Volksabstimmung vom 18. JuniWas Sie über das Covid-Gesetz wissen müssen
Warum braucht es ein Gesetz für eine Pandemie, die vorüber ist? Und was ist darin geregelt? Die wichtigsten Fakten zum bevorstehenden Urnengang.
Warum stimmen wir ein drittes Mal über das Covid-Gesetz ab?
Als die Covid-Pandemie Anfang 2020 die Schweiz erreichte, beschloss der Bundesrat per Notrecht Massnahmen wie Versammlungsverbote. Das Notrecht wurde dann im September per Parlamentsbeschluss durch das dringliche, aber befristete Covid-Gesetz ersetzt.
Das Gesetz regelt, mit welchen Massnahmen der Bundesrat und die Kantone die Pandemie bekämpfen dürfen. Das Volk hat seither zweimal über das Gesetz abgestimmt und beide Male Ja gestimmt, beide Male deutlich.
Im letzten Dezember verabschiedete das Parlament schliesslich eine stark abgespeckte Version des Gesetzes, die bis Mitte 2024 gültig bleiben soll.
Aber massnahmenkritische Kreise um die Freunde der Verfassung und Mass-voll haben genügend Unterschriften für ein Referendum gesammelt. Darum kommt es am 18. Juni zur dritten Abstimmung über das Covid-Gesetz.
Aber die Pandemie ist doch vorüber – warum braucht es da noch ein eigenes Gesetz?
Ende April 2022 hat der Bundesrat alle Corona-Massnahmen aufgehoben. Aber Gesundheitsminister Alain Berset sagte, es brauche weiterhin «Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit».
Die Pandemiesituation könnte sich laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) wieder verschlechtern, wenn eine neue gefährliche Virusvariante auftaucht, eine, die die Immunantwort der Bevölkerung überlisten könnte. Damit wäre es möglich, dass es wieder zu vielen schweren Erkrankungen und überfüllten Spitälern kommt.
«Ob und wann eine solche Situation auftreten wird, kann allerdings nicht prognostiziert werden», heisst es beim BAG. Für den Fall der Fälle sollen aber die gesetzlichen Grundlagen der wichtigsten Massnahmen bestehen bleiben.
Was steht im Covid-Gesetz?
Es sind im Wesentlichen drei Massnahmen, die im Gesetz geregelt sind:
Der Bundesrat kann dank des Gesetzes gefährdete Angestellte in den Firmen schützen, etwa indem er Homeoffice anordnet.
Das Gesetz sieht vor, dass bei pandemiebedingten Grenzschliessungen ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – namentlich in Gesundheitsberufen – dennoch einreisen dürfen.
Im Abstimmungskampf am umstrittensten ist aber das Corona-Zertifikat: Mit dem elektronischen Ausweis kann man nachweisen, dass man genesen, geimpft oder als Corona-frei getestet war. Von September 2021 bis Februar 2022 galt in Restaurants und bei vielen Veranstaltungen die Zertifikatspflicht. Die Verlängerung des Covid-Gesetzes würde es erlauben, sie wieder einzuführen.
Weitere Regelungen betreffen die Subventionierung von Schweizer Arzneimittelherstellern für die Entwicklung von Covid-Medikamenten, den Import ausländischer Covid-Medikamente, die in der Schweiz nicht zugelassen sind, und den Einsatz der Covid-App zur Nachverfolgung von Infektionsketten.
Wer ist für die Verlängerung des Covid-Gesetzes, wer dagegen?
Der Ständerat stimmte dem Gesetz im letzten Dezember mit 39 Stimmen gegen ein einziges Nein von SVP-Vertreter Werner Salzmann zu. Im Nationalrat sprach sich einzig die SVP geschlossen dagegen aus. Die Partei hat auch die Nein-Parole für die Abstimmung am 18. Juni beschlossen. Dafür waren alle anderen grossen Parteien, die auch entsprechende Parolen herausgegeben haben.
Die FDP-Nationalratsmitglieder Daniela Schneeberger und Marcel Dobler wichen im Parlament von der Haltung ihrer Partei ab und sagten Nein. Dobler trat auch dem Komitee bei, das die notwendigen Unterschriften für eine Volksabstimmung sammelte.
Im Komitee geben aber massnahmenkritische Organisationen ohne Parteiverankerung den Ton an. Präsidiert wird es von Roland Bühlmann (Freunde der Verfassung) und Nicolas A. Rimoldi (Mass-voll).
Warum braucht es den Bund, um besonders gefährdete Angestellte zu schützen? Reicht da nicht die normale Fürsorgepflicht der Arbeitgeber?
Das BAG bestätigt, dass die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber unter anderem Massnahmen zum Gesundheitsschutz betrifft. Das Gesetz erlaube es aber dem Bundesrat, darüber hinaus die «wirkungsvollsten Optionen» anzuordnen: Homeoffice oder Ersatzarbeit an einem geschützten Ort.
Für Roland Bühlmann vom Referendumskomitee ist das wenig stichhaltig: «Covid-19 ist nur für ältere Personen, sicher über 65, wirklich gefährlich – und diese befinden sich nicht mehr im Arbeitsprozess.»
Ist damit zu rechnen, dass es wieder zu Reisesperren kommt, wenn eine gefährliche Variante auftaucht?
Die Schweiz hatte zu Beginn der Pandemie strenge Einreisebeschränkungen eingeführt. Sollten solche wieder nötig werden, könnten dank des Gesetzes die rund 400’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger dennoch in der Schweiz arbeiten – darunter 34’000 in Spitälern und Heimen.
Das BAG hat die Wirksamkeit von Reisesperren untersucht und räumt ein, dass es aufgrund der geringen Menge und Qualität der verfügbaren Daten «keine eindeutigen Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit von Gesundheitsmassnahmen an den Grenzen» ziehen kann.
Referendumsführer Roland Bühlmann sagt dazu: «Grenzschliessungen würden ja nur Sinn machen, wenn in der seligen Insel Schweiz kein Virus vorhanden wäre, aber im bösen Ausland schon.» So argumentiere aber nicht einmal mehr die SVP.
Ist eine Rückkehr zur Zertifikatspflicht im Inland denkbar?
Das BAG sagt, es sei «unwahrscheinlich», dass in der Schweiz erneut Zertifikatsmassnahmen ergriffen würden. Diese müssten verhältnismässig und epidemiologisch «absolut notwendig» sein.
Die SVP argumentiert, eine Rückkehr zur Zertifikatspflicht sei nur schon deshalb sinnlos, weil beim heutigen Stand der Pandemie eine Impfung zwar vor schweren Verläufen schütze, aber nicht vor einer Weiterverbreitung der Krankheit. Dabei stützt sich die Partei auf eine entsprechende Interviewaussage des Präsidenten der Impfkommission, Christoph Berger.
Das BAG entgegnet, das Zertifikat trage nicht nur dazu bei, die Verbreitung zu bremsen, sondern auch, schwere Erkrankungen zu vermindern. Darum könnte sein Einsatz weiterhin sinnvoll bleiben.
Braucht es das Zertifikat aber für Auslandsreisen?
Laut einem Sprecher des Reiseunternehmens Kuoni gilt unter den gängigen Reisezielen nur noch für die USA eine Impfpflicht für Einreisende. «Aber für den Nachweis reicht das Impfbüchlein», sagt der Sprecher. Das BAG weist allerdings darauf hin, dass beim Auftauchen neuer gefährlicher Virusvarianten andere Länder wieder auf das Zertifikat zurückgreifen könnten.
Für Roland Bühlmann vom Referendumskomitee ist das Reiseargument nur «Fake News, um krampfhaft einen Anwendungszweck aus dem Hut zu zaubern». Und er fragt: «Wenn der Einsatz unwahrscheinlich ist und es nur für den Reiseverkehr eingesetzt werden soll, warum wurde das dann nicht so beschlossen?»
Was passiert, wenn das Volk die Verlängerung bis Mitte 2024 ablehnt?
Auch bei einem Nein am 18. Juni bleibt das Gesetz bis Mitte Dezember 2023 in Kraft. Eine Ablehnung verkürzt die Gültigkeit des Gesetzes also nur um ein halbes Jahr. Sagen die Stimmberechtigten Ja, läuft es am 30. Juni 2024 aus.
Falls keine gefährlichen Virusvarianten auftauchen, dürfte es das Gesetz dann im Parlament schwer haben: Neben der SVP signalisiert auch die FDP, dass sie keiner weiteren Verlängerung mehr zustimmt.
Das ist aber nur der Auftakt zu einer weiteren Debatte über Seuchenmassnahmen: Der Bund will das Epidemiengesetz aufgrund der Erfahrungen mit Corona anpassen. Die Änderungen sollen spätestens 2026 in Kraft treten.
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