61 Milliarden in drei Monaten verschwundenFinanzspritze, Boni, Kundenschwund: Was die Quartalszahlen über die CS aussagen
Wohl zum letzten Mal vor dem UBS-Deal meldet die Credit Suisse ihre Finanzzahlen. Diese sehen schlecht aus. Die Antworten auf die fünf drängendsten Fragen zur Grossbank.

Mutmasslich zum letzten Mal meldet die Credit Suisse ihre Finanzzahlen. Und die sehen schlecht aus: Die Bank verzeichnete im Berichtsquartal einen Vorsteuerverlust von 1,3 Milliarden Franken. Ein Sondereffekt führt aber auf dem Papier zu einem gigantischen Gewinn: Wegen der AT1-Abschreibungen weist die Bank ein Plus von 12,4 Milliarden Franken aus. Diese speziellen Wandelpapiere im Umfang von 16 Milliarden Franken wurden bei der Rettung der CS abgeschrieben.
Die Publikation der Quartalszahlen geschieht unüblich zurückhaltend, ohne Auftritt der Geschäftsführung für Analystinnen und Medienschaffende. Aus Sicht der Credit Suisse erscheint dies nachvollziehbar: Nach dem Kauf durch die UBS können Bankchef Ulrich Körner und Präsident Axel Lehmann den Kurs der Bank nicht mehr wesentlich bestimmen. Hier ist mit der UBS nun die neue Eigentümerin am Drücker.
Sie legt ihre Quartalszahlen am morgigen Dienstag vor. Die CS machte auch keine Angaben dazu, wann der Kauf durch die UBS tatsächlich vollzogen wird.
Wurden die Abflüsse bei den Kundengeldern mittlerweile gestoppt?
Nein. Kundinnen und Kunden haben weiterhin Geld von der Bank abgezogen, insbesondere in der zweiten März-Hälfte. «Diese Abflüsse sind zwar mittlerweile zurückgegangen, eine Trendumkehr wurde jedoch bis am 24. April 2023 nicht beobachtet», schreibt die CS in der Medienmitteilung.
Insgesamt weist die Bank Netto-Mittelabflüsse von 61,2 Milliarden Franken aus. Analysten hatten mit noch stärkeren Abflüssen gerechnet: Die Zürcher Kantonalbank schreibt, dass sie «geringer als befürchtet» ausgefallen seien.
Damit kauft die UBS letztlich eine Bank mit viel weniger Ertragskraft: Mit den tieferen Vermögen geht auch die Basis für künftige Einnahmen zurück. Daher das Fazit der Experten der Luzerner Kantonalbank: «Es ist keine Überraschung, dass die Credit Suisse weitere Kundengelder verloren hat. Wichtiger ist, dass der Zusammenschluss mit der UBS schnell über die Bühne geht.»
Die Börse nimmt das Ergebnis der CS positiv auf. Die Aktien von UBS und Credit Suisse stiegen am Montagvormittag um 2 Prozent.

Die Gelder wurden hauptsächlich aus der Vermögensverwaltung und der Schweizer Bank abgezogen. Bei Letzterer haben vor allem Privatkunden in den ersten drei Monaten des Jahres rund 6,9 Milliarden Franken abgezogen. Die Abflüsse von Kundengeldern hatten zur Folge, dass die Bank einen Abschreiber auf den Goodwill in der Vermögensverwaltung von 1,3 Milliarden Franken machen musste.
Wie viel von der staatlichen Finanzspritze hat die CS bezogen?
Die Bank hat zwischenzeitlich einen Grossteil der Finanzspritzen von Bund und Schweizerischer Nationalbank bezogen. Auf dem Höhepunkt waren es rund 170 Milliarden Franken.* Insgesamt belaufen sich die Liquiditätshilfen auf 250 Milliarden Franken: 150 Milliarden davon entfallen auf die Nationalbank, 100 Milliarden werden durch den Bund mittels des sogenannten Public Liquidity Backstops garantiert.
Per 24. April 2023 hatte die CS von den Finanzhilfen noch einen Nettobetrag von 98 Milliarden Franken offen. 60 Milliarden wurden noch im März zurückbezahlt, 10 Milliarden Franken folgten im April. Wann die Rückzahlungen genau erfolgt sind, sagt die Bank auf Anfrage nicht. Sie seien jedoch in mehreren Tranchen erfolgt.
Wie schlimm es um die Liquidität der CS während des Bankruns Mitte März tatsächlich stand, gibt sie auf Anfrage nicht bekannt. Die Kunden zogen nicht nur Gelder ab, welche die Bank für sie verwaltete. Der Vertrauensverlust erfasste auch die Einlagen der CS. Diese gingen im ersten Quartal um 67 Milliarden Franken zurück – mehr als die Hälfte der Abflüsse in der Vermögensverwaltung und der Schweizer Bank und dringend benötigter Cash, welcher der Bank gefehlt hat. Zu diesem Bilanzposten gehören neben klassischen Sparkonten auch Girokonten oder Termineinlagen von Privat- und Firmenkunden.
Der staatlichen Finanzspritzen wegen erhöhte sich die sogenannte Liquidity Coverage Ratio am Ende des Quartals wieder auf 178 Prozent. In den kritischen Tagen Mitte März belief sich die Kennzahl auf rund 153 Prozent.
Was heisst das für die geplante Auslagerung der Investmentbank?
Der Kauf durch die UBS macht die ursprünglich geplante Strategie der CS zu Makulatur: Zur geplanten Auslagerung eines Teils der Investmentbank in die CS First Boston hätte auch der Kauf der Firma von Starbanker Michael Klein gehört. Nun wird die Übernahme nicht weiter verfolgt. Die UBS-Chefs haben in den letzten Wochen durchblicken lassen, dass sie den Deal der CS mit Klein kritisch sehen.
Die CS äussert sich auf Anfrage nicht dazu, ob sie Michael Klein für den abgeblasenen Kauf eine Entschädigung zahlt. Die Bank wollte 175 Millionen Dollar für die The Klein Group bezahlen. Der umstrittene Banker könnte aber trotzdem noch kassieren: Die CS zahlt ihm ein Beratungshonorar von 10 Millionen Dollar für die Abspaltung der Investmentbank. Ob dies auch tatsächlich fliesst, ist unklar.
Hat die CS nun Boni bezahlt?
Trotz des Debakels steigen die Ausgaben für Boni. Der Personalaufwand erhöhte sich um 16 Prozent, unter anderem aufgrund der Annullierung ausstehender aufgeschobener Vergütungsansprüche, heisst es im Quartalsbericht.
Nach der Staatsrettung hatte der Bund der CS untersagt, der Geschäftsleitung variable Vergütungen zu bezahlen. Eine Hierarchieebene darunter werden sie um die Hälfte gekürzt, auf der nächsten um ein Viertel. Rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien davon betroffen.
Ist das Schlimmste für die Bank jetzt überstanden?
Die Lage der Credit Suisse wird sich so schnell nicht bessern. In der Investmentbank und damit für die gesamte Bank fallen im gesamten Jahr riesige Verluste an. Angesichts des angekündigten Zusammenschlusses, der negativen Ertragsauswirkungen des bereits bekannt gegebenen Ausstiegs aus nicht zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsbereichen erwartet die Credit Suisse zudem, dass die Investmentbank und die Gruppe für das zweite Quartal 2023 und das Jahr 2023 einen erheblichen Vorsteuerverlust ausweisen werden.
Auch in der Vermögensverwaltung geht die Bank davon aus, dass die Abflüsse bei den verwalteten Vermögen zu einem Rückgang des Zinserfolgs sowie der Kommissions- und Gebührenerträge führen werden. Die UBS stehe zweifelsohne vor der grossen (und dringenden) Aufgabe, den früheren Wettbewerber grundlegend umzustrukturieren, schreibt Vontobel-Analyst Andreas Venditti.
*In einer ersten Fassung des Textes hiess es, es wurden 180 Milliarden von der SNB bezogen. Es waren aber rund 170 Milliarden Franken.
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