Sanktionen gegen IranVor dieser Premiere fürchtet sich der Bundesrat
Die Schweiz sanktioniert den Iran für die Lieferung von Kampfdrohnen an Russland, im Fall der Tötung von Mahsa Amini zögert der Bundesrat noch. Wie kann das sein?
Die EU hat entschieden, die Schweiz zieht kurz darauf ohne grosse Diskussionen nach: Seit Dienstag sanktioniert auch sie den iranischen Drohnenhersteller Shahed Aviation Industries sowie drei ranghohe Militärs. Der Grund sind die Lieferung von Kamikazedrohnen an Russland und deren Einsatz gegen die Ukraine. Den Entscheid konnte das Wirtschaftsdepartement allein fällen. Der Bundesrat hat bereits im Frühjahr festgelegt, dass die Schweiz die EU-Sanktionen wegen des Kriegs in der Ukraine grundsätzlich übernimmt.
Die EU hat entschieden und die Schweiz zögert seit zwei Wochen: Im Fall der elf Personen und der vier Organisationen, die die EU wegen ihrer Rolle beim Tod der Iranerin Mahsa Amini und der gewaltsamen Niederschlagung von Demonstrationen sanktioniert hat, ist ein Entscheid weiterhin hängig. Ein Austausch zwischen den Departementen wurde angeordnet. Es ist offen, ob sich der Gesamtbundesrat am Mittwoch mit dem Fall befasst. Sowohl innen- als auch aussenpolitische Interessen müssten berücksichtigt werden, teilt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit.
Gesetz erlaubt Iran-Sanktionen
Der Bundesrat habe in beiden Fällen das Recht, die Sanktionen der EU nachzuvollziehen, sagt der emeritierte Berner Rechtsprofessor Thomas Cottier. Das Embargogesetz sehe dies vor. Trotzdem ist der zweite Fall für die Schweiz heikler.
Konkret: Wegen der gewaltsamen Reaktion auf die Proteste im Iran würde die Schweiz erstmals sogenannte thematische Menschenrechtssanktionen der EU übernehmen. Cottier spricht von einem richtungsweisenden Entscheid. Vergleichbare Sanktionen gegen andere Staaten, die auf ihrem Gebiet Menschenrechte nicht einhalten, könnten folgen.
Seit eineinhalb Jahren schiebt der Bundesrat einen Entscheid zu China vor sich her. Im Frühjahr 2021 hatte die EU Sanktionen gegen vier Personen und eine Organisation erlassen – im Zusammenhang mit der Unterdrückung der Uiguren. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe wurde eingesetzt. Dazu, ob die Übernahme überhaupt noch geprüft wird, wollte sich das Seco am Dienstag nicht äussern.
Angst vor der Reaktion Chinas
Sagt der Bundesrat Ja zur Übernahme von Menschenrechtssanktionen gegen Iran, könnte er das Ignorieren der EU-Sanktionen gegen China kaum mehr begründen. Doch ein Sanktionsentscheid gegenüber China könnte weitreichende Folgen für die Schweiz haben. China ist der drittgrösste Handelspartner, Iran in dieser Beziehung kaum von Bedeutung. Auch weil die Schweiz seit vielen Jahren die Sanktionen der UNO und zum Teil auch jene der EU wegen des iranischen Atomprogramms mitträgt.
Allerdings vertritt die Schweiz als Schutzmacht den Iran gegenüber mehreren Staaten. Vor allem bürgerliche Politiker sehen diese Mandate durch einen Sanktionsentscheid in Gefahr. SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Fabian Molina spricht dagegen vor einer «vorgeschobenen Debatte». Das zeigten auch die Sanktionen gegen Russland. Moskau bezeichne die Schweiz zwar als «unfreundlichen Staat», nutze deren Dienste als Schutzmacht in Georgien aber weiterhin.
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