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Zoom: Reto Camenisch
«Die Dunkelheit im Schutz der Dunkelheit ertragen»

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Mitten in der Nacht beschliesst Reto Camenisch, die Bilder zu verbrennen. In der Kartonbox vor ihm liegen rund 80 analoge Schwarzweissfotografien, Bilder, die er aus einem inneren Drang heraus «machen musste». Und doch gelingt es ihm nicht, sie «intellektuell einzuordnen». Seit 2012 arbeitet er an dieser Serie. Jetzt will er sie für «ungültig» erklären – doch warum eigentlich? Es ist diese Frage, die ihn von seinem Vorhaben abhält. Stattdessen übermalt er die Fotografien mit Kohlestaub.

Bäume, die sich in der Erde festkrallen, Blumen, die wie zum Abschied winken, Friedhofskreuze, die den Himmel durchschneiden: In seinem Bildband «Das vierte Drittel und die Poesie der Angst» wirken die Motive nun wie Schatten ihrer selbst – und enthüllen dabei eine ganze eigene Wahrheit.

«Erste Erfahrungen mit dem Tod machte ich schon als ganz kleiner Junge», schreibt er im Vorwort. Sein Vater starb im Alter von 36 Jahren an den Folgen eines Jagdunfalls in den Glarner Bergen. Seither ist der Tod für ihn ein Lebensthema.

Der 1958 in Thun geborene Fotograf, der bis vor kurzem den Studiengang Pressefotografie an der Schweizer Journalistenschule MAZ leitete, entschied sich bewusst gegen eine Karriere als Reportage- und Werbefotograf, lieber war er mit seiner sperrigen Grossbildkamera etwa im Himalaja unterwegs, um dem Ungesehenen seine Aufmerksamkeit zu schenken.

Im Sommer 2019 rückt der Tod dann ganz nah an ihn heran: Camenisch erhält eine Krebsdiagnose. «Es blieb ein grosser, leerer, in spärlichem Licht inszenierter Raum»: So beschreibt er die darauf folgende Orientierungslosigkeit.

Ein Haus wie eine Fata Morgana mitten im nachtdunklen Dschungel. Ein karg eingerichtetes Zimmer, auf dem Bett ein aufgeklapptes Buch: Nach einigen operativen Eingriffen und Therapien begibt sich Camenisch in eine sechswöchige Therapie in ein Ayurveda-Hospital in Südindien. Hier versucht er «das Dunkle im Schutze der Dunkelheit zu ertragen». Doch allmählich verändert sich seine Wahrnehmung. Er entdeckt die Kraft der Farben, fotografiert haarige Landschaften und bunte Strassenszenen.

Ein gefühliges Werk, das sich rein um die eigene Krankheit und Heilung dreht, ist der Bildband jedoch keineswegs. Diese war für Camenisch vielmehr Auslöser für eine fotografische Beschäftigung mit sich selbst, um «ein neues Sehen zu erkunden».