierung. Eine junge Frau – die 22-jährige Jina Mahsa Amini – wurde von der Sittenpolizei zu Tode geprügelt, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen haben soll. Sie hatte es also nicht so vorschriftsgemäss wie die Schweizer Botschafterin im Iran getragen.

Das war der Funke, der ein Feuer von monatelangen und landesweiten Protesten entfachte. Mit äusserster Brutalität und unter Missachtung grundlegender Menschenrechte versucht die Regierung seither, ihre Macht zu erhalten. Vorsichtigen Schätzungen zufolge hat das Mullah-Regime bereits 500 Protestierende umgebracht und 20’000 verhaftet.

Immer heisst es vonseiten des Bundes, dass man «den Dialog fördern» wolle. Das Aussendepartement sagt auf Anfrage, dass bei Olivieri Lozanos Besuch der religiösen Stätte «das dort geltende Bekleidungsprotokoll für Frauen eingehalten» wurde. Und selbstverständlich würde sich die Schweiz für die Menschenrechte starkmachen. Aber das muss vor dem Hintergrund ihrer handfesten Politik als blosses Lippenbekenntnis betrachtet werden. 

Es handelt sich nicht um Fettnäpfchen oder um eine neutrale Aussenpolitik. Die Schweiz ergreift eindeutig Partei für das Mullah-Regime.

Erst hat die Schweiz die Sanktionen der Europäischen Union gegen den Iran aufgrund der Menschenrechtsverbrechen nicht übernommen. Dann schickte Bundespräsident Alain Berset den Mullahs freundliche Glückwünsche zum 44. Jahrestag. Und nun gehen die Bilder der Schweizer Botschafterin im Tschador um die Welt. Keine andere westliche Demokratie verfolgt derzeit eine ähnlich iranfreundliche Politik wie die Schweiz. Vielleicht will die Schweiz ihre Schutzmachtmandate nicht gefährden (sie vertritt die Interessen der USA im Iran und jene des Iran in Ägypten). Oder sie meint, dass das Regime die Proteste übersteht. Jedenfalls handelt es sich nicht um Fettnäpfchen oder um eine neutrale Aussenpolitik. Die Schweiz ergreift eindeutig Partei für das Mullah-Regime.

Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil sogar das Schweizer Parlament seit Monaten immer wieder den Bundesrat zu einem Kurswechsel gegenüber dem Iran auffordert. Nächsten Montag dürfte eine Mehrheit des Nationalrats eine Erklärung «für Menschenrechte und Demokratie im Iran» verabschieden. Die grosse Kammer setzt damit den Bundesrat unter Druck und fordert den Nachzug aller EU-Sanktionen gegen die Islamische Republik. Die Erklärung, sollte sie durchkommen, hat zwar keine bindende Wirkung, doch sie ist ein weiteres starkes Zeichen aus dem Nationalrat.

Der Bundesrat und die offizielle Schweiz muten heuchlerisch an, wenn sie einerseits von Menschenrechten sprechen und andererseits den Mullahs den Hof machen. Dieselben Mullahs, die friedliche junge Frauen und Männer hinrichten lassen, weil sie ein wenig Freiheit verlangen. Das rätselhafte Verhalten der Schweiz erscheint als verstörender Opportunismus. Es ist notwendig, dass das Schweizer Parlament den Bundesrat ein wenig Rückgrat lehrt. Denn von allein schafft er das offenbar nicht.