Mamablog: Arbeitende MütterDann quäkt es halt im Hintergrund
Job und Familie trennen. Job und Familie trennen. Das war lange das Mantra unserer Autorin. Warum sie das heute anders sieht.
Zwischen Frühstück abräumen und Duplo aufbauen sah ich die E-Mail: «Rufen Sie mich um elf Uhr an.» Es war die Antwort einer Ärztin, der ich Fragen für einen Artikel gemailt hatte. Doch hier sass ich, inmitten eines Bergs aus bunten Plastik-Bauteilen, zusammen mit dem damals Zweijährigen. In diesem Setting ein komplexes Gespräch führen? Da könnte ich mich auch neben einen Ameisenhaufen setzen. Der würde nicht mal quengeln, wenn ihm langweilig wird …
Doch ich brauchte die Antworten – und fand niemanden, der den Kleinen hätte beschäftigen können. Ich beschloss, ihn vorzeitig zum Mittagsschlaf zu bewegen. Gelingen würde das nur draussen, wenn überhaupt. Also packte ich Kind, Handy, Kopfhörer, Stift und Zettel mit den Fragen ein und lief gegen halb elf los. Es regnete. Wiederholt guckte ich angespannt unter die Abdeckung des Kinderwagens, während ich durch nasse Strassen stapfte. Fünf vor elf: Augen auf Halbmast, puh! Ich parkte den Wagen unter ein Bushäuschen und stellte mich abseits, um das Kind nicht mit meiner Stimme zu wecken. Regen tropfte mir beim Telefonieren ins Gesicht. Das Papier weichte sich unter dem Kugelschreiber auf. Doch dreissig Minuten später war ich, zwar fertig, aber auch fix fertig. Ganz ohne Mucks aus dem Wagen.
Das Mantra hinterfragen
Arbeit und Familie strikt trennen. Arbeit und Familie strikt trennen. Mit diesem Mantra hatte ich meine Mutterschaft schon angetreten. Da war einfach ein unscheinbares, aber mächtiges Gefühl tief drin, dass jedes zu offensichtliche Zeichen des Mutterseins an der beruflichen Kompetenz kratzen könnte. Prägung? Einverleibte Sicht von aussen? Kann man das überhaupt trennen? Jedenfalls huldigte ich lange der Idee, dass mir jeder kindliche Pieps während eines beruflichen Telefonats ein Stück meiner Professionalität raubt.
Noch oft ernten Väter ja Bewunderung, wenn ein Kind im Hintergrund zu hören ist.
Inzwischen sind die Kinder grösser. (Längst habe ich zudem die letzten Skrupel abgelegt, die ich noch gegen einen strategischen TV-Einsatz hatte.) Doch auch sonst würde sich die Bushäuschen-Szene nicht mehr wiederholen. Das verregnete Interview, das ganze Tamtam: Dinge wie diese haben mich mein Mantra hinterfragen lassen. Jedenfalls telefoniere ich heute lockerer. Allerdings noch immer nicht halb so locker wie mein Partner. Er nämlich erledigt geschäftliche Anrufe auch mit Kindern vollkommen lässig, die eine Hand im Sandkasten, die andere mit dem Handy am Ohr. Im Gegensatz zu ihm habe ich aber auch nie diese positiv-überraschten Kommentare gehört, wie: «Ach wie schön, Sie haben heute Kindertag!?»
Väter sind herzig, Mütter unprofessionell
Noch oft ernten Väter ja Bewunderung, wenn ein Kind im Hintergrund zu hören ist. Mütter spüren eher den Vorwurf, offen oder versteckt, sie seien schlecht organisiert. Doch ob Staunen oder Stirnrunzeln: Beides zeigt, dass es weder bei Vätern noch bei Müttern alltäglich ist, wenn ihr Elternsein im Arbeitsleben sicht- oder hörbar wird. Mütter bekommen das bloss auf unangenehmere Art zu spüren.
Dass viele von ihnen den Druck kennen, sich die Kinder nicht anmerken zu lassen, zeigte vor einigen Monaten die Debatte um #momtoo: Managerin und Mutter Kaitlyn Chang hielt einen Vortrag über Vorurteile und Nachteile, die Mütter in der Arbeitswelt spüren. Dabei kritisierte sie – während sie ihr Baby vor sich trug –, wie schnell Mütter als unprofessionell angesehen werden, wenn sie ihre Kinder zeigen, und forderte dazu auf, gängige Vorstellungen von Professionalität zu hinterfragen.
Was sich seit Corona verändert hat
In einem LinkedIn-Post dazu schrieb Chang, sie sei professionell, aber eine #momtoo – was sie nicht weniger professionell mache. Sie traf einen Nerv, der Hashtag #momtoo ging viral.
Das passt zu einer Zeit, die die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben gründlich aufmischte. In der wir in Online-Meetings nicht nur Möbel und Zimmerpflanzen unserer Arbeitskolleginnen und -kollegen kennenlernten, sondern auch Haustiere und Kinder. Natürlich wussten wir schon vorher, dass sich analytisches Denken und die Katze auf dem Schoss nicht ausschliessen. Dass wir komplexe Projekte managen können, auch wenn wir vorher und nachher Kinder bekochen. Doch nun war nicht mehr zu übersehen: Wir sind nicht bloss Arbeitnehmende, sondern Menschen mit einem Leben. Und nur, weil man dieses sieht, sind wir nicht weniger professionell.
Es wäre schade, das jetzt wieder zu vergessen. Umso mehr, weil auch die Aufgaben von Eltern – Müttern wie Vätern – auf einmal sichtbarer schienen, alltäglicher, normaler für beide, irgendwie. Eine gute Richtung, finde ich. So sage ich mir heute noch mehr als zuvor: Dann quäkt es halt im Hintergrund. So what?
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