Deutschlands neue RegierungWadephul wird Aussenminister: Was das für Europa bedeutet
Johann Wadephul wird als erster Christdemokrat seit 60 Jahren das Aussenamt leiten. Der künftige Kanzler Friedrich Merz will eine «Aussenpolitik aus einem Guss».

- Wadephul hat bereits seine künftigen Amtskollegen in Polen, Frankreich, Italien und Grossbritannien besucht.
- Merz und Wadephul planen eine deutsche Aussenpolitik ohne interne Konflikte.
- Ein Sicherheitsrat soll künftig die gesamte Sicherheitspolitik koordinieren.
Dass Johann Wadephul Aussenminister der nächsten Regierung wird, liess sich zuletzt sozusagen auf der Landkarte nachverfolgen: Der Deutsche besuchte seine künftigen Amtskollegen in Polen, Frankreich, Italien und Grossbritannien, die vier anderen Länder also, die in der jetzigen Weltlage für Europas Kurs gegenüber Russland, den USA und China entscheidend sind.
Auf die Reise geschickt wurde Wadephul von seinem Chef in der CDU und in der künftigen Regierung, Friedrich Merz. Weil die Gefahr gross ist und die Zeit drängt, sollte der künftige Aussenminister vorab schon die grossen Linien besprechen, um nach der Amtsübernahme sofort loslegen zu können. Jetzt sei er «startklar», meldete Wadephul am Ende seiner Tour.
Die Aufgaben, die die deutsche Aussenpolitik erwarten, sind herkulisch. Europa muss zum einen sicherstellen, dass die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter überlebt. Zum anderen muss der Schock bewältigt werden, dass die USA unter Donald Trump zuweilen nicht mehr wie ein Verbündeter, sondern wie ein Gegner sprechen und handeln. Dies erfordert von Europa mehr Souveränität, von Deutschland, der «schlafenden Mittelmacht» (Merz), mehr Führung als bisher.
Ein entschlossener Gegner von Putins Russland
Wadephul wählte in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» kürzlich klare Worte: Russlands Präsident Wladimir Putin sei «aggressiv» und «hungrig» und strebe die Vormacht über Ostmitteleuropa an. In der Ukraine stehe nicht nur die Sicherheit Deutschlands, sondern die Zukunft Europas und der Nato auf dem Spiel.
Der 62-jährige Christdemokrat aus Schleswig-Holstein, Jurist mit Doktortitel, ist in Deutschland bislang wenig bekannt, obwohl er seit 2009 im Bundestag sitzt und seit 2017 als Vizefraktionschef die Aussen- und Sicherheitspolitik der Union im Bundestag verantwortet. Erstmals seit langer Zeit wird mit ihm wieder ein aussenpolitischer Fachmann Aussenminister.
Wadephul setzte sich gegen Konkurrenten wie David McAllister, den Chef des aussenpolitischen Ausschusses im EU-Parlament, Armin Laschet, den früheren Kanzlerkandidaten, und Norbert Röttgen, den ehemaligen Umweltminister, durch. Sein wichtigster Vorzug war, dass er das uneingeschränkte Vertrauen von Friedrich Merz geniesst.

Wadephul wird der erste christdemokratische Aussenminister seit den 1960er-Jahren sein. Seither war das Aussenamt stets an den kleineren der beiden Koalitionspartner gegangen (oder an den zweitgrössten). Weil die Sozialdemokraten diesmal aber lieber an Boris Pistorius als Verteidigungsminister festhielten, als das Aussenministerium zu besetzen, nutzte Merz die Gunst der Konstellation.
Traditionell stehen in deutschen Koalitionsregierungen Kanzleramt und Aussenministerium in Konkurrenz, nicht selten in Konflikt. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz und die Grüne Annalena Baerbock etwa hatten zuletzt offen gegeneinander gekämpft, was Panzer oder Marschflugkörper für die Ukraine anging. Das soll nun ein Ende haben.
Man wolle künftig «Aussenpolitik aus einem Guss» machen, sagen Wadephul und Merz unisono. «Die Zeiten, in denen europäische Partner aus Berlin andere Antworten bekommen haben – je nachdem, ob sie im Kanzleramt, im Auswärtigen Amt oder im Finanzministerium angerufen haben –, müssen der Vergangenheit angehören», so Merz. In der jetzigen Weltlage wolle man Moskau und Washington zeigen, dass von Deutschland und von Europa «eine neue europäische Geschlossenheit» ausgehe, sagt Wadephul.
Merz wird sich um Europa und die Welt kümmern
Kanzler wie Konrad Adenauer, Helmut Kohl oder Angela Merkel haben auf Krisen stets reagiert, indem sie die Aussenpolitik an sich zogen. Merz will Europa und die Welt nun von Beginn weg zur «Chefsache» machen und auch den Hauptteil seiner Arbeitszeit dafür verwenden. Wadephul ist dafür ein idealer Partner: Er wird dem künftigen Kanzler zuarbeiten, aber weder im Weg noch in der Sonne stehen.
Die Konzentration bei Merz wird überdies einen institutionellen Ausdruck darin finden, dass Deutschland erstmals einen Nationalen Sicherheitsrat bekommt, wie ihn andere Länder kennen: das heisst, ein Gremium der wichtigsten Minister, die für alle Facetten der Aussen- und Sicherheitspolitik zuständig sind – angesiedelt beim Kanzleramt. Die Idee eines solchen Sicherheitsrats ist alt, hatte sich gegen den Widerstand des kleineren Koalitionspartners bisher aber nie durchsetzen lassen.
Merz wird sich zudem mit drei persönlichen Beratern umgeben, die ihrerseits für Aussen-, Europa- und Sicherheitspolitik zuständig sind. Im Gespräch dafür sind herausragende Botschafter wie Geza Andreas von Geyr, derzeit bei der Nato, zuvor in Moskau und Stabschef von Ursula von der Leyen, der heutigen EU-Kommissions-Präsidentin.
Wadephul wird in der künftigen deutschen Aussenpolitik also nur eine Stimme unter anderen sein – allerdings die öffentlichste nach der des Kanzlers.
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