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Kampf um Milchpreis
Der erste Angriff zielt auf Migros-Tochter

Weniger Kühe, weniger Milch: Die Produktion ist seit 2014 gesunken. 
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Vor zwei Wochen hat er sich der Öffentlichkeit präsentiert. Nun wird der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) ein erstes Mal aktiv. Der Milchverarbeiter Elsa, eine Migros-Tochter, will den Bauern weniger für die gelieferte Milch bezahlen. Ab Juli sei Elsa gezwungen, von diesem Monat an Marktabzüge einzuführen, heisst es bei der Migros. Die Preissenkung betrage 1,5 bis 2 Rappen pro Kilogramm.  

Die Begründung: die stark gewachsenen Unterschiede zwischen der Schweiz und dem Rest Europas beim Milchpreis. Deshalb seien die «Deckungslücken» sehr gross, etwa für das Magermilchpulver – und das trotz Beiträgen aus dem Fonds für Rohstoffverbilligung, mit dem milchhaltige Produkte im Export unterstützt werden.  

Der Verein FMS hält die Preissenkung für «unfair». Das geht aus einem Brief an die Elsa-Direktion hervor. Das Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, soll am Dienstag veröffentlicht werden. Der Verein fordert darin die Migros-Tochter auf, ihre Pläne fallen zu lassen. Er sieht keine wirtschaftlichen Anhaltspunkte, die eine Senkung erlauben würden.

Ein solcher Schritt könnte im Sinn des Kartellgesetzes missbräuchlich sein, heisst es im Schreiben. Der Verein behält sich rechtliche Schritte vor. Denkbar ist, dass er den Fall vor die Wettbewerbskommission des Bundes bringen wird.  

Betriebe verlieren Tausende von Franken

Die Migros hat im inländischen Milchmarkt eine gewichtige Stellung. Zusammen mit Coop deckt der Detailhändler laut FMS rund 70 Prozent ab, der Anteil der Migros betrage 40 Prozent. Die Migros-Tochter Elsa sei deshalb als marktmächtig einzustufen, so der Verein. Er argumentiert, die Milchlieferanten seien mangels Alternativen in der Regel wirtschaftlich abhängig und auf eine faire Geschäftsbeziehung mit Elsa angewiesen. «Eine mögliche Preissenkung erhöht den wirtschaftlichen Druck auf Bauern in unserem Land», sagt FMS-Präsident Stefan Flückiger. 

Er rechnet vor: Ein Talbetrieb, der 150’000 bis 300’000 Kilogramm Milch produziere, verliere bis zu 6000 Franken pro Jahr, wenn der Preis um 1,5 bis 2 Rappen pro Kilogramm sinke. Zur Einordnung: Das landwirtschaftliche Einkommen betrug 2021 durchschnittlich 80’700 Franken pro Betrieb – die Schwankungen sind je nach Betriebslage und -ausrichtung allerdings beträchtlich.  

Auch der Schweizer Bauernverband und Swissmilk, der Verband der Schweizer Milchproduzenten, sehen «keine stichhaltigen Argumente» für eine Preissenkung. Seit 2014 sei die Milchproduktion gesunken, die Zahl der Milchkühe nehme laufend ab. Zudem würden Wetter und Futterqualität die Produktion in den nächsten Monaten tief halten. Auch würden die längerfristigen agrarpolitischen Rahmenbedingungen nicht zu einer Ausweitung der Milchproduktion führen. Der Bauernverband und Swissmilk fordern die Milchverarbeiter auf, «solidarisch zu bleiben» und den Bauern gleich viel wie bis anhin zu bezahlen.

Bauern erhalten so viel für ihre Milch wie schon lange nicht mehr

In Bauernkreisen wird befürchtet, dass die Preissenkung von Elsa Unruhe in den Milchmarkt bringen werde und die Produzentenpreise auf breiter Front ins Rutschen geraten könnten. Elsa versichert, sie zahle aktuell einen der höchsten Milchpreise der Schweiz. Und auch in Zukunft bleibe ihr Milchpreis «überdurchschnittlich». Zahlen nennt die Migros-Tochter nicht. 

Bekannt ist dagegen, wie viel Schweizer Bauern im Durchschnitt erhalten. Derzeit sind es 68 Rappen pro Kilogramm Molkereimilch, wie Zahlen des Bundes zeigen. Anfang Jahr waren es 75 Rappen. Trotz des Rückgangs: So viel Geld wie in letzter Zeit haben die Bauern schon lange nicht mehr für ihre Milch gekriegt. Letztes Jahr wurde mit 71,5 Rappen pro Kilogramm der höchste Stand seit 2008 verzeichnet.

Die Gründe sind vielfältig. Zentral ist, dass die Produktionskosten gestiegen sind, etwa wegen höherer Energiepreise, dazu ist die Milchproduktion rückläufig.  

Lohnt sich die Milchproduktion für Bauern also mehr denn je? «Das lässt sich nicht generell sagen», meint Stefan Kohler, Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch: «Viele Bauern haben ihre Kosten mit den aktuellen Milchpreisen derzeit gedeckt, sie verdienen dazu.» Es gebe aber auch solche, bei denen das nicht der Fall sei, etwa wenn sie gerade eine grosse Investition auf dem Hof getätigt hätten.  

Experte gibt Migros-Tochter gutes Zeugnis

Die Branchenorganisation Milch legt jeweils Anfang Quartal einen Richtpreis für die Milch fest, auf den sich die Lieferanten und die Abnehmer geeinigt haben. Dieser bildet eine Entscheidungsgrundlage für Preisverhandlungen zwischen den einzelnen Marktpartnern. Ziel ist es, den Milchmarkt zu stabilisieren. Die geplante Preissenkung von Elsa hält Kohler für «unschön». Aus seiner Sicht gibt es keine Gründe für den geplanten «Marktabzug», weil Elsa hauptsächlich auf dem Inlandmarkt tätig sei.  

Die Migros beziehungsweise Elsa ist nicht Mitglied bei der Branchenorganisation Milch, anders als etwa Coop. Allerdings, so Kohler, hielten sich die Migros und Elsa – wie alle anderen auch – im Grossen und Ganzen an die Spielregeln. Zudem lägen die 1,5 bis 2 Rappen im Rahmen gewöhnlicher Schwankungen. Kohler bezweifelt, dass der Verein Faire Märkte Schweiz Chancen hat, diese Milchpreissenkung kartellrechtlich erfolgreich anzugreifen. Er habe FMS-Präsident Flückiger davon abgeraten, diesen Fall aufzunehmen.

Flückiger entgegnet, man werde die Sache anhand jener Fälle beurteilen, welche die Bauern dem Nottelefon des Vereins meldeten. «Dort stellen wir fest, dass man sich in der Produktion nicht mehr jede Preisdrückerei gefallen lassen will.»