Urteil zu den Corona-LeaksSieg für die Medien und Bersets Ex-Kommunikationschef: E-Mails bleiben tabu
Die Bundesanwaltschaft erhält keinen Zugriff auf Handys und Laptops von Peter Lauener und Marc Walder. Das Bundesgericht urteilt zugunsten der Medienfreiheit.
![Bundesrat Alain Berset und Kommunikationschef Peter Lauener auf dem Weg zur Medienkonferenz, Bern, 20. Oktober 2021, COVID-19 Pandemieberatung.](https://cdn.unitycms.io/images/9Sh2MovpKZQ9OJRmCiKqBd.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=VeapXJO9Y5g)
- Das Bundesgericht bestätigt, dass E-Mails mit Medien nicht ausgewertet werden dürfen.
- Grund ist der Quellenschutz: Medienschaffende dürfen Zeugnis verweigern.
- Der Quellenschutz gilt unabhängig vom Motiv des Informanten.
- Das Strafverfahren zu den Corona-Leaks dürfte eingestellt werden.
Der Fall war beispiellos und sorgte für grosses Aufsehen. Im Frühjahr 2022 führte die Polizei drei Mitarbeitende von zwei Bundesräten ab – darunter Peter Lauener, den Kommunikationschef des damaligen Bundesrates Alain Berset. Ihm wurde vorgeworfen, vertrauliche Informationen zur Pandemiebekämpfung an Marc Walder weitergegeben zu haben, den Chef des Ringier-Verlags, der unter anderem die Zeitung «Blick» herausgibt.
Der verantwortliche Sonderermittler Peter Marti argumentierte, Lauener habe nicht nur mutmasslich das Amtsgeheimnis verletzt, sondern einen «Angriff auf die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft» durchgeführt. Mit dieser Begründung liess er bei Lauener und Walder Laptops, Datenträger und Handy-Daten sicherstellen.
Auf Ersuchen der Betroffenen wurden die Geräte und Daten versiegelt. Im vergangenen Sommer hat das Zwangsmassnahmengericht Bern entschieden, dass die sichergestellte Kommunikation – Walders E-Mail-Austausch mit Lauener – nicht ausgewertet werden darf. Zu diesem Schluss kommt nun auch das Bundesgericht.
Quellenschutz geht vor
Die Lausanner Richter argumentieren mit dem Quellenschutz von Medienschaffenden: Journalistinnen und Journalisten dürfen Zeugnis verweigern, wenn es um die Quelle ihrer Informationen geht. Das Bundesgericht hält fest, sie müssten ihre Quellen nur dann offenlegen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Das sei der Fall, wenn es um die Aufklärung schwerer Straftaten gehe oder darum, eine Person aus einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben zu retten.
Das Delikt der Amtsgeheimnisverletzung gehöre dagegen nicht zum Ausnahmekatalog. Damit gelte der Quellenschutz in diesem Fall ohne Einschränkung. Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr mit Journalistinnen und Journalisten dürfen laut dem Bundesgericht nicht beschlagnahmt werden – auch dann nicht, wenn sie sich beim Informanten befinden.
Motiv spielt keine Rolle
Die Bundesanwaltschaft hatte geltend gemacht, die Berufung auf den Quellenschutz sei in diesem Fall missbräuchlich, da es nicht um die Aufdeckung von Missständen gegangen sei. Das Bundesgericht hält nun aber fest, das Motiv des Informanten sei nicht entscheidend. Auf den Quellenschutz könnten sich zudem nicht nur Journalistinnen und Journalisten im eigentlichen Sinne berufen, sondern sämtliche Personen, die an der Medienproduktion beteiligt seien.
Das Gericht weist darauf hin, dass die Bundesverfassung das Redaktionsgeheimnis gewährleistet. Der Schutz journalistischer Quellen leite sich zudem aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ab. «Diese Garantien ermöglichen den für eine demokratische Auseinandersetzung erforderlichen Informationsfluss», heisst es im Urteil.
Das Fehlen eines solchen Schutzes würde es den Medienschaffenden erschweren, zu den erforderlichen Informationen zu gelangen und ihre in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrliche Wächterfunktion wahrzunehmen. Medienschaffende seien darauf angewiesen, ihren Informanten absolute Diskretion zusichern zu können.
Sonderermittler verrannte sich
Mit dem Bundesgerichtsurteil ist ein Ende der Affäre in Sicht: Die Bundesanwaltschaft dürfte das Verfahren in absehbarer Zeit einstellen. Ins Rollen gebracht hatte es nicht die Bundesanwaltschaft, sondern Sonderermittler Peter Marti. Er war eingesetzt worden, um einen Fall von mutmasslicher Amtsgeheimnisverletzung bei der Geheimdienstaffäre Crypto AG aufzuklären.
Wegen eines Zufallsfundes begann Marti, gegen Lauener und weitere Bundesangestellte zu ermitteln, obwohl er dafür laut Rechtsexperten gar nicht zuständig gewesen wäre. Im Mai 2023 gab Marti den Fall ab.
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