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Neue Ära in britischer Politik
Nigel Farages Reform UK ist erstmals populärste Partei in Grossbritannien

Nigel Farage, Anführer der Reform UK Party, hebt die Arme und lacht vor einem begeisterten Publikum bei einer Kundgebung in Quendon, England am 31. Januar 2025.
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In Kürze:
  • Rechtspopulisten haben Labour und Konservative in Umfragen knapp überholt.
  • Reform UK erreicht 25 Prozent der Wählersympathien, Labour nur 24 Prozent.
  • Beim derzeitigen Wahlsystem könnte Reform UK noch hinter Labour liegen.
  • Es droht Vertrauensverlust bei Labour und Konservativen durch Reform UK.

Neuesten Umfragen zufolge sind Grossbritanniens Rechtspopulisten jetzt in der Wählergunst erstmals zur stärksten politischen Kraft im Lande geworden. Sie haben nicht nur sämtliche kleineren Parteien ausgestochen, sondern auch Labour und die Konservativen knapp überholt.

Eine «völlig neue Ära in der britischen Politik» kündige sich hier an, erklärten Beobachter in Westminster daraufhin übereinstimmend. Das Vereinigte Königreich sei nun wohl endgültig, mit starkem Rechtsdrall, auf dem Weg zu einem Dreiparteiensystem.

Ausgelöst wurde die neue Aufregung am Dienstag von dem renommierten Meinungsforschungsinstitut YouGov, das die Umfragen im Auftrag der Londoner «Times» und des Senders Sky News erstellte. Es meldete, dass Nigel Farages Rechtspartei Reform UK inzwischen auf 25 Prozent der Wählersympathien komme, während die regierende Labour-Partei sich nur noch auf 24 Prozent der Wähler stützen könne und die Konservative Partei auf 21 Prozent gesunken sei.

Die «alten» Parteien geniessen Vorteile des Wahlsystems

Bis zu den nächsten Unterhauswahlen sind es zwar noch über vier Jahre. Und auf Parlamentssitze übertragen, dürfte Reform UK fürs Erste noch deutlich hinter Labour und vielleicht auch noch hinter den Tories liegen. Wegen der Eigenheiten des britischen Wahlsystems, das keine Listenwahl kennt, sondern nur den Siegern in den einzelnen Wahlkreisen den Einzug ins Unterhaus ermöglicht, geniessen die «alten» Parteien in diesem Punkt mit ihren Stammgebieten traditionell Vorteile quer durchs Land.

In immer mehr Wahlkreisen kommt Reform UK in den Umfragen heute aber schon auf Platz 2 – und verzeichnet weiteren Aufschwung. Dabei waren wegen des Wahlsystems bei den Parlamentswahlen des letzten Sommers gerade einmal fünf Sitze auf Reform UK entfallen, obwohl die Partei damals bereits 14 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt.

Bei jenen Wahlen hatte Reform UK den Tories immerhin Millionen Stimmen abgenommen und mit dieser Spaltung des konservativen Lagers einen Labour-Triumph erst möglich gemacht. Laut YouGov ist seither schon jeder Vierte der damaligen Tory-Wähler zu Reform UK «übergelaufen».

Befragte plädieren für Fusion von Konservativen und Rechtspopulisten

Und 43 Prozent derer, die im Juli noch für die Konservativen stimmten, plädieren den Umfragen zufolge inzwischen für einen Zusammenschluss der Tories mit den Rechtspopulisten. Das hat in den Reihen der Konservativen Partei zu viel Unruhe geführt.

Im Zuge einer rapiden Desillusionierung mit der Labour-Regierung und insbesondere mit Premierminister Sir Keir Starmer in der Bevölkerung droht die Farage-Partei jetzt freilich auch Labour massenhaft Stimmen abzunehmen. Schon bei den landesweiten Kommunalwahlen in diesem Mai muss Labour vielerorts schwere Verluste befürchten.

Keir Starmer, der Führer der britischen Labour-Partei, spricht bei seiner Ankunft im Hilton Brighton Metropole Hotel auf der jährlichen Labour-Konferenz vor den Medien. Unterstützer mit ’Vote Labour’-Schildern im Hintergrund. 25. September 2021.

Das wiederum signalisiert einen weitläufigen Vertrauensverlust für beide etablierten Parteien. Nicht mehr nur die Anti-Immigrations-Politik von Reform UK, die in der Vergangenheit vor allem Reformwähler motivierte, trägt nun offenbar Farages Partei Unterstützung in vielen Wahlkreisen ein.

Neuerdings wollen auch Britinnen und Briten, die bisher eher gemässigte Positionen vertraten, für Reform UK stimmen, weil sie der Überzeugung sind, dass keine der «alten» Parteien mit den Problemen des Landes mehr fertig wird – ob es sich um die hohen Lebenshaltungskosten handelt, die anhaltende Misere des nationalen Gesundheitswesens oder andere Dinge, die die Lebensqualität im Vereinigten Königreich beeinträchtigen.

«Dies sind nicht mehr nur Turbulenzen»

Mittlerweile, meint etwa Nick Lowes, Direktor des Verbands «Hope Not Hate», finde Reform UK Interesse bei «einer erklecklichen Zahl von Wählern, die im Grunde den Vorteilen der Zuwanderung und einer multikulturellen Gesellschaft positiv gegenüberstehen, die aber zusehends glauben, dass die grossen Parteien versagt haben und es Zeit für etwas Neues ist».

Der linksliberale Londoner «Observer» zitierte in diesem Zusammenhang «einen hohen Labour-Politiker» mit den Worten: «Jetzt geht es nicht mehr nur um Randgruppen des Wahlsystems. Dies sind nicht mehr nur Turbulenzen. Wir erleben hier einen epochalen Wandel. Die Leute sind einfach viel wütender als früher. Und die Wählerschaft ist viel mehr im Fluss.»