Diabetes vorbeugenSo ist es möglich, den Blutzuckerspiegel natürlich zu senken
Mit Lebensstiländerungen können sich Blutzuckerwerte normalisieren und überflüssige Kilos schwinden.
- In der Schweiz leiden 525’000 Personen an Diabetes.
- Bis zur Diagnose vergehen sieben Jahre.
- Der Blutzuckerspiegel kann durch Lebensstiländerungen nachhaltig gesenkt werden.
- Fachleute empfehlen regelmässige Blutzuckerkontrollen ab dem 40. Lebensjahr.
Die neuen Zahlen geben Anlass zur Sorge: 525’000 Menschen leiden hierzulande an einem Diabetes – so viele wie noch nie. Das geht aus einer aktualisierten Schätzung der Patientenorganisation Diabetes Schweiz hervor, die auf der Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik und weiteren Daten basiert.
Darin berücksichtigt sei auch eine «hohe Dunkelziffer», erläutert die stellvertretende Geschäftsführerin Tania Weng. Ein besonderes Problem von Diabetes. Denn bis zur Diagnose würden im Schnitt sieben Jahre verstreichen. Das liegt daran, dass ein erhöhter Blutzucker anfänglich keine Beschwerden bereitet. Viele wissen also lange nicht, dass sie in eine gefährliche Krankheit hineinschlittern.
Diabetes mellitus, wie sie korrekt heisst, im Volksmund oft «Zuckerkrankheit» genannt, ist eine chronische Stoffwechselstörung. Dabei ist im Blut aufgrund einer Veranlagung oder eines ungünstigen Lebensstils der Zuckerspiegel zu hoch.
Es gibt zwei Formen von Diabetes
Man unterscheidet zwei Formen: Diabetes-Typ-1 ist eine angeborene Autoimmunerkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse das blutzuckersenkende Hormon Insulin nur ungenügend bildet und die Betroffenen es lebenslang zuführen müssen. Beim Diabetes-Typ-2 hingegen handelt es sich um eine erworbene Krankheit (auch als «Altersdiabetes» bekannt, obwohl heute ebenfalls bereits viele Jüngere betroffen sind).
Bei beiden Krankheitstypen schädigt der erhöhte Blutzuckerspiegel mit der Zeit die Blutgefässe. Das hat fatale Folgen für viele lebenswichtige Organe: Häufig leiden Zuckerkranke an Herz-Kreislauf-Problemen, Nierenschwäche, Augenkrankheiten, Nervenschäden oder schlecht heilenden Wunden, vor allem an Beinen und Füssen. In schweren Fällen müssen solche «diabetischen Füsse» sogar amputiert werden.
Erhöhte Blutzuckerwerte sollten also zwingend behandelt werden – mit Medikamenten, einem gesunden Lebensstil oder mit beidem.
Die gute Nachricht: Beim erworbenen und weitaus häufigeren Diabetes-Typ-2 – 90 Prozent der Zuckerkranken leiden an diesem Typ – sind Lebensstiländerungen die wirksamste Therapie. Vorteil gegenüber Medikamenten: Sie haben keine unerwünschten Nebenwirkungen und verbessern darüber hinaus auch Blutdruck- und Cholesterinwerte. Mit einem Facharzt und einer Ernährungsberaterin haben wir die bewährtesten Methoden zusammengetragen, wie sich der Blutzucker mit einem angepassten Lebensstil normalisieren lässt:
Übergewicht abbauen
Fettleibigkeit (Adipositas), aber auch schon Übergewicht sind zentrale Risikofaktoren für die Entstehung eines Diabetes-Typ-2. Denn Fettgewebe produziert verschiedene Hormone, die den Stoffwechsel negativ beeinflussen. Besonders das Fett am Bauch gibt zudem vermehrt entzündungsfördernde Substanzen ab. Diese beeinträchtigen die Insulin-Empfindlichkeit der Körperzellen. Studien konnten zeigen, dass sich bereits eine Gewichtsabnahme von 1 bis 3 Kilos positiv auf den Blutzucker auswirkt.
Übergewicht abzubauen, lohnt sich also. Das ist aber nicht immer einfach. Nadine Karlen (32), Ernährungsberaterin und gleichzeitig Geschäftsführerin von Diabetes Zürich, empfiehlt, einen Weg zu gehen, der auch umsetzbar ist. Also keine Diät, sondern eine langfristige Ernährungsumstellung. «Diäten können zwar rasch zu einer Gewichtsabnahme führen. Dadurch reduziert der Körper jedoch seinen Kalorienverbrauch, und es kommt zu einer erneuten Gewichtszunahme, dem bekannten Jo-Jo-Effekt.» Erfolgversprechender sei es, die Umstellung in kleinen Schritten anzugehen. Welches die beste Methode ist, lasse sich nicht pauschal sagen. Hier könne eine Ernährungsberatung hilfreich sein. «Entscheidend ist letztlich, Optimierungsmöglichkeiten zu finden, die man gut und deshalb langfristig umsetzen kann.»
Bewusst essen
Der Blutzuckerspiegel lässt sich auch direkt über die Ernährung steuern. Denn bestimmte Nahrungsmittel lassen den Blutzucker stärker ansteigen als andere. Dazu gehören zum Beispiel Weissbrot, Cornflakes oder Süssgetränke, die vor allem leicht verwertbare Kohlenhydrate enthalten und deshalb ungünstig sind.
Als «Blutzuckerbremsen» gelten hingegen Lebensmittel mit viel Eiweiss (Protein), Fett und Nahrungsfasern (Ballaststoffe). Da Kohlenhydratlieferanten für eine ausgewogene Ernährung aber ebenfalls wertvoll sind, empfiehlt Expertin Nadine Karlen, möglichst vollwertige zu wählen. «Diese werden vom Körper langsamer aufgespalten, lassen den Blutzucker weniger stark ansteigen und sorgen daher – wie auch die Kombination mit Blutzuckerbremsen – für eine anhaltende Sättigung.»
Wertvolle Kohlenhydratlieferanten seien etwa Vollkornprodukte, Gemüse, frisches Obst oder Hülsenfrüchte. «Je weniger verarbeitet ein Lebensmittel ist, desto besser.» Sinnvoll könne auch sein, die Reihenfolge der verzehrten Lebensmittel zu beachten: also zuerst etwas Eiweiss-, Fett- oder Ballaststoffhaltiges zu essen wie Käse, Salat oder Nüsse, bevor man später zu Nudeln und Kartoffeln greift. «Wer darauf achtet, Blutzuckerspitzen zu vermeiden, unterstützt damit auch ein gesundes Körpergewicht», sagt die Ernährungsberaterin.
Bewegung und Sport
Körperliche Aktivität hat gleich mehrere positive Effekte auf den Blutzuckerspiegel, wie Christian Ambrosch (44), Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Leiter der Medbase Winterthur-Neuwiesen, erklärt: «Arbeitende Muskeln brauchen Energie und nehmen Zucker aus dem Blut auf – dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel.»
Regelmässige Bewegung verbessere zudem die Insulin-Empfindlichkeit der Zellen, was dazu führe, dass sich die blutzuckersenkende Wirkung des körpereigenen Hormons verstärke. Schliesslich helfe Aktivität auch, um Stresshormone abzubauen, die den Blutzucker ebenfalls erhöhen könnten. Ambrosch empfiehlt, Bewegung möglichst in den Alltag zu integrieren und mindestens einmal im Tag den Kreislauf tüchtig in Schwung zu bringen. Noch besser ist es, wenn jemand gerne Sport treibt. Hier rät der Mediziner zu einer Kombination von Ausdauer- und Kraftsportarten. Und ganz wichtig: «Es sollte Spass machen, damit man am Ball bleibt.»
Stress reduzieren
In Drucksituationen schüttet der Körper Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin aus. Diese Hormone treiben den Blutzuckerspiegel in die Höhe, da sie den Körper darauf vorbereiten, schnell Energie bereitzustellen. Wiederkehrender Stress kann sich somit ungünstig auf die Blutzuckerwerte auswirken. Menschen mit Diabetes sollten daher auch auf ihr psychisches Wohlbefinden achten. Dazu beitragen, so Facharzt Ambrosch, könnten etwa soziale Kontakte oder sinnstiftende Hobbys. «Wichtig ist, dass man sich für eine gewisse Zeit aus dem Alltag rausnehmen kann.»
Blutzucker kontrollieren
Um den Blutzucker langfristig zu normalisieren, sind regelmässige Kontrollen nötig. Experte Ambrosch rät Gesunden, ab dem 40. Altersjahr beim Hausarzt auch den Blutzucker bestimmen zu lassen. Sind die Werte unauffällig, genüge es danach, die Messung alle ein bis drei Jahre zu wiederholen. «Leidet jemand hingegen bereits an Diabetes, sollte man bei der Fachärztin mindestens zweimal jährlich den Langzeitblutzuckerwert kontrollieren lassen.»
Wer diese Tipps befolgt, hat gute Chancen, einen erworbenen Diabetes wieder loszuwerden. Fachleute wie Christian Ambrosch sprechen dann freilich nicht von Heilung, sondern «Remission» (weil die Krankheit wieder kommt, wenn man in die alten Lebensgewohnheiten zurückfällt). Selbst Betroffene vom angeborenen Typ-1-Diabetes würden profitieren, indem sie ihr Risiko für Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Niereninsuffizienz reduzierten. Der Mediziner geht sogar noch weiter: «Ein gesunder Lebensstil ist so wirksam wie die viel gepriesenen Abnehmspritzen – nur nachhaltiger und frei von unerwünschten Nebenwirkungen.»
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