Kritik an Konzernverantwortung«Die Haftung wäre eine Bedrohung für jede Mine»
Eine kolumbianische Ökonomin warnt vor der Konzerninitiative. Sie befürchtet, die Vorlage könnte ihr Land zurückwerfen. Hinter der Abstimmung stecke eine globale Strategie der NGOs.
Die Befürworter der Konzernverantwortungsinitiative (hier der Überblick) arbeiten in ihrer Kampagne vor allem mit zwei Beispielen: einem Zementwerk der Schweizer Firma LafargeHolcim in Nigeria und der Kohlemine El Cerrejón im Norden Kolumbiens, an der der Zuger Rohstoffhändler Glencore zu einem Drittel beteiligt ist. Dort soll das Schweizer Unternehmen Flüsse verunreinigt und die Kultur der ansässigen Bevölkerung zerstört haben.
Anschuldigungen gegen internationale Unternehmen seien in Kolumbien an der Tagesordnung, sagt María Clara Escobar Peláez. Die kolumbianische Politikwissenschaftlerin und Entwicklungsökonomin leitet den Thinktank Instituto de Ciencia Política in Bogotá. Diese Anklagen seien Teil einer übergeordneten Strategie von Nichtregierungsorganisationen, ideologisch gegen die Marktwirtschaft anzukämpfen und gleichzeitig Vergleichszahlungen von Unternehmen oder Ländern herauszuholen, wenn diese die Klagen vom Tisch haben wollten.
NGOs wollen Aktivismus exportieren
«Mir scheint, die NGOs wollen diesen Aktivismus mit der Initiative nun in die Schweiz exportieren», sagt Escobar. Die Wissenschaftlerin findet aber, dass die in der Presse präsentierten Fälle – so auch das Beispiel der Kohlemine El Cerrejón – viel zu einfach dargestellt werden.
Die Mine liegt unweit der Grenze zu Venezuela. Die Gegend stehe unter dem Einfluss einer linken Guerilla in Kolumbien. Schmuggel, Drogenhandel, Korruption und Gewalt seien an der Tagesordnung. Die Institutionen der autonomen Region Guajira seien nach jahrzehntelangem Krieg noch zu schwach. «Man darf die Schuld an allem, was schiefläuft, nicht einfach der Mine anlasten», sagt Escobar. Im Gegenteil, die Mine sei ein Stabilitätsfaktor in der Region und schaffe Arbeitsplätze, Infrastruktur, Schulen und Gesundheitsversorgung und mache die Menschen so unabhängiger von korrupter Politik und der Gewalt der Drogenguerilla. Die Mine beschäftige mehr als 10’000 Personen, und darum herum seien Hunderte von weiteren Unternehmen entstanden.
Mehr statt weniger Investitionen
«Um diese Region weiterzuentwickeln, brauchen wir mehr und nicht weniger ausländische Investitionen», findet Escobar. «Und wir brauchen Institutionen, die Eigentumsrechte und Sicherheit garantieren und Korruption und organisiertes Verbrechen bekämpfen.»
Was sagt sie zum Vorwurf von Dick Marty, dem Co-Präsidenten der Initiative, dass Glencore die Schwäche der Institutionen vor Ort ausnütze, um Profit zu machen? Escobar winkt ab. Die Mine werde seit dem Einstieg von Glencore besser und sauberer geführt als vorher und als jede andere. Die Firma habe ihren Verbrauch von Ressourcen stark gesenkt. Sie lege ausführlich Rechenschaft darüber ab, wie die Mine betrieben werde, und werde von nationalen und regionalen Umweltbehörden kontrolliert. «Es sind die multinationalen Unternehmen aus dem Westen, die mit ihren Standards und ihrer Überwachung hier die Situation verbessern, weil sie sich als weltweit tätige Firmen keinen Reputationsschaden leisten können.»
Die Frage, ob Menschenrechte und Umweltstandards für Konzerne nicht gelten sollten, macht Escobar wütend. Menschenrechte und Umweltstandards müssten auch in Kolumbien eingehalten werden. «Wir haben in Kolumbien Gesetze, wir haben internationale Standards, und wir sind der Nachhaltigkeit und dem Umweltschutz verpflichtet», sagt sie. Diese Standards würden von mehreren internationalen Organisationen jährlich überwacht.
Und was würde sich aus kolumbianischer Sicht bei Annahme der Initiative ändern? Vor Ort ändere sich nichts, sagt Escobar bestimmt. «Die Haftung wäre aber eine Bedrohung für jede Mine in Entwicklungsländern, an denen ein Schweizer Unternehmen beteiligt ist», sagt die Wissenschaftlerin, «unabhängig davon, ob das Unternehmen sauber arbeitet und die Umwelt schützt oder nicht.» Ein Gerichtsverfahren in der Schweiz sei ein Risiko, das Investitionen aus der Schweiz behindern werde – besonders in schwierigen Regionen wie Guajira, wo sie am dringendsten benötigt würden. Da Schweizer Firmen zu jenen mit den höchsten Standards gehörten, sei ein Rückzug keine gute Entwicklung, weder für die Menschen in der Region noch für die Umwelt.
«Ich hoffe, dass die Schweiz das kolumbianische Justizsystem respektiert.»
Hinter der Initiative stehe eine globale Strategie der NGOs. Es sei viel profitabler, grosse Unternehmen juristisch anzugreifen als kleinere, weil Erstere von Reputationsschäden stärker betroffen seien. «Und das in der Schweiz statt in Kolumbien zu tun, ist viel besser, weil es dort leichter ist, Empörung zu schüren und das Unternehmen zu erpressen – auch weil es für die Firma schwierig ist, zu beweisen, dass die Vorwürfe falsch sind.»
Und was hält sie vom Vorwurf der Initiativgegner, dass die Initiative kolonialistisch sei, weil Schweizer Gerichte kolumbianische Fälle beurteilen würden? Das sehe sie genauso. «Ich hoffe, dass die Schweiz das kolumbianische Justizsystem respektiert», sagt Escobar, «auch wenn es vielleicht nicht immer perfekt ist.» Die Einmischung eines anderen Landes werde die Institutionen in Kolumbien eher destabilisieren und die Rechtsstaatlichkeit schwächen. «Das kann nicht das Ziel der Schweiz sein.»
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