Papablog: Baby am SitzungstischDarf Ihr Kind mit zur Arbeit?
Blogger Tschannen findet, dass wir den pandemiebedingten Mix von Job- und Privatleben weiterhin pflegen sollten.
Der deutsche Politiker Anton Hofreiter leitete letzte Woche eine Sitzung des Europaausschusses zusammen mit seinem kleinen Kind. Politikerinnen und Politiker mit Nachwuchs im Arm gab es schon früher – besonders im Jahr 2018. Da arbeitete die heutige Nationalratspräsidentin Irène Kälin mit ihrem schlafenden Neugeborenen im Nationalratssaal. Madeleine Henfling hingegen wurde aus dem Saal des Thüringer Landtags verwiesen, weil sie ihr Kind dabeihatte. Im selben Jahr nahm die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ihr Baby sogar mit an die UNO-Generalversammlung. Es gäbe weitere Beispiele.
Wollten sie ein Zeichen setzen? Half es gar ihrer Karriere?
Mich kümmert nicht, weshalb diese Mütter und Väter mit einem Teil ihrer Familie bei der Arbeit erschienen. Fiel die Zofe kurzfristig aus? Wollten sie ein Zeichen setzen? Half es gar ihrer Karriere? Oder wollen sie die Kinder einfach früh an die Politik heranführen? Alles legitime Gründe. Bei mir als Wähler kommt an, dass sie sowohl ihr Amt als auch ihre Familie ernst nehmen. Natürlich sollten die Kinder den Ratsbetrieb nicht stören. Sie müssen sich dazu einfach anständiger benehmen als die schlimmsten Erwachsenen im Parlament. Ist ja nicht schwer.
Eine Lösung für besondere Situationen
Sollen nun alle Politikerinnen und Politiker ständig ihre Kinder zur Arbeit mitnehmen? Nein. Das werden keine Eltern je wollen. Es funktioniert schon. Manchmal sogar gut, aber ähnlich oft stürzt die Fitnessuhr am Handgelenk ab, weil sie nicht für so hohe Stresslevel programmiert wurde. Eine adäquate Form der Kinderbetreuung ist so was natürlich nicht, aber ab und zu eine sinnvolle Ausnahme.
Arbeiten mit Kindern war immer Kulanz gegenüber dem Arbeitgeber – anstatt gar nicht arbeiten.
Ich habe auch schon meine Kinder ins Büro geschleppt. Nicht, wenn ich dort konzentriert fünf Stunden am Stück arbeiten musste. Eher zu Besprechungen oder wenn ich Organisatorisches erledigen musste – kurz mit der Chefin reden, Unterlagen organisieren, ein Dokument kopieren, paar Briefe verschicken, Mails schreiben. Was wäre die Alternative gewesen? Die KESB sieht es nicht gerne, wenn man den Kindern zu Hause das Tablet ans Gesicht klebt und alleine ins Büro fährt. Deshalb hätte ich jeweils nur sagen können: «Ja, ich weiss, die Sitzung ist wichtig … mhmm … ja sorry, aber da kann ich wirklich nicht.» Arbeiten mit Kindern war immer Kulanz gegenüber dem Arbeitgeber – anstatt gar nicht arbeiten.
Plötzlich waren Kinder im Büro normal
Dann rollte die Pandemie übers Land und die Kinder mussten nicht mehr mit ins Büro. Das Büro kam nach Hause zu den Kindern. Wie oft habe ich Telefongespräche und Videokonferenzen geführt, in denen ein Joël und eine Jennifer-Shakira im Hintergrund miteinander stritten. Wie oft haben sich wichtige Personen am anderen Ende kurz abgemeldet, weil Kira-Samantha an die Tür des Homeoffice polterte. Ich fand das immer sympathisch. Endlich blitzte auch einmal die Familie derer durch, die ich sonst nur im sterilen Berufsumfeld kannte. Und wenn Beebers und der Brecht versuchten, meine verschlossene Bürotür einzurammen, dann hatte der Kardiologe, mit dem ich gerade ein Interview führte, oder die Kundin, die mich für einen Auftrag briefte, stets Verständnis. Das war ja nun normal.
Ich fände es schön, wenn wir diese Flexibilität beibehalten könnten, nicht immer scharf zwischen Arbeit und Kinderbetreuung zu trennen. Niemand muss die Kinder zur Arbeit mitnehmen, aber wer es kann und ab und zu möchte – warum denn nicht? Am Zukunftstag freuen sich doch auch alle, wenn Maximilian-Jason mit dem Mami eine Flugzeugturbine revidiert, Lea-Marihuana mit dem Papi Zähne röntgt oder der kleine Elija im Nationalratssaal auf den Knopf drückt.
Was meine Sie, liebe Leserinnen und Leser? Finden Sie ein Babybesuch im Sitzungszimmer legitim oder einfach nur störend? Diskutieren Sie mit.
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