«Arena» zur OECD-SteuerreformDie Badran-Show: Sogar eine brisante Recherche lässt sie kalt
Jacqueline Badran kämpft gegen die aktuelle Steuervorlage. Nur machte sie sich vor kurzem noch für eine Stimmfreigabe stark. In der SRF-«Arena» dominiert sie alle – zumindest rhetorisch.
Welche Aspekte am interkantonalen Finanzausgleich sind ungerecht? Welche methodischen Probleme hindern den Bund daran, seriösere Einnahmeprognosen für den Fall einer Annahme der Vorlage zu machen? Und führt die EU die geplante Steuerreform wegen einer Klage wegen der sogenannten Tonnage-Tax möglicherweise doch später ein als geplant?
Die SRF-«Arena» zur Volksabstimmung vom 18. Juni über die OECD-Mindeststeuer (hier kommen Sie zu unserem Dossier zur Vorlage) hätte eine der trockensten dieses Jahres werden können. Der Satz steht im Konjunktiv II, der Grund dafür heisst Jacqueline Badran.
Die Zürcher SP-Nationalrätin legte am Freitagabend einen ihrer gewohnt spektakulären Auftritte hin. «Ist es müssig, zu fragen, wie Milliarden von Franken in diesem Land verteilt werden? Ich finde das nicht müssig. Das ist eine absolut gute Frage», griff sie ihre Kontrahenten gleich zu Beginn an, die nicht im Detail darüber sprechen wollten, wie hoch die Mehreinnahmen pro Kanton ausfallen werden.
Ist die Vorlage eine «Lex Zug»?
Der Hauptkritikpunkt der SP an der Vorlage ist, dass nach dem Willen von Bundesrat und Parlament erstens die Sitzkantone der Firmen mit 75 Prozent der Zusatzeinnahmen viel Geld erhalten würden, der Bund mit 25 Prozent dagegen zu wenig. Zweitens würden Kantone wie Zug und Basel-Stadt dank ihrer tiefen Steuern und hohen Dichte an betroffenen Konzernen deutlich mehr Einnahmen generieren als die anderen Kantone.
Die Partei setzt sich darum für ein Nein ein und fordert eine neue Vorlage mit einer 50/50-Verteilung zwischen Kantonen und Bund. Badran spricht zudem von einer Deckelung der Mehreinnahmen pro Kanton bei 400 Franken pro Kopf: Alles, was Kantonen wie Zug und Basel dabei entgehe, solle an die anderen Kantone umverteilt werden.
«Jetzt fliesst alles nach Zug, die aktuelle Vorlage ist eine Lex Zug, und das akzeptieren wird nicht», schoss sich Badran ein erstes Mal auf den Tiefsteuerkanton ein und zielte kurz darauf auf dessen zuständigen Regierungsrat: «Die Finanzdirektoren inklusive Bundesrat Ueli Maurer haben sich von Heinz Tännler über den Tisch ziehen lassen.»
«Die Umsetzung hätte man etwas besser machen können, ja. (…) Aber diese, die ist okay.»
Unterhaltungstechnisch spielt Badran in Bundesbern spätestens seit dem Rücktritt von SVP-Bundesrat Ueli Maurer in einer eigenen Liga. Die SP wird ein Problem haben, wenn sie dereinst nicht mehr politisieren sollte. Noch schmerzhafter jedoch werden sie dann jene SRF-Angestellten vermissen, die die Gästeliste für die «Arena» zusammenstellen.
Diese Qualitäten bedeuteten allerdings nicht automatisch, dass Badran Punktsiegerin des Abends geworden wäre. Zwischenzeitlich musste man sich im Publikum sogar fragen, ob sie gleich k.o. gehen würde, als Moderator Sandro Brotz sie kritisch befragte.
Die SRF-Redaktion hatte ausgegraben, dass Badran sich im Februar, als die SP-Basis über die Parole für die Abstimmung befand, für eine Stimmfreigabe eingesetzt hatte. In einem eingespielten Video war zu sehen, wie Badran warb: «Die Umsetzung hätte man etwas besser machen können, ja. (…) Aber diese, die ist okay.»
Parlament kann nochmals drüber befinden
Heute will Badran das nicht mehr gelten lassen. «Ich hatte zu jener Zeit noch die Hoffnung, dass man die Verteilungsfrage später bei der gesetzlichen Umsetzung nochmals anschauen könne», verteidigte sie sich. Die Verteilung 75/25 gilt, so das Volk denn in zwei Wochen zustimmt, vorerst bloss im Rahmen einer Verordnung. Danach darf sich das Parlament – und bei einem Referendum das Volk – in maximal sechs Jahren nochmals damit befassen.
«Aber ich habe einen Denkfehler gemacht», sagte Badran weiter. «Wenn wir das jetzt absegnen, kann das Parlament das nicht mehr drehen. Dann kommen alle mit dem Argument, die Stimmbevölkerung habe damals klar Ja (zur Verteilung 75/25; d. Red.) gesagt.» Noch wichtiger sei für ihren Sinneswandel allerdings gewesen, dass unterdessen klar geworden sei, was einige Kantone – insbesondere Zug – mit den zusätzlichen Einnahmen vorhätten. (Hier finden Sie unsere Berichterstattung zu dieser Frage.)
Es lässt sich zusammenfassen: Badran taumelte, jedoch fiel nicht. Und teilte kurz darauf wieder aus, wie immer heftig gestikulierend, mittlerweile schwitzend, fleissig sekundiert von Gewerkschaftsökonom Daniel Lampart.
Eine Gegenseite zu Badran (und Lampart), also ein Pro-Lager, gab es auch noch. Sie bestand aus Karin Keller-Sutter, freisinnige Finanzministerin, und Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen.
Keller-Sutters Rolle ist schnell erzählt. Sie wiederholte und wiederholte, dass es zuerst ein Ja zur Vorlage brauche, um überhaupt Zusatzeinnahmen zu erhalten, und warum die derzeit geplante Verteilung die richtige sei: nämlich weil die Kantone besser als der Bund für ihre Standortattraktivität sorgen könnten, und mit diesem Verhältnis mehr Geld in den Finanzausgleich fliesse.
Keller-Sutter blieb cool, als Moderator Brotz sie in die Mangel nahm. Nach einer Publikation der «Wochenzeitung» war sie vergangene Woche in die Kritik geraten: Sie habe im Abstimmungskampf nicht offengelegt, Szenarien für den Fall einer Ablehnung in der Tasche gehabt zu haben.
«Es wäre unredlich und undemokratisch, wenn der Bundesrat das Volk um ein Ja zur Vorlage bäte und gleichzeitig schon sagen würde, was er andernfalls machen würde», erklärte sich Keller-Sutter. Badran und Lampart verzichteten darauf, hier stärker auf die Frau zu spielen und die Bundesrätin weiter dafür zu kritisieren. (Lesen Sie hier eine detailliertere Einordnung zur Frage, ob die Bundesrätin tatsächlich einen Plan B in der Tasche hat.)
Für Grossen spielt die Kritik der SP jetzt keine Rolle mehr
Eine entscheidendere Rolle in der Diskussion spielte der Grünliberale Grossen. Er gab zu: «Ich habe im Parlament mit Jacqueline Badran auf der gleichen Seite gestritten, uns wäre eine Verteilung 50/50 mit einer Deckelung bei 400 Franken pro Kopf ebenfalls lieber gewesen. Aber insgesamt ist der Verteilschlüssel am Schluss ein Detail.» Es gehe zuerst darum, zu sichern, dass die Einnahmen in die Schweiz flössen – ein Nein zur Vorlage gefährde das.
In anderen Worten: Die SP habe also recht in ihrer Kritik an der Verteilung, bloss spiele das jetzt keine Rolle mehr. Die jüngsten Abstimmungsumfragen scheinen ihm recht zu geben, Keller-Sutter dürfte die Vorlage locker ins Ziel bringen. Dass Badran sich bezüglich der Mindeststeuer mit grossem Einsatz eine neue Rolle angeeignet hat, scheint für die Galerie gewesen zu sein.
Anmerkung (15.6.2023, 10.36 Uhr): In einer ersten Version dieses Artikels stand im Lead folgende Formulierung: «Jacqueline Badran kämpft gegen die aktuelle Steuervorlage. Nur machte sie sich vor kurzem noch für das Gegenteil stark.» Das stimmt so nicht. Badran hatte sich für eine Stimmfreigabe eingesetzt. Wir haben den Lead entsprechend angepasst.
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