Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kommunalwahlen in Grossbritannien
Nigel Farage profitiert vom Frust über die Regierung. Kippt jetzt das Zweiparteiensystem?

Nigel Farage und Trevor Shonk halten je ein Bier in einem Wetherspoons-Pub während des Wahlkampfs in Ramsgate, 24. April 2025.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Die Reform-Partei erreicht in aktuellen Umfragen mit 25 Prozent die höchsten Zustimmungswerte.
  • Jeder fünfte ehemalige Tory-Wähler unterstützt mittlerweile Farages rechtspopulistische Bewegung.
  • Farage fordert überraschend die Verstaatlichung der britischen Stahlindustrie und Wasserwerke.

Sein «Krokodilslächeln» und sein cleveres Taktieren fürchten seine Gegner schon seit langem. Noch diese Woche will Nigel Farage zeigen, dass sie allen Grund haben, beunruhigt zu sein.

Mit seiner Partei Reform UK, dem Sammelbecken der britischen Rechtspopulisten, will Farage den etablierten Parteien zum 1. Mai Angst einjagen. Am Donnerstag stehen in weiten Teilen Englands Kommunalwahlen an. Reform hofft, Labour und den Konservativen schwere Verluste zuzufügen. Auch bei einer parlamentarischen Nachwahl rechnet sich Reform gute Chancen aus.

Die Reform-Partei im Umfragehoch

Überraschend käme ein solcher Durchbruch Farages nicht. Jüngste Umfragen sehen Reform UK landesweit vorn. Das Institut Yougov gibt der Partei derzeit 25 Prozent der Stimmen, Labour kommt auf 23, die Tories auf 20 Prozent.

Wegen des britischen Mehrheitswahlrechts würde ein solches Abschneiden Reform im Yougov-Kalkül 254 der 650 Unterhaussitze bescheren. Labour käme nur noch auf 183 Sitze. Und die Konservativen müssten sich mit 75 bescheiden.

Die Parteien sehen die Kommunalwahlen als ersten grossen Test seit den Unterhauswahlen im vergangenen Sommer. Schneidet Farage diese Woche gut ab, sieht er sich in einer starken Position. Bis vor kurzem galt seine Partei noch als Protestbewegung am Rand der Politik. Nun wähnt sie sich erstmals auf dem Sprung zur Macht.

Für die Konservativen wird es «sehr, sehr schwierig»

Farage nutzt die Schwächen von Labour und Tories geschickt aus. Die konservative Parteichefin Kemi Badenoch hat ihrer Partei fürs Ende dieser Woche schon dramatische Verluste vorausgesagt. Es werde «sehr, sehr schwierig».

Farage präsentiert sich überzeugender: als Verfechter einer Politik nationaler Stärke, als Bollwerk gegen «Auswüchse» der multikulturellen Gesellschaft, als ein Politiker, der radikal Steuern reduzieren, den «viel zu teuren» Kampf gegen den Klimawandel bremsen, die Gewerkschaften in ihre Schranken verweisen und Europa auf Distanz halten will.

Seine freimütigen Parolen kommen besser an als das mühsame Lavieren der Konservativen, die nicht hinausgekommen sind über ihre historische Wahlniederlage des letzten Jahres. Selbst von der massiv geschrumpften Zahl der Tory-Wähler des Vorjahrs sollen seither schon wieder 20 Prozent zu Reform abgewandert sein.

Farage will ein Aussenseiter bleiben

Kein Wunder, dass die Tories bereits über ein Bündnis mit Reform streiten. Was das betrifft, grinst Farage nur. An einem voreiligen Pakt mit den Tories hat er wenig Interesse. Sein Markenzeichen ist es ja gerade, ein demonstrativer Aussenseiter zu sein.

Mit diesem Rezept nutzt Farage die wachsende Unzufriedenheit mit Labour. Seit Keir Starmer im Juli mit nur 35 Prozent der Stimmen fast zwei Drittel der Unterhaussitze gewann, wächst der Unmut. Ehemalige Labour-Wähler unterstützen nun die Liberaldemokraten oder die Grünen. Über zehn Prozent der Labour-Wähler vom Vorjahr wählen inzwischen Reform.

Farage macht es diesen Wählern leicht, zu Reform zu wechseln. Vor den Kommunalwahlen widmete er den alten Industriegebieten im Norden Englands besondere Aufmerksamkeit.

Plötzlich fordert er die Verstaatlichung

Diesen Working-Class-Wählern offeriert Farage nun etwas Erstaunliches. Ausgerechnet der Super-Thatcherist der Rechten spricht sich mitten in der schweren Stahlkrise plötzlich für eine Vergesellschaftung der Stahlindustrie aus. Auch die von Thatcher privatisierten Wasserwerke, die ihre Kunden zur Verzweiflung treiben, sollen nach Farages Ansicht umgehend verstaatlicht werden. Und in anderen Bereichen könnte sich Farage Ähnliches vorstellen: «Wir müssen umdenken in diesem Punkt.»

Wie er die kriselnden öffentlichen Dienste am Laufen halten und zugleich Steuern massiv senken will, mag Farage aber nicht erklären. Einen «politischen Schwindler und Heuchler» nennt ihn denn auch Paul Nowak, der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC.

Farage musste bereits einige Rückschläge verkraften. Die Partei musste rechtsextreme Kandidaten und fragwürdige Charaktere aller Art aussieben. Und Elon Musk, der Reform eine Spende von 100 Millionen Dollar in Aussicht gestellt hatte, hat es sich letztlich anders überlegt – nachdem Farage ihm einmal vorsichtig zu widersprechen wagte. Nunmehr findet Musk, dass Nigel Farage schlicht «nicht das Zeug zum Parteiführer» hat. Auch Donald Trump, einst Farages Verbündeter, schadet ihm mit seiner Zollpolitik.

Doch Rückschläge mindern den Zulauf zu Reform nicht. Die Frustration mit Tories und Labour ist so gross, dass Farages Populismus immer neue Wählerinnen und Wähler gewinnt. Farage selbst glaubt, nur er könne ein «kaputtes Britannien» reparieren. Nach den nächsten Unterhauswahlen will er Premierminister werden.