Geschäftsführerin von TwitterDas X kann auch sie nicht erklären
Linda Yaccarino, die rechte Hand von Elon Musk, soll bei Twitter flicken, was der Chef kaputtmacht. Dazu sucht sie Hilfe in Hollywood.
Linda Yaccarino hat etwas, das Elon Musk nicht hat. Die nominelle Geschäftsführerin von Twitter, wie X bis vor wenigen Tagen hiess, hat einen grossen Bekannten- und Freundeskreis. Sie kennt auch viele Prominente und unterhält sie gerne. Yaccarino kommt an, und vor allem macht sie sich nicht permanent Feinde wie der Chef.
Doch der abrupte Namenswechsel von Twitter zu X zwingt sie in eine heikle Rolle: Sie soll ein Unternehmen schönreden, dessen Zukunft düsterer ist als je zuvor.
Die Namensänderung soll dem Vernehmen nach nicht nur die Werbewirtschaft, von der das Unternehmen abhängt, überrascht haben, sondern auch die Firmenchefin. In einem internen Schreiben an die Belegschaft versuchte sie gemäss Informationen des Fernsehsenders CNBC den Schock abzufedern. Das X konnte sie aber auch nicht erklären. Stattdessen behauptet sie, die Reichweite von X sei «auf einem Allzeithoch» angelangt. «Wir freuen uns, unserer Gemeinschaft neue Angebote für Audio, Video, Messaging und Banking anzubieten. Wir schaffen einen globalen Marktplatz für Ideen, Waren, Dienstleistungen und Opportunitäten.»
Angaben zur angeblich grossen Nachfrage machte sie keine. Und beruhigen konnte sie die Belegschaft auch nicht. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechselten auf das Linkedin-Netzwerk von Microsoft und distanzierten sich von ihr und Musk. Das schwarz-weisse X-Symbol erinnere zu stark an die mit diesem Buchstaben versehenen Porno-Webseiten, schrieben sie und ersuchten Linkedin, das X aus ihrem Profil zu werfen und mit dem bekannten blauen Vögelchen von Twitter zu ersetzen. Was Linkedin sofort tat.
Paris Hilton soll helfen
Derweil ging Yaccarino nach Hollywood. Dort war sie vor ihrer Zeit bei Twitter/X als Werbechefin des Medienkonglomerats NBC Universal tätig. Sie traf frühere Kundinnen und Kunden und versuchte zu kitten, was der Namenswechsel zu zerstören drohte. In Treffen mit Vertretern der Schauspieleragenturen bat sie um ihre Hilfe. «X wird versuchen, das zu liefern, was ihr wünscht und wovon ihr träumt», zitiert die «Financial Times» einen Teilnehmer des Treffens.
Sie versprach eine «beidseitig vorteilhafte monetäre Patenschaft», zum Beispiel mittels gesponserter Beiträge von Hollywoodgrössen für Spaces, den Audiokanal von X. Die Vertreter der Agenturen sollen Ideen für eine solche Kooperation versprochen haben.
X wird nach einer angesehenen Marktforschungsfirma in den nächsten zwölf Monaten entweder untergehen oder aufgekauft werden.
Doch die Nachfrage scheint limitiert zu sein. Yaccarino stellte nach den Treffen in Hollywood auf jeden Fall nur ein Foto mit ihr und Paris Hilton ins Internet. Die 42-jährige Hotelerbin hat nach Corona eine zweite Karriere als Unternehmerin, Buchautorin und Hollywood-Netzwerkerin gestaltet und kürzlich auch ihre ersten Auftritte als Sängerin absolviert.
Ob sie und X mit einer Partnerschaft die Werbewirtschaft zurückgewinnen können, ist allerdings fraglich. Dies umso mehr, als die Zahlen, entgegen dem Schönreden von Yaccarino, nach unten weisen. Instagram etwa zog mit der Twitter-Kopie Threads bereits 150 Millionen Nutzer auf seine Seite. Die Werbeeinnahmen haben sich derweil in der Ära Musk bereits halbiert. Twitter-Investoren mussten den Wert ihrer Beteiligung bereits um über die Hälfte abschreiben.
Die Aussichten bleiben düster. X wird nach Einschätzung der angesehenen Marktforschungsfirma Forrester in den nächsten zwölf Monaten entweder untergehen oder aufgekauft werden.
Eine Bauchentscheidung
Dass der Namenswechsel nicht wirklich durchdacht wurde, musste Musk soeben zugeben. Ein Tweet soll nach seinem Willen künftig «ein X» genannt werden. Aber solle ein Retweet «XXX» genannt werden, fragte ihn ein Nutzer. Immerhin ist dies das übliche Kürzel für Pornoseiten. Musk räumte darauf ein, dass «das ganze Konzept überdacht werden muss».
Auch beim Namenswechsel am Firmensitz in San Francisco hapert es. Arbeiter begannen den alten Namenszug am Gebäude zu demontieren, mussten aber beim Restbestand von «er» abbrechen. Ganz konsequent durchgezogen ist der Namenswechsel sowieso noch nicht. Zum Ende der Woche hiess die iPhone-App immer noch Twitter, inklusive des blauen Vogels als Signet.
Auch das Copyright schwebt in der Luft, ist doch beim US-Patentamt bisher kein Antrag seitens der X Corporation eingegangen. Ohnehin dürfte ein solches Gesuch chancenlos sein. In den USA sind bereits Tausende von Unternehmen und Marken mit dem X-Kürzel eingetragen. Auch Microsoft und Meta haben das Logo registrieren lassen.
Sollte Musk «X» weltweit als eigene Marke schützen lassen, müsste er weit über 100 Millionen Dollar aufwerfen, schätzen Patentanwälte, und dürfte sofort verklagt werden.
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