Parteitag in SachsenDie AfD will ihren Niedergang stoppen
Nach zehn verlorenen Wahlen in Serie suchen die Rechtsradikalen in der AfD mehr Einfluss. Gelingt es ihnen, dürfte sich der Niedergang der Partei weiter beschleunigen.
In keiner deutschen Partei wird so verbissen, so unversöhnlich und so brutal gestritten wie in der Alternativen für Deutschland (AfD). Das ist in einer immer noch recht jungen Protestpartei, die stets auch Extremisten, Hasardeure, Sektiererinnen und Spinner anlockt, nicht ungewöhnlich. Oft dreht und drehte sich der Streit dabei nicht um politische Differenzen, sondern um persönliche Feindschaften und Neurosen, um Ämter oder Geld.
Aber von Beginn an waren es auch die Ideologie und die Frage nach dem politischen Ziel, welche die AfD spalteten. Hier trafen Rechtsbürgerliche, die sich von den Christdemokraten entfremdet hatten und als konservative Patrioten verstanden, auf verkappte oder offene Rechtsextremisten, die auf einen völkischen Umsturz hinarbeiteten.
Das Erfolgsrezept der AfD bestand in den neun Jahren ihres bisherigen Bestehens darin, dass das bürgerliche und das extremistische Lager in der Partei nicht nur koexistierten, sondern wechselseitig wussten, dass sie nur als Allianz politischen Erfolg haben würden. Mit dieser Haltung zog die Alternative ab 2014 nicht nur in alle 16 Landtage der Republik ein, sondern 2017 auf Anhieb auch als grösste Oppositionspartei in den Bundestag.
Doch seit 2020 lahmt die AfD, trotz der populistischen Möglichkeiten, die ihr die Pandemie und Russlands Krieg in der Ukraine zuletzt boten. In neun Landtagswahlen in Serie sowie bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst büsste die Partei Stimmen ein, im Westen wie im Osten. 6000 Mitglieder haben sich von der Partei abgewandt, fast ein Sechstel des Bestands.
In diesem Jahr verschärfte sich die Krise noch. Im Februar trat der langjährige Parteichef Jörg Meuthen mit Hinweis auf deren Radikalisierung aus der AfD aus. Im März erlaubte ein Gericht dem Bundesverfassungsschutz, die gesamte Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall zu beobachten. Im Mai schied die AfD in Schleswig-Holstein erstmals wieder aus einem Landtag aus. Und am letzten Sonntag scheiterte sie sogar in ihrer Hochburg Sachsen am Ziel, Landräte oder Bürgermeister in Kleinstädten zu stellen.
Dabei ist die Partei im Osten, wo sie offen extremistisch auftritt, immer noch stark – so stark, dass im Westen viele fürchten, die gesamte AfD könnte bald zu einer «Lega Ost» werden. In dieser Stimmung hat unlängst Björn Höcke, der thüringische Landeschef und bekannteste Rechtsextremist der Partei, angedeutet, er würde selbst gern deren Führung übernehmen. Dies hat aber schnell derart viele Ängste vor einer Spaltung der Partei ausgelöst, dass Höcke davon wieder Abstand genommen hat.
Wenn sich nun ab Freitag die AfD im sächsischen Riesa zum dreitägigen Parteitag trifft, könnte deswegen durchaus auch alles beim Alten bleiben. Parteichef Tino Chrupalla, ein Malermeister aus Sachsen, der seinen Gegnern als Marionette von Höckes «Flügel» gilt, steht wegen der Misserfolge zwar stark in der Kritik. Gleichzeitig ist er eine Figur, die auch die sogenannten Gemässigten in der Partei nicht wirklich abschreckt.
Bleibt es beim Patt der Lager?
Mit Norbert Kleinwächter tritt ein 36-jähriger Bundestagsabgeordneter und Vizefraktionschef gegen ihn an. Die AfD brauche einen Neustart, meint Kleinwächter. Sie müsse die Frage beantworten, ob sie nur auf Marktplätzen rumbrüllen und in Parlamenten protestieren oder auch politisch gestalten wolle. Seine Unterstützer werfen Chrupalla vor, er habe keine Konzepte, um die AfD politisch voranzubringen. Der Angesprochene wiederum reagierte genervt: «Das ist wie früher beim Camping», schimpfte er kürzlich. «Da haben sich immer diejenigen beschwert, dass es nass im Zelt ist, die auch ins Zelt hineingepinkelt haben.»
Unter den Delegierten schätzt man die Lager von Extremisten, Bürgerlichen und Unentschiedenen auf jeweils ein Drittel. Wie sich die Kräfteverhältnisse an der Spitze und im 14-köpfigen Vorstand abbilden werden, wird die eigentlich spannende Frage des Parteitags sein. Bleibt es nicht beim Patt und gewinnen die Extremisten sichtbar die Oberhand, ist auf Dauer jedenfalls jenes politische Geschäftsmodell bedroht, das die AfD bis anhin mit so viel Erfolg betrieben hat.
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