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Heikler Entscheid steht an
Zieht der Bundesrat bei den Sanktionen gegen China nach?

Wer derzeit China kritisiert wie die Schweiz oder gar Sanktionen ergreift wie die EU, wird mit heftigen Reaktionen eingedeckt. 
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Das Verhältnis der Schweiz zu China droht weiter zu eskalieren. Erst am letzten Freitag hat der Bundesrat seine Rhetorik gegen die eklatanten Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung verschärft. Jetzt, fünf Tage später, steht er bereits vor der Frage, ob er den kritischen Tönen Taten folgen lässt. Konkret: ob er gegen den drittgrössten Handelspartner der Schweiz Sanktionen ergreift.

Vor diese heikle Entscheidung gestellt wird der Bundesrat durch die Europäische Union. Diese hat am Montag zum ersten Mal seit dem Tiananmen-Massaker vor 30 Jahren Strafmassnahmen gegen China erlassen. Auch wenn diese Sanktionen vorerst eher symbolischer Natur sind, sendet Brüssel damit ein bedeutendes Signal gegen die chinesische Regierung aus. Nun muss die Schweiz entscheiden, ob und wie sie mitzieht.

Knifflig wird dieser Entscheid angesichts der harten Linie, die China fährt. Am Montag hat der chinesische Botschafter in Bern die Schweiz bereits heftig attackiert, obwohl der Bundesrat bisher erst verbale Kritik geäussert hat. Im Interview mit dieser Zeitung warf Wang Shihting dem Bundesrat vor, «unbegründete Anschuldigungen» und «Fake News» gegen sein Land zu verbreiten (lesen Sie  hier das ganze Interview).

Nur Light-Sanktionen – oder richtige?

Doch von Peking wollen sich viele National- und Ständeräte nicht einschüchtern lassen. Bis weit ins bürgerliche Lager hinein fordern sie, dass sich die Schweiz an die Seite der EU stellt. «Eine konsequente Position der Schweiz gegenüber Menschenrechtsverletzungen in allen Ländern und auch in China ist für mich zwingend», sagt der Mitte-Ständerat Beat Rieder. Das Mindeste sei, dass die Schweiz Umgehungsgeschäfte der EU-Sanktionen verhindere. Selbst eine volle Übernahme der EU-Sanktionen mag Rieder nicht a priori ausschliessen – dafür müsse man diese aber noch genauer analysieren.

Auch Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) fordert: «Der Bundesrat muss Massnahmen ergreifen, damit die Chinesen die Sanktionen nicht über die Schweiz umgehen.» Das wären zwar nur eine Art Sanktionen light – ein solcher Schritt würde von China aber wohl trotzdem als unfreundlicher Akt registriert. Ein solches Vorgehen hat die Schweiz schon 2014 gewählt, als die EU wegen der Annexion der Krim Sanktionen gegen Russland ergriffen hat.

«Jetzt muss der Bundesrat genau evaluieren, ob er sich den Sanktionen anschliesst.»

Damian Müller, Präsident der aussenpolitischen Kommission des Ständerats

Eher richtige als bloss Light-Sanktionen will FDP-Ständerat Andrea Caroni. «Vor dem Hintergrund, was China derzeit mit den Uiguren, den Tibetern und mit Hongkong macht, bin ich dazu geneigt, Sanktionen gegen China zu unterstützen.» Darin bestärkt fühlt sich Caroni durch «den propagandistischen und wenig diplomatischen Auftritt des chinesischen Botschafters».

Die scharfe Rhetorik des Botschafters hat auch Caronis Parteikollegen Damian Müller, den Präsidenten der aussenpolitischen Kommission des Ständerats, sehr irritiert: «Jetzt muss der Bund genau evaluieren, ob er sich den Sanktionen anschliesst oder zumindest alles in die Wege leitet, damit die EU-Massnahmen nicht via Schweiz umgangen werden können.»

«Lackmustest für die China-Strategie»

Links der Mitte ist der Ruf nach Sanktionen naturgemäss noch lauter. «Die Chinesen verstehen nur klare Ansagen», sagt SP-Nationalrat Fabian Molina. «Nach den schweren Menschenrechtsverletzungen muss die Schweiz reagieren, sonst verliert sie ihre Glaubwürdigkeit.»

Auch Sibel Arslan (Grüne) plädiert für eine volle Übernahme der Sanktionen. «Zumindest sollten wir dafür sorgen, dass es nicht zu Umgehungsgeschäften kommt.» Für Angela Mattli von der Gesellschaft für bedrohte Völker ist die Sanktionenfrage «der erste Lackmustest, ob der Bundesrat seine neue China-Strategie wirklich ernst meint und diese international tragfähig ist».

Zuständig für das heisse Sanktionsdossier ist das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Departement von Bundespräsident Guy Parmelin (SVP). Dieses hat noch keinen Entscheid gefällt. «Aber eine allfällige Übernahme dieser sogenannten thematischen EU-Menschenrechtssanktionen im Rahmen des Embargogesetzes wird derzeit bundesintern diskutiert», sagt Seco-Sprecher Fabian Maienfisch.

Es gibt jedoch auch Stimmen, die dezidiert vor einer Übernahme der EU-Sanktionen warnen. SVP-Nationalrat Roger Köppel schreibt auf Twitter: «Das Letzte, was die Schweiz brauchen kann, ist Ärger mit China. Neutral bleiben! Aufhören mit diesem streitsüchtigen unschweizerischen Moralismus!» Zu allfälligen Sanktionen sagt Köppel auf Anfrage: «Das wäre Wahnsinn!»


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Rudolf Minsch, der Chefökonom von Economiesuisse, sagt, Sanktionen seien «vor allem für die Galerie und kontraproduktiv». Die Schweiz solle über bilaterale Gespräche und über internationale Organisationen versuchen, Einfluss auf die Menschenrechtssituation zu nehmen.

«Im Kern gründet die grosse Zurückhaltung der Schweiz auf einem extensiven Verständnis der Neutralität, das seine Wurzeln im Kalten Krieg hat.»

Jörg Künzli, Professor für Völkerrecht an der Universität Bern

Seit ihrem Beitritt zur UNO ist die Schweiz völkerrechtlich dazu verpflichtet, Sanktionen des Sicherheitsrats mitzutragen. Bei EU-Sanktionen hingegen entscheidet der Bundesrat von Fall zu Fall. Die Schweiz hat in der Vergangenheit immer wieder mal Massnahmen ergriffen, um in den Augen anderer europäischer Staaten nicht als «Sanktionsbrecher» dazustehen. So erliess der Bundesrat 2014 mit der sogenannten Ukraine-Verordnung Bestimmungen, die verhindern sollten, dass EU-Firmen via die Schweiz die EU-Sanktionen umgehen.

Kritisch beurteilt wird die Sanktionspolitik der Schweiz von Jörg Künzli, Professor für Völkerrecht an der Universität Bern: «Nachdem der Bundesrat Anfang dieses Jahrtausends den Grundsatz gefällt hatte, EU-Sanktionen zu übernehmen, weicht er seit 2014 wieder von dieser Haltung ab.» Im Kern, sagt Künzli, «gründet die grosse Zurückhaltung der Schweiz auf einem extensiven Verständnis der Neutralität, das seine Wurzeln im Kalten Krieg hat.»

«Schweiz entscheidet selber»

Die EU verzichtet derweil darauf, die Schweiz unter Druck zu setzen – zumindest in der Öffentlichkeit. Zwar erklärte ein EU-Sprecher in Brüssel auf Anfrage, Sanktionen seien natürlich wirkungsvoller, wenn sie durch so viele Partner wie möglich angewendet würden. «Die Schweiz hat jedoch eine autonome Sanktionspolitik und entscheidet selber, ob sie ähnliche Sanktionen ergreifen will.»