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Schweiz wählt neues Parlament
Zwei Rekorde bereits gebrochen – die wichtigsten Antworten kurz vor der Entscheidung

Partei Giveaways anlaesslich der Eidgenoessischen Parlamentswahlen 2023, fotografiert am Dienstag, 12. September 2023 in Bern. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Die Schweizer Stimmberechtigten sind aufgerufen, alle Mitglieder der beiden Parlamentskammern neu zu wählen: 200 Personen für den Nationalrat und 46 für den Ständerat. Diese 246 Frauen und Männer werden die nächsten vier Jahre im Parlament die Gesetze machen. Beim Ständerat sind es zwei Vertreter pro Kanton, im Nationalrat haben die 26 Kantone je nach Bevölkerungsgrösse einen (z.B. Glarus) bis 36 Sitze (Zürich) zugute.

Früher stand die FDP einsam an der Spitze – aber längst verzeichnen SVP und SP einen höheren Wähleranteil. Dieses Jahr könnte nun auch Die Mitte die Freisinnigen überholen. Das wäre symbolisch wichtig, weil die frühere CVP historisch immer mit der Rolle der Juniorpartnerin vorliebnehmen musste. Interessant ist es auch, weil die FDP in den letzten Jahren stets die Bedeutung der Zauberformel für die Zusammensetzung des Bundesrats betont hat. Diese lautet: Die drei grössten Parteien haben zwei Sitze, die viertgrösste einen. Heute ist Die Mitte nur mit Viola Amherd vertreten, während für die FDP Karin Keller-Sutter und Ignazio Cassis in der Regierung sitzen. Diese Verteilung stünde also zur Debatte, falls Die Mitte drittstärkste Partei würde. 

Dieses Jahr gab es kein einzelnes Thema, das den gesamten Wahlkampf dominierte. In den letzten Wochen standen die Gesundheitskosten im Fokus, weil die Krankenkassenprämien nächstes Jahr erneut stark ansteigen. Primär nutzten dies SP und Mitte für ihren Wahlkampf. Die SVP setzte derweil voll auf ihr Klassikerthema Migration. Sie verknüpfte die Zuwanderung auch mit den steigenden Mieten und der Wohnungsknappheit in den Städten – das zweite Thema, das in diesem Wahlkampf stark präsent war. 

Voraussichtlich die SVP. Gemäss der letzten Umfrage von Leewas im Auftrag von Tamedia und 20 Minuten kann sie 3,1 Prozentpunkte zulegen. Damit hätte sie allerdings das Minus bei den letzten Wahlen (–3,8 Prozentpunkte) noch nicht ganz ausgeglichen. Ein Grund für das Plus dürfte sein, dass es der SVP wieder besser gelungen ist, mit ihrem Kernthema Migration zu mobilisieren. Gleichzeitig könnten die SVP und die anderen bürgerlichen Parteien aber auch von der generellen Unsicherheit profitieren. Seit 2019 folgte eine (internationale) Krise auf die andere: Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise, das Ende der Credit Suisse, die Terroranschläge der Hamas. In Situationen grosser Unsicherheit profitieren oft die Bürgerlichen. Dies zeichnet sich in den Umfragen schon länger ab. Der Konflikt im Nahen Osten könnte dies noch verstärken. 

Die SP und Die Mitte dürften ebenfalls Wähleranteile zulegen. Gemäss Umfragen verliert die FDP zwar leicht an Wähleranteilen, gemäss der Prognose der Tamedia-Redaktion dürfte sie bei der Sitzzahl im Nationalrat aber stabil bleiben. Hier geht es zur detaillierten Prognose dieser Redaktion.

Die Grünen und die Grünliberalen. Beide Parteien haben 2019 stark zugelegt. Nun scheinen die Wählerinnen und Wähler die für Schweizer Verhältnisse enormen Gewinne wieder teilweise zu korrigieren. Die Grünen verbuchen gemäss der letzten Tamedia-Umfrage –2,7 Prozentpunkte, die GLP –0,3. 

Seit der Klimawahl 2019 hat die Stimmbevölkerung den Ausstieg aus den fossilen Energien an der Urne bestätigt. Derweil hat das Parlament in mehreren Vorlagen einen Ausbau der erneuerbaren Energien eingeleitet. Die Grünen und Grünliberalen können das Thema Klimaschutz im Wahlkampf weniger monopolisieren, weil auch andere Parteien an diesen Lösungen mitwirkten. Zudem sorgten sogenannte Klimakleber für Aufsehen. Viele Schweizerinnen und Schweizer gaben in Umfragen an, dass sie sich über deren Aktionen aufregen. Oft wird ein Bezug zwischen dieser Gruppierung und den Grünen hergestellt – was sich nun an der Urne negativ für die Grünen auswirken könnte. Hier lesen Sie mehr zu diesen und weiteren möglichen Gründen für die voraussichtlichen Verluste der Grünen.

Vor vier Jahren stieg der Frauenanteil im Nationalrat von 32 auf 42 Prozent. Vor diesen Wahlen gab es bereits zum zweiten Mal eine Kampagne des überparteilichen Frauenbündnisses «Helvetia ruft». Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, dass Frauen im Parlament gleich gut vertreten sind wie in der Gesellschaft. In fast allen Parteien kandidieren dieses Jahr mehr Frauen als noch 2019. Der Frauenanteil auf den Listen beträgt 41 Prozent. In einzelnen Parteien erhielten die Frauen auch bessere Listenplätze als bei den letzten Wahlen, was ihre Chancen erhöht. Die Veränderung war aber insbesondere bei der SVP gering. Sie ist die Partei, die derzeit den mit Abstand geringsten Frauenanteil hat und damit auch das grösste Potenzial hätte. Daher dürfte der Frauenanteil im Nationalrat dieses Jahr bei weitem nicht so stark ansteigen wie bei den letzten eidgenössischen Wahlen. Denkbar ist auch eine Stabilisierung. 

In der Schweiz haben Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auch abgesehen von den Wahlen Möglichkeiten, auf die Politik Einfluss zu nehmen: via Referenden und Initiativen. Allerdings kommt ein Grossteil der Gesetzesvorhaben nicht vors Volk – weshalb die Wahlen eben doch wichtig sind. In ihrer Wahl-Kolumne schreiben Adrian Vatter und Rahel Freiburghaus von der Universität Bern, warum das Parlament – und damit auch die Parlamentswahlen – wichtiger sind, als manche denken.

In der Schweiz gilt das ungeschriebene Gesetz, dass amtierende Bundesräte nicht abgewählt werden. Meistens halten sich die Parteien daran. Das heisst, dass ein Sitz nur bei einem Rücktritt eines Bundesrats an eine neue Partei gehen kann. Derzeit gibt es nur bei der SP eine Vakanz. Sie hat gute Chancen, zweitstärkste Partei zu bleiben – und stellt auch klar Anspruch auf den Sitz. Die Grünen liebäugeln nach ihren grossen Gewinnen 2019 zwar mit einer Bundesratskandidatur. Sie haben aber noch nicht klar gesagt, ob sie auch einen SP-Sitz angreifen würden. Fallen sie unter die symbolisch wichtige Marke von 10 Prozent Wähleranteil, dürfte der Sitzanspruch auch deutlich schwieriger zu begründen sein. Daneben ist das Rennen zwischen Mitte und FDP interessant. Überholt Die Mitte die FDP, dürfte dies aber auch höchstens mittelfristig Einfluss auf die Zusammensetzung der Regierung haben – und wohl nicht schon bei den Bundesratswahlen am 13. Dezember. 

Es gibt mehrere! So viele Kandidierende wie nie zuvor kandidieren für den Nationalrat, nämlich 5909. Sie tun das auf 618 Listen – auch das ist ein neuer Rekord. Und diese Listen sind in 65 Listenverbindungen verbunden, so viele wie noch nie. Mit solchen Verbindungen wollen sich die Parteien Sitze aus Reststimmen sichern. Das sind Stimmen, die nicht für einen Sitz reichen. Werden die Stimmen von zwei oder mehr Parteien addiert, ist die Chance grösser, einen zusätzlichen Sitz zu verbuchen. (Hier lesen Sie mehr dazu, wie Listenverbindungen funktionieren.) Die vielen Verbindungen führen dazu, dass es in manchen Kantonen schwer prognostizierbar ist, wer sich die Reststimmen-Sitze sichern kann. 

2019 beteiligten sich 45,1 Prozent der Stimmberechtigten an den Wahlen. Das waren weniger als 2015 (–3,4 Prozentpunkte). Dieses Jahr liess sich aufgrund der brieflichen Stimmen im Lauf der Woche noch nicht sagen, ob diesmal noch weniger Personen ihre demokratischen Rechte nutzen oder ob die Wahlbeteiligung wieder leicht steigt. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zeigte, dass die Zahlen der brieflichen Stimmen für die Stadt Zürich am Dienstag gleich waren wie vier Jahre zuvor. In der Stadt Bern war sie leicht tiefer, in Genf dafür höher.

In Zürich ist offen, wer den Sitz von Ruedi Noser (FDP) holen kann. In den Umfragen dominiert zwar Gregor Rutz von der SVP. Er muss aber voraussichtlich in einen zweiten Wahlgang. Falls sich dann einzelne Kandidierende zurückziehen, um Kräfte zu bündeln, könnte der Sitz auch an Regine Sauter (FDP), Philipp Kutter (Mitte), Tiana Angelina Moser (GLP) oder Daniel Leupi (Grüne) gehen.

Spannend wird es auch im Kanton Bern. Dort wird der Sitz von Hans Stöckli (SP) frei. Vermutlich wird das Rennen zwischen Flavia Wasserfallen (SP) und Bernhard Pulver (Grüne) entschieden. Daneben kandidieren Jürg Grossen (GLP), Lorenz Hess (Mitte) und Sandra Hess (FDP). 

Während in Zürich (Daniel Jositsch, SP) und in Bern (Werner Salzmann, SVP) die Bisherigen kaum zittern müssen, ist im Tessin auch eine Abwahl möglich. Dort kandidieren mehrere Polit-Schwergewichte neu für den Ständerat, darunter Alex Farinelli (FDP) und Fabio Regazzi (Mitte). Ein Sitz ist frei (zuvor belegte ihn Marina Carobbio von der SP), aber auch der bisherige Ständerat und SVP-Präsident Marco Chiesa kann sich seiner Wiederwahl nicht sicher sein. Unsere vollständige Prognose zum Ständerat lesen Sie hier

Bei kantonalen Wahlen, etwa in Zürich, konnten Massnahmenkritiker bereits ins Parlament einziehen. Auf nationaler Ebene sind die Chancen etwas geringer, aber trotzdem intakt. Etwa im Kanton Zürich, der bei dieser Wahl einen zusätzlichen Sitz bekommt (vom Kanton Basel-Stadt, Grund dafür ist das Bevölkerungswachstum in Zürich). Hier tritt der Präsident von Mass-voll, Nicolas Rimoldi, an, während Urs Hans für Aufrecht kandidiert. Die beiden Bewegungen sind eine Listenverbindung eingegangen, was die Chancen erhöht, dass einer der beiden Kandidaten den Sprung ins Parlament schafft.