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Papablog: Politische Erziehung
Wie ich meiner Tochter Politik erklärte

Kinder sind die Zukunft: Gerade deshalb sollten Eltern sie beim Urnengang teilhaben lassen.
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Vor kurzem fanden bei uns Wahlen statt. Als ich das dicke Couvert mit dem Werbematerial der Parteien ungeöffnet ins Altpapier werfen möchte, interveniert unsere achtjährige Tochter. Sie studiert die Wahlkampfbroschüren, versucht, die Slogans zu entziffern und kommentiert genüsslich die Köpfe.

Natürlich möchte sie wissen, wofür die verschiedenen Zettel stehen. Also versuche ich, ihr möglichst kindgerecht anhand der Parteifarben die politische Landschaft zu skizzieren:

  • Die Grünen setzen sich für die Natur ein.

  • Die Blauen wollen, dass alle machen können, was sie möchten, und dass es den Firmen gut geht.

  • Die Roten schauen für die Schwächeren und sorgen für mehr Gleichheit.

  • Die Orangen mögen die Kirche und Kompromisse und wenn die Dinge so bleiben, wie sie sind.

Bevor ich zu den Mischungen (blau-grün) und Klein-Parteien (gelb, pink) komme, unterbricht mich die Tochter: «Und welche Farbe hat die Partei mit dem Sünneli? Die sind auch grün, aber das ist ja schon besetzt.» Mein Farbkonzept gerät ins Wanken. «Die kümmern sich um die Schweiz und haben nicht so gerne Ausländer.» Wir einigen uns auf farblos.

Macht politische Frühförderung Sinn?

Als wir am Samstag durch die Stadt an den Ständen der Parteien vorbeiflanieren und sie mit Give-aways überhäuft wird, erinnert sich die Zweitklässlerin nur noch bruchstückhaft an meine farbbasierten Ausführungen. Die Farblosen sitzen, der Rest wankt. So frage ich mich, ob ich sie nicht überfordere, und zweifle an meinem Ziel der politischen Frühförderung.

Wir nehmen die Kinder seit jeher zu Urnengängen mit, weil wir die briefliche Abstimmung meistens verpassen, und erläutern ihnen anhand erlesener Vorlagen, warum der sonntägliche Spaziergang sein muss. Aber die ganze Parteienlandschaft ist nochmals ein anderes Kaliber. Doch mein pädagogischer Idealismus und mein Bürgersinn überwiegen die Bedenken angesichts der chronisch tiefen Stimmbeteiligung. Zudem soll unsere Tochter wissen, dass die Personen, die sie auf dem Wahlflyer bekritzelt und die ihr Schöggeli und Ballone schenken, nicht zur Unterhaltung da sind, sondern politische Interessen verfolgen, die es zu (er)kennen gilt.

Am Ende landet sie mit der alterstypischen Mischung aus einem sich allmählich entwickelnden sozialen Gewissen und viel Sympathie für Law and Order bei den Gelben.

Zu Hause entscheide ich, die Gunst der Stunde, die sich nur alle vier Jahre bietet, für möglichst umfassende Aufklärungsarbeit zu nutzen. Wir setzen uns hin und füllen den Smartvote-Fragebogen aus. Die Heranwachsende zeigt erstaunliche Geduld und Interesse am gemeinsamen Abwägen von Pro und Kontra bei den einzelnen Sachfragen. Am Ende landet sie mit der alterstypischen Mischung aus einem sich allmählich entwickelnden sozialen Gewissen und viel Sympathie für Law and Order bei den Gelben.

Wir holen die Wahlzettel und -listen hervor und beginnen wild zu panaschieren und zu kumulieren. Auswahlkriterien sind neben der Parteifarbe und den Smartvote-Ergebnissen auch Alter, Beruf und Geschlecht. Hinzu kommen ein paar persönliche Bekannte. Für die Regierung schreiben wir auf einer freibleibenden Zeile meinen Namen hin. Das sorgt für Gelächter, aber auch für Bewunderung darüber, dass selbst ich mitmachen könnte.

Kunterbunte Liste

Bezüglich der Wählbarkeit von Parteien und Personen zeige ich mich ungewöhnlich flexibel, versuche aber auch, klare Grenzen zu setzen: Ich wähle säkular und keine fremdenfeindlichen Parteien. Das Ergebnis ist eine kunterbunte Liste, ein pädagogisches Konstrukt ohne eindeutige politische Stossrichtung. Einen wesentlichen Beitrag zur Klimawende habe ich damit nicht geleistet, dafür vielleicht eine Wählerin gewonnen.