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Kontroverse um mögliche Nazi-Gelder 
Diesen US-Anwalt wird die Credit Suisse nicht los

Befasst sich seit dem Steuerstreit in den USA mit der Credit Suisse: Neil Barofsky, hier bei einer Podiumsdiskussion der «New York Times» Ende 2013.
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Die Vorwürfe aus den USA wiegen schwer. Die Credit Suisse soll ihre Vergangenheit unter den Tisch gekehrt und Hinweise auf Nazi-Gelder ignoriert haben. Konkret geht es um rund 100 Konten von Nazis aus Deutschland oder von Mitgliedern von Organisationen mit Nazi-Verbindungen in Argentinien. In manchen Fällen waren diese sogar noch im Jahr 2020 offen, wie das Haushaltskomitee des amerikanischen Senats schreibt.

Erhoben hat die Anschuldigungen Neil Barofsky. Der amerikanische Anwalt und Partner der Kanzlei Jenner & Block war 2021 von der Credit Suisse als unabhängiger Überwacher mandatiert worden, um bisher unbekannte Verbindungen zu Nazi-Geldern zu untersuchen.

Der Umgang mit Holocaust-Geldern ist für den Schweizer Finanzplatz ein heikles Thema. Nach politischer Aufarbeitung und jahrelangem Druck zahlten 1998 die UBS und die Credit Suisse 1,25 Milliarden Dollar an Holocaust-Opfer und ihre Nachkommen. 

Der US-Senat hat sich eingeschaltet 

Die neuen Vorwürfe sind kompliziert: 2020 hatte das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles eine Liste mit rund 12’000 Namen von deutschen Nazis aus Argentinien erhalten. Davon sollen viele Kunden der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) gewesen sein, die 1997 in der Credit Suisse aufgegangen ist. (Lesen Sie hier, was die Untersuchung ausgelöst hat.)

Die Bank engagierte darauf die Beratungsfirma Alix Partners für die Erarbeitung eines Untersuchungsberichts und in einem zweiten Schritt Barofsky als unabhängigen Überwacher. Im November 2022 hat die CS allerdings die Zusammenarbeit mit ihm beendet.

Darauf schaltete das Simon Wiesenthal Center das Haushaltskomitee des Senats ein. Nach einer offiziellen Vorladung hat dieses am Dienstag eine Zusammenfassung der Vorwürfe sowie den Bericht von Alix Partners und den von Barofsky veröffentlicht.

Zwei Berichte – mehrere Widersprüche

Die Bank und Barofsky widersprechen sich jedoch in entscheidenden Punkten: Während die von der Credit Suisse direkt beauftragte Alix Partners keine Indizien darauf fand, dass die Hinweise des Simon Wiesenthal Center zutreffen, erhebt Barofsky massive Vorwürfe gegenüber der CS: Die Bank habe ihn an der Ausübung seiner Arbeit gehindert. Schliesslich sei sie gar nicht dazu bereit gewesen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und diese richtig zu untersuchen.

Barofsky wirft der Bank vor, zu wenig gründlich hingeschaut zu haben. Die Suche nach potenziellen Nazi-Konten sei etwa unnötig auf bestimmte geografische Gebiete eingeschränkt worden. Zudem wurden Verbindungen zu den sogenannten Rattenlinien, über welche Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg aus Europa nach Lateinamerika geschleust wurden, nicht untersucht.

«Wir weisen diese falschen Darstellungen entschieden zurück.»

Stellungnahme der Credit Suisse

Der Bericht enthalte zahlreiche sachliche Fehler, irreführende und grundlose Behauptungen, schreibt dagegen die CS. «Wir weisen diese falschen Darstellungen entschieden zurück.» Gut informierten Quellen zufolge geht die Bank in den USA deswegen rechtlich gegen Barofsky vor. Mögliche Verbindungen zu den Fluchthelfern der Nazis will sie nach der Intervention des US-Senats nun aber doch noch prüfen. 

Der Paradeplatz in Zürich im Jahr 1950. Die Vorwürfe wegen möglicher Nazi-Gelder betreffen die Schweizerische Kreditanstalt. Die SKA ging 1997 in der Credit Suisse auf.

Wie es zu dem Zerwürfnis zwischen der Bank und ihrem unabhängigen Überwacher gekommen ist, ist umstritten. Gut informierten Quellen zufolge hat es mit Barofsky selbst zu tun: Als Teil eines Umbaus im Management wechselte die kriselnde CS im vergangenen Juli ihren Rechtschef aus. Markus Diethelm hat damals den langjährigen Chefjuristen Romeo Cerutti abgelöst. 

Barofsky erklärte sich darauf nicht dazu bereit, den neuen Rechtschef über Umfang und Dauer seiner Ermittlungen zu informieren. Dabei verschlang die Untersuchung einiges an Ressourcen: Im Sommer 2022 arbeiteten mehr als 50 Mitarbeitende von Alix Partners und zwischen 30 und 40 Personen des unabhängigen Überwachers an Hinweisen auf lateinamerikanische Nazi-Konten. Wie viel sie das Ganze gekostet hat, legt die CS nicht offen. Barofsky hat auf Fragen dieser Redaktion nicht reagiert.

Erste Begegnung vor bald zehn Jahren

Die Untersuchung der argentinischen Nazi-Gelder ist nicht die einzige Verbindung der CS zu Barofsky. Der ehemalige Bundesanwalt beaufsichtigt die Bank immer noch im Auftrag des amerikanischen Justizministeriums; dabei geht es um Ramschhypotheken. 2014 hatte ihn bereits der Staat New York zur Credit Suisse geschickt, um die Einhaltung der Auflagen aus dem US-Steuerstreit zu beaufsichtigen. Die Kosten für die Bank wurden damals auf rund eine halbe Milliarde Dollar geschätzt. 

Was die Überwachung die CS diesmal kostet, kommentiert sie nicht. Ursprünglich sollte die Einigung, die auch Entschädigungen an betroffene Kundinnen und Kunden im Rahmen von 2,8 Milliarden Dollar umfassen, 2021 abgeschlossen sein. Die CS hat die Frist stillschweigend verlängert, nun soll dies erst frühestens 2026 der Fall sein.