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Twitter wird X
Das Zeichen für Übergrösse, Geheimnis und Sex

Ein X auf schwarzem Grund: Das neue Logo des ehemaligen Twitter.
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«X» heisst ein mit Goldketten und praller Emblematik gefüllter Song des Rappers Xzibit. Alles, was Spass macht (Helikopter, Stretch-Limousinen, Drinks, Hintern), wirkt darin wie mit einem X gestempelt – oder in den Worten von Xzibit: «That there is hot X marks the spot.» Das X markiert den Punkt. Wie auf der Schatzkarte bei «Indiana Jones».

Der Musiker wird auch Mr. X genannt und erinnert insofern, wenn man Malcolm X, Terra X und die X-Men mal beiseitelässt, an Lord X. Dargestellt von Jack Lemmon alias Nestor Patou. Zu sehen im Billy-Wilder-Film «Irma la Douce». Schon 1963 war das X bekannt als Symbol für Geheimnis, Abenteuer und Erotik. Zur Zukunft als viertem apokalyptischem Reiter der Zeichenkunde gleich mehr. Sprachgeschichtlich stammt das X aus dem Westgriechischen. Bedeutung hat es in Mathematik, Religion, Lotto und Politik. Bei den letztgenannten Sphären bedeutet es: ankreuzen und beten.

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X ist eine Spielserie, ein Energydrink, eine Spielkonsole – und ein Betriebssystem: Mac OS X. Ein nicht ganz neues Smartphone von Apple heisst X, dito ein Manga – und wer sich noch halbwegs der Gegenwart zurechnet, die an einen Schwarzweissfilm der Sechzigerjahre erinnert, unterschreibt nicht mit freundlichem Gruss, sondern mit X. Was aber auch für Ecstasy stehen kann. Daher besser: XOXO. Die Chat-Formel, in der das X für einen Kuss, das O für eine Umarmung steht, popkulturell fundiert in der 2000er-Serie «Gossip Girl».

Ein dreifaches X, um es noch komplizierter zu machen, steht entweder für Kiss, Kiss, Kiss – oder einfach für die nicht jugendfreien Inhalte der XXX-Videoportale. Oder für einen Möbeldiscounter, der durch seine XXXL-Haftigkeit auffällt. X ist das Signum der Übergrösse und ein Zeichen des Explizitseins.

Twittert man eigentlich in Zukunft – oder ixt man? 

Seit der Schokoriegel Raider Twix heisst, seit 1991, als die Bestsellerlisten vom Episodenroman «Generation X» dominiert wurden, hat sich das X weltweit durchgesetzt als juckendes Elend, das sich überall einnistet. Es ist die Kopflaus unter den Schriftzeichen. 1991 war auch die Zeit, als man den Grosseltern eine Karte geschrieben hat, auf der erstmals «Happy Xmas» statt «Frohe Weihnachten» stand. 

Früher war Elon Musk das personifizierte Angesagtsein, aber jetzt hat er das himmelblaue Vögelchen von Twitter als Logo abgeschossen, um es womit zu ersetzen? Mit einem grafisch stilisierten X. Der Mutterkonzern war schon zuvor in The X Corporation umbenannt worden. Seit Montag hat ein weisses X auf schwarzem Hintergrund das Vogelsymbol verdrängt. Wenig originell. Twitter heisst jetzt X, Raider heisst immer noch Twix, und ein Satz mit X geht grundsätzlich so: War wohl nix. Twittert man eigentlich in Zukunft – oder ixt man? 

Falcon-9-Rakete von SpaceX vor dem Start.
Ein Tesla X, parkiert in Las Vegas.

Twitter-Ritter Musk liebt das X als «unbekannte Variable» schon lange. Sein Sohn, eine unbekannte Variable, hat den Namen X Æ A-12 erhalten, wird aber X gerufen. Musk hat eine Onlinebank gegründet (X.com), das Raumfahrtunternehmen heisst SpaceX, das KI-Projekt X.AI und ein Tesla Model X. Musk stempelt ganz gern die Welt: That there is hot X marks the spot.

Die neue Adresse, unter der Twitter zu erreichen ist, heisst x.com. Mit nur zwei X mehr gelangt man zu Darstellungen, die oft genauso unverhüllt ausfallen wie das, was sich ein von allen Stilfragen befreiter Meinungsnudismus als Zukunft wünscht. Das Sex-Symbol X zeigt auch typografisch eine Gesellschaft an, die in jeder Hinsicht visuell oversexed ist. Nie sah Twitter älter aus als jetzt, da es wieder jung sein möchte, aber über die Twix-Strategie aus den Neunzigerjahren nicht hinauskommt.

Das X, ein wirklich schöner Buchstabe, dynamisch und symmetrisch zugleich, steht für die Vergangenheit der Zukunft. Zeit, sich liebevoll zu verabschieden: XOXO.