Kurssturz an KrypromärktenDer Börsencrash deckt ein falsches Versprechen auf
Jahrelang wurden Bitcoin, Ethereum und andere Kryptowährungen immer wertvoller. Nun rauschen die Kurse in die Tiefe – und zeigen, dass sie als Inflationsschutz versagen.
Panik lässt sich manchmal an einer einzigen Linie ablesen. Oder an mehreren, die alle in die gleiche Richtung weisen. Am Samstag zum Beispiel an den Kurscharts vieler Kryptowährungen: Bitcoin, Ethereum, Cardano, Ripple – überall ging es noch einmal steil nach unten. Der Bitcoin stürzte bis weit unter die Marke von 20'000 Dollar ab, in sechs Monaten hat er fast zwei Drittel an Wert verloren. Am Sonntag stabilisierten sich die Kurse zwar etwas, aber die Verluste vieler Investoren sind enorm.
Was vielleicht noch schlimmer ist als die Minuszeichen selbst, sind die Umstände: Denn der Kursrutsch geht einher mit globalen Konjunktursorgen und deutlichen Verlusten an den weltweiten Aktienmärkten. Zudem hatte die US-Notenbank Fed vergangene Woche beschlossen, den Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation so stark anzuheben wie seit fast drei Jahrzehnten nicht. Das unterscheidet den jüngsten Einbruch der Kryptowährungen von früheren Schwächephasen. Auch zwischen März und Juli 2021 hatte sich beispielsweise der Bitcoin-Kurs halbiert, danach aber rasant erholt. Der aktuelle Absturz könnte nun sehr viel länger dauern und das Vertrauen der Investoren dauerhaft beschädigen.
Denn Kryptowährungen mögen im Vergleich mit den globalen Aktienmärkten eine eher kleine Rolle spielen. Ihr Zusammenbruch könnte aber weite Kreise ziehen. Finanzierungen, die auf Bitcoin beruhen, werden platzen. Manchem Privatanleger mit hohem Engagement droht die Insolvenz. Und vor allem unerfahrene, junge Investoren könnten auf lange Zeit von den Finanzmärkten verschreckt werden.
Misstrauisch machen auch die Nachrichten grosser Krypto-Unternehmen. Celsius Networks zum Beispiel, ein Anbieter von Kryptowährungskrediten, musste am 13. Juni alle Konten seiner Kunden einfrieren, um die Insolvenz zu verhindern. Celsius hatte Darlehen vergeben, die durch Krypto-Guthaben besichert waren, und Anlegern Renditen von 20 Prozent versprochen. Auch der Celsius-Rivale Babel Finance zog am Freitag die Reissleine und fror Konten ein. Und der Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital aus Singapur muss nach schweren Verlusten entweder sehr viele Kapitalanlagen zu Geld machen oder sich von einem Partner retten lassen – wenn er denn einen findet.
Lange war die Verlockung gross
Über Jahre hatten Kryptowährungen bei einigen Investoren für raschen Reichtum gesorgt. Wer sich beispielsweise im November 2019 Bitcoin kaufte, hatte seinen Einsatz zwei Jahre später versiebenfacht. Im November 2021 stand der Kurs der digitalen Währung, die auf der Blockchain-Technologie basiert, bei sagenhaften 68’800 Dollar. Betroffen sind nun, wie bei jeder Blase, vor allem diejenigen Investoren, die spät eingestiegen sind.
Lange aber war die Verlockung gross, auch noch zu investieren. Viele Kleinsparer wollten am raschen Wertgewinn teilhaben, manchmal sogar auf Pump. Und für viele Finanzmanager war vor allem der Bitcoin auch das Versprechen einer Art Versicherung gegen den möglichen Crash der Aktien- und Anleihemärkte. Ein falsches Versprechen, wie sich nun zeigt: Krypto-Währungen sind keineswegs immun gegen die Entwicklungen der traditionellen Finanzmärkte, vor allem die Zinsentwicklung trifft sie. Steigen die Zinsen, geraten auch Krypto-Währungen und -Börsen enorm unter Druck, weil sie hohe Fremdkapitalkosten haben. Und weil die neue Zinslandschaft wieder eine Alternative bietet, ziehen grosse Investoren ihre Gelder aus den risikoreichen Krypto-Investments ab. Angesichts wohl weiter steigender Zinsen dürfte der Druck auf die Kryptowährungen auch in den kommenden Monaten nicht nachlassen.
Staaten könnten in Nöte geraten – wie El Salvador
Das könnte auch ganze Staaten in noch grössere Nöte stürzen, El Salvador zum Beispiel machte Bitcoin vor neun Monaten neben dem Dollar zu seiner Landeswährung. Ausserdem investierte das arme mittelamerikanische Land gross in die Kryptowährung. Die Finanzierungsprobleme dürften nun angesichts des aktuellen Wertverlusts noch weiter wachsen. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass Präsident Nayib Bukele das Experiment noch lange fortführen kann.
Bestätigt fühlen dürfte sich von dem Crash dagegen Warren Buffett. Im Mai wurde der legendäre Investor auf der Hauptversammlung seiner Holding Berkshire Hathaway gewohnt deutlich: «Selbst wenn Sie mir sagen, dass Sie alle Bitcoins der Welt besitzen und sie mir für 25 Dollar verkaufen würden, würde ich das ablehnen», sagte er. Schon 2018 hatte er Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum «Rattengift hoch zwei» genannt. Buffett vergleicht die Kryptowährungen gern mit der Tulpenzwiebelblase vor 400 Jahren in den Niederlanden: Die neue Blume galt damals als Statussymbol der Reichen, die Preise für die Zwiebeln vervielfachten sich innerhalb weniger Jahre. Anfang 1637 platzte die Blase, weil die Nachfrage nicht immer weiter wachsen konnte und schliesslich versiegte. Es kam zum Crash, Vermögen und Existenzen wurden vernichtet.
Zoff unter Milliardären
Für seine Äusserungen wurde Buffett von anderen Multi-Milliardären frontal angegriffen. Peter Thiel etwa, der 54-jährige Mitgründer von Paypal und Freund Donald Trumps, nannte Buffett den «Feind Nummer eins» für Bitcoin. Er sei Teil einer «finanziellen Gerontokratie», also einer Greisenherrschaft, und ein «soziopathischer Grossvater», wütete Thiel. Tesla-Herrscher Elon Musk, 50, hielt ebenfalls dagegen, wenn er auch Buffett nicht direkt angriff. Der reichste Mensch der Welt betonte aber öffentlich, dass er die Kryptowährung Dogecoin unterstützt.
US-Milliardär Mark Cuban, Besitzer des Basketballteams Dallas Mavericks, steht mit seinen 63 Jahren nicht nur altersmässig zwischen den Fronten. Einst galt er als Krypto-Kritiker, investierte dann enthusiastisch und ist jetzt wieder skeptisch. Angesichts der hohen Verluste erwies Cuban jedenfalls Buffett seine Reverenz. Man müsse sich an einen seiner ganz alten Sprüche erinnern, sagte Cuban jüngst: «Erst wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer nackt geschwommen ist.» Insgesamt ist es seitdem ziemlich ruhig geworden im verbalen Generationenkrieg der Milliardäre. Stattdessen sprechen die Kurse.
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