Schuldspruch in ErstinstanzDer Vincenz-Prozess geht in die nächste Runde
Das Zürcher Bezirksgericht fällt im Verfahren gegen den Ex-Raiffeisen-Chef ein hartes Urteil. Dass es weitergezogen wird, steht jedoch praktisch fest.
Am Ende ging es schnell. Pünktlich um 8.30 Uhr begann Richter Sebastian Aeppli das Urteil des Zürcher Bezirksgericht zu verkünden. Um 9.25 Uhr war die Sache auch schon wieder vorbei. Nach acht teilweise zähen Verhandlungstagen mit stundenlangen Plädoyers nahm so ein aufsehenerregender Prozess ein schnelles Ende.
Der kurze Vortrag von Aeppli hatte es in sich. Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wird zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, gegen den Mitbeschuldigten Beat Stocker wird eine Strafe von vier Jahren ausgesprochen. Beiden wird die Untersuchungshaft von 106 Tagen angerechnet. Hinzu kommt für Vincenz eine bedingte Geldstrafe von 280 Tagessätzen zu 3000 Franken. Stocker erhält eine bedingte Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 3000 Franken. Zudem fordert das Gericht Schadenersatzforderungen über rund 5 Millionen Franken ein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Lesen Sie hier unseren Kommentar: Das Urteil gegen Vincenz ist hart – aber angemessen)
Das Gericht folgte weitgehend den Argumenten der Staatsanwaltschaft. Es sieht es als belegt an, dass sich Vincenz und Stocker vorab an Firmen beteiligt haben und dann dafür sorgten, dass Raiffeisen und Aduno die Firmen kaufen. Das Problem dabei: Sie hatten nicht offengelegt, dass sie bereits Anteile der Firmen besassen. Zudem lasteten die Ermittler den Beschuldigten überrissene Spesenabrechnungen im Umfang von Hunderttausenden Franken an. Ein bedeutender Teil fiel in Nightclubs an.
Während der Urteilsverkündung war bei den Beschuldigten und bei den Staatsanwälten kaum eine Regung zu erkennen. Stocker schüttelte ab und an ungläubig den Kopf, Vincenz versank vielleicht etwas tiefer in seinem Stuhl. Die Staatsanwälte mögen noch etwas aufrechter dagesessen sein, als sie merkten, dass das Gericht weitgehend ihrer Linie folgte.
Betrug und Veruntreuung
Richter Aeppli listete derweil die Vergehen von Vincenz und Co. auf. Der Katalog des ehemaligen Raiffeisen-Chefs ist lang. Wegen der überrissenen Spesenabrechnungen sieht das Gericht ihn der mehrfachen Veruntreuung, der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig.
Bei den verdeckten Beteiligungen wurde Vincenz des Betruges, des versuchten Betruges, der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der mehrfachen passiven Privatbestechung schuldig gesprochen.
Vincenz habe bei den Firmenbeteiligungen zum Teil eine hohe kriminelle Energie bewiesen. Dabei habe er seine Vertrauensposition missbraucht. Und die vielen Besuche in Stripclubs seien «nicht im Interesse der Raiffeisen» gewesen. Das gilt auch für die kostspielige Renovation eines verwüsteten Hotelzimmers auf Firmenkosten und ein Tinder-Date in einem teuren Restaurant, das laut Vincenz ein «Bewerbungsgespräch» gewesen ist.
Die Summe der Delikte ergebe eine Freiheitsstrafe von 54 Monaten. Mildernd wird vom Gericht die Vorverurteilung in den Medien angerechnet. Diese sei laut Aeppli «massiv» gewesen. Daher wurde die Freiheitsstrafe für Vincenz um 9 Monate reduziert. Auf die Strafe habe sich auch ausgewirkt, dass Raiffeisen als Geschädigte eine Grossbank sei und kein einfacher Bürger. Zudem habe bei Raiffeisen ein Kontrollmechanismus gefehlt.
Berufung steht fest
Nach der Verkündung des Urteils wollten Stocker und Vincenz keine Stellung nehmen. Vincenz’ Anwalt Lorenz Erni sagte: «Das Urteil ist falsch. Es gibt eine Berufung.» Auch Raiffeisen, die Bank trat im Verfahren als Nebenklägerin auf, hat vorsorglich bereits Berufung angemeldet.
«Wir warten das schriftliche Urteil ab und entscheiden dann, wie das weitere Vorgehen ist.»
Einen zufriedenen Eindruck machte hingegen die Staatsanwaltschaft. Sowohl im Zusammenhang mit den Spesen wie auch bei den Transaktionen ist es zu Schuldsprüchen gekommen. «Obwohl das Gericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft weitgehend gefolgt ist, warten wir das schriftliche Urteil ab und entscheiden dann, wie das weitere Vorgehen ist», so der Sprecher. Das schriftliche Urteil soll im Sommer vorliegen.
Neben Vincenz und Stocker wurden die drei mitbeschuldigten Unternehmer Andreas Etter, Stéphane Barbier-Mueller sowie Ferdinand Locher vom Gericht zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Das Verfahren gegen Peter Wüst wurde wegen seiner schweren Krankheit eingestellt. Christoph Richterich, der einstige PR-Berater von Vincenz, wurde von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen.
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